Der Kriegstag im Überblick Selenskyj bietet Gefangene für Mariupol-Verteidiger - Moskau testet Rakete
20.04.2022, 21:37 Uhr
Die Hafenstadt Mariupol wird seit Wochen von russischen Truppen belagert.
(Foto: REUTERS)
Während Moskau fernab der Front eine neue Interkontinentalrakete testet, macht Präsident Selenskyj im Fall der belagerten Stadt Mariupol der russischen Seite ein Angebot. Im Osten des Landes gelingt es ukrainischen Verbänden, einen russischen Vorstoß abzuwehren. Der 56. Kriegstag im Überblick:
Selenskyj schlägt Deal für Mariupol vor
Die Belagerung von Mariupol geht weiter: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will die eingekesselten Soldaten und Zivilisten mit einem Austausch aus der Hafenstadt holen. "Wir sind bereit, unsere Leute gegen russische Soldaten, die sie zurückgelassen haben - sowohl Leichen, als auch Verwundete - auszutauschen", sagte der 44-Jährige. In den Bunkeranlangen des Stahlwerks Asowstal sollen sich noch rund 2000 ukrainische Soldaten und Hunderte Zivilisten aufhalten.
Der Kommandeur der in der Stadt noch befindlichen ukrainischen 36. Marine-Brigade, Major Serhij Wolyna, hatte zuvor in einem Video internationale Hilfe gefordert. "Das ist unser Appell an die Welt. Es könnte unser letzter sein. Wir haben nur ein paar Tage oder Stunden", sagte er. Man sehe sich einem Feind gegenüber, der sehr viel stärker sei.
Kreml: Kiew hält sich nicht an Zusagen
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow warf der Ukraine unterdessen vor, Zusagen bei den Gesprächen für ein Ende der Kämpfe nicht einzuhalten. Der Ball liege im Feld der Führung in Kiew, nachdem Russland der ukrainischen Seite ein Dokument übergeben habe. Selenskyj erklärte jedoch, bisher keine Vorschläge aus Moskau erhalten zu haben. "Ich hab nichts gehört, ich hab nichts gesehen. Bin überzeugt, dass sie uns nichts übergeben haben", sagte der Staatschef bei einer Pressekonferenz in Kiew.
Bericht: Berlin strich schwere Waffen von "Industrieliste"
Beim Thema schwere Waffen für die Ukraine hält sich Bundeskanzler Olaf Scholz bislang beharrlich zurück. Medienberichten zufolge hat die Bundesregierung Kiew sogar den Kauf schwerer Waffen bei deutschen Rüstungskonzernen unmöglich gemacht, indem sie das Angebot im Vorfeld stark reduziert hat. Das Verteidigungsministerium habe auf Anordnung des Kanzleramts sämtliche schweren Waffen von einer sogenannten "Industrieliste" gestrichen, berichteten RTL/ntv sowie die "Bild"-Zeitung.
Die von ursprünglich 48 auf 24 Seiten gekürzte Liste sei Ende März der ukrainischen Regierung übergeben worden. Nach Informationen der Zeitung hatte die ursprüngliche Liste Mitte März noch schwere Waffensysteme wie den Kampfpanzer "Leopard-2", die Schützenpanzer "Marder" und "Puma" sowie die gepanzerten Mannschaftstransporter "Boxer" und "Fuchs" enthalten. Auch die "Panzerhaubitze 2000" soll sich demnach zunächst auf der Liste befunden haben. Diese Waffensysteme entsprächen einer "Bedarf"-Liste des ukrainischen Verteidigungsministeriums, die dem Blatt nach eigenen Angaben ebenfalls vorliegt.
Pentagon korrigiert Meldung zu Kampfjet-Lieferung
Derweil hat das US-Verteidigungsministerium Angaben zu einer angeblichen Lieferung von Kampfjets aus dem Ausland an die Ukraine korrigiert. "Ich habe mich getäuscht", sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. "Sie haben nicht ganze Flugzeuge von einem anderen Land erhalten." Vielmehr habe die Ukraine "Ersatzteile und zusätzliche Ausrüstung" erhalten und dadurch mehr eigene Kampfjets einsatzfähig machen können. Er habe fälschlicherweise gedacht, dass das Angebot eines Landes, der Ukraine Kampfjets zu liefern, umgesetzt worden sei, sagte Kirby weiter. "Ich bedaure den Irrtum."
Ein weiterer ranghoher Pentagon-Mitarbeiter erklärte dazu: Die Ukraine habe "mehr als 20 zusätzliche Flugzeuge zur Verfügung als noch vor drei Wochen." Die nötigen Ersatzteile hätte es der Luftwaffe ermöglicht, ihre einsatzfähige Flotte zu erweitern.
Ukraine: Russischer Vormarsch auf Slowjansk gestoppt
Moskaus Streitkräfte versuchen weiterhin, die ukrainischen Verteidigungslinien im Osten der Ukraine zu durchbrechen, meldete der britische Militärgeheimdienst. Allerdings haben ukrainische Truppen nach Angaben von Selenskyj-Berater Olexij Arestowytsch den Vormarsch russischer Truppen auf die Stadt Slowjansk gestoppt. Die russischen Einheiten seien aus der nordöstlich gelegenen Stadt Isjum gekommen, erklärte Arestowytsch in einer Video-Ansprache. "Sie haben ihre Kräfte dort konzentriert. Dort versuchen sie voranzukommen, aber bisher gelingt es ihnen nicht." Laut Arestowytsch ist das Ziel des russischen Vorstoßes, ukrainische Truppen in den Städten Rubischne und Sjewjerodonezk zu isolieren.
Abgeordneter wirft Russland Verschleppung von 500.000 Ukrainern vor
Russland hat nach Angaben eines führenden ukrainischen Abgeordneten rund 500.000 Menschen aus der Ukraine verschleppt. Mykyta Poturajew, der dem Ausschuss für humanitäre Fragen des Parlaments in Kiew vorsitzt, forderte das Rote Kreuz auf, mit diesen Menschen Kontakt aufzunehmen. "Eine halbe Million ukrainischer Bürgerinnen und Bürger sind aus der Ukraine in die Russische Föderation deportiert worden, ohne dass sie dem zugestimmt hätten", sagte Poturajew vor dem Europäischen Parlament in einer Video-Schaltung. Unglücklicherweise gebe es derzeit keine Möglichkeit, Kontakt zu ihnen herzustellen.
Moskau testet Interkontinentalrakete
Fernab der russischen Angriffe auf die Ukraine hat Moskau den erfolgreichen Test der ballistischen Interkontinentalrakete Sarmat gemeldet. Die Waffe werde "jene, die in der Hitze der aggressiven Rhetorik versuchen, unser Land zu bedrohen, zweimal nachdenken lassen", sagte Präsident Wladimir Putin in einer Fernsehansprache. Die neue Rakete verfügt über eine Reichweite von 18.000 Kilometern und kann mit nuklearen Sprengköpfen ausgestattet werden. Zudem könne sie "alle modernen Luftabwehrsysteme umgehen", fügte Putin hinzu.
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Quelle: ntv.de, jpe/dpa/AFP