Nach Kritik von Nominierten Seehofer legt Preis-Schirmherrschaft nieder
02.08.2018, 19:53 Uhr
Innenminister Horst Seehofer wollte die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Zwei Initiativen lehnen ihre Nominierung für den Deutschen Nachbarschaftspreis ab. Ihre Begründung: Innenminister Seehofer als Schirmherr vertrete nicht ihre Werte. Auch von einer Stiftung hagelt es Kritik. Nun zieht Seehofer Konsequenzen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat seine Schirmherrschaft für den Deutschen Nachbarschaftspreis zurückgezogen und damit Konsequenzen aus dem tagelangen Streit um seine Funktion gezogen. Zwei Initiativen aus Köln und Berlin hatten ihre Nominierung abgelehnt, weil Seehofer Schirmherr war.
Der CSU-Chef machte in einem Schreiben dem Geschäftsführer der nebenan.de Stiftung, Michael Vollmann, schwere Vorwürfe: "Da Sie mir Toleranz, Mitmenschlichkeit und Offenheit absprechen, stehe ich für die Schirmherrschaft ab sofort nicht mehr zur Verfügung." Der Preis wird von einer Stiftung verliehen, die laut Vollmann vom Internetportal nebenan.de und anderen Einrichtungen unterstützt wird.
In dem vom Bundesinnenministerium veröffentlichten Schreiben Seehofers an Vollmann heißt es weiter: "Ihre Äußerungen, die Sie als Geschäftsführer der nebenan.de Stiftung im Zusammenhang mit dem Rücktritt zweier nominierter Preisbewerber gegenüber den Kollegen in der Bundesjury und den Medien getroffen haben, sind diskreditierend." Er halte es für wichtig, das Ehrenamt, den Zusammenhalt und ein demokratisches Miteinander in Deutschland voranzubringen, betonte Seehofer. "Toleranz, Mitmenschlichkeit und Offenheit sind Grundlage und Richtschnur der Politik des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat."
In einer Bierzelt-Rede im oberbayerischen Töging am Inn warf Seehofer dann seinen Kritikern im Allgemeinen eine gezielte Kampagne gegen seine Person und eine völlig unangemessene Wortwahl vor. "Genau diejenigen, die jeden Tag dafür eintreten, dass man in der Politik Anstand und Stil zu bewahren hat, überschütten mich mit Worten und Eigenschaften und Attributen, die weit unter der Gürtellinie liegen", sagte er. "Jetzt steht also der böse Seehofer vor Ihnen - der Mörder, der Terrorist, der Rassist", sagte er mit Blick auf die Kritik an ihm zu den mehreren hundert Besuchern, betonte aber dann: "Kampagnen, da können sie sich drauf verlassen, die beschäftigen mich nicht."
Seehofers Äußerungen waren "antihumanistisch"
Vollmann reagierte enttäuscht auf die Entscheidung des Bundesinnenministers. "Den Rückzug Horst Seehofers halten wir für ein bedauernswertes Signal an die Zivilgesellschaft." Die Stiftung habe mit der Verleihung des Preises "den Raum für Dialog zwischen den engagierten nominierten Initiativen und dem Schirmherrn aufgemacht. Diesen Raum nun nicht zu betreten, nehmen wir mit Enttäuschung zur Kenntnis".
Die Berliner Flüchtlingshilfsorganisation "Moabit hilft" hatte am Wochenende erklärt, sie habe sich über die Nominierung für den Nachbarschaftspreis gefreut. Sie könne aber Seehofers Schirmherrschaft nicht mit ihren Absichten vereinbaren. Den jetzigen Rücktritt bezeichnete die Vorsitzende Diana Henniges als richtigen Weg. Die Stiftung habe bemängelt, was auch der Verein bemängelt habe: Dass Seehofer in seinen Äußerungen zum Flüchtlingsthema "relativ antihumanistisch" agiert habe. "Allein schon in der Asyldebatte, was sich Herr Seehofer da geleistet hat, entspricht nicht unserer Vorstellung von Menschlichkeit."
Ähnlich äußerte sich auch ein ebenfalls nominierter Verein aus Köln, dessen Projekt "Kasimir" kostenfrei Lastenräder in der Stadt verleiht. In letzter Zeit sei ein politischer Konsens aufgekündigt worden, sagte ein Sprecher. "Das ist nicht unsere Form von Nachbarschaft. Wir wollen nicht, dass so eine Spaltung der Gesellschaft betrieben wird." Henniges schloss nicht aus, dass "Moabit hilft" nach dem Rücktritt Seehofers die Nominierung doch noch annimmt. Sie gehe davon aus, dass die Stiftung einen neuen Schirmherren finde, der der Arbeit gerecht werden könne.
Quelle: ntv.de, fzö/dpa