Die Kriegsnacht im Überblick Selenskyj räumt beim Geheimdienst auf - Russen bombardieren Sumy
19.07.2022, 07:00 Uhr
Der ukrainische Präsident Selenskyj will den Geheimdienst SBU umkrempeln.
(Foto: picture alliance/dpa/Planet Pix via ZUMA Press Wire)
Nachdem der ukrainische Geheimdienstchef Bakanow seinen Posten räumen muss, kündigt Präsident Selenskyj weitere Entlassungen beim SBU an. In der Ukraine selbst bombardieren russische Einheiten Städte im Nordosten und Süden des Landes. Unterdessen kritisiert die EU Ungarns Kurs in der Russlandpolitik.
Selenskyj entlässt weitere Geheimdienstler
Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Entlassung von 28 Mitarbeitern des ukrainischen Geheimdienstes SBU angekündigt. Es gehe um unterschiedlich hohe Posten und Funktionen, "aber die Begründungen sind ähnlich: unbefriedigende Arbeitsergebnisse", sagte Selenskyj in einer Videoansprache. Am Vortag hatte er bereits seinen Geheimdienstchef und Jugendfreund Iwan Bakanow sowie die Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa suspendiert. Nun stellte Selenskyj eine Revision der gesamten Arbeit des Geheimdienstes in Aussicht.
Der ukrainische Präsident hatte sich zuletzt verärgert darüber geäußert, dass mehr als 60 Mitarbeiter von SBU und Generalstaatsanwaltschaft in den besetzten Gebieten geblieben seien. Kiew wertet dies als Hochverrat. Medien verwiesen allerdings auch darauf, dass der 47-jährige Bakanow als Fachfremder nur wenig Autorität unter seinen Angestellten genossen habe.
Ukraine bedankt sich für US-Waffen
Derweil traf Selenskyjs Gattin, Olena Selenska, am Montag in den USA Außenminister Antony Blinken. Am Mittwoch will die ukrainische First Lady vor dem Kongress um weitere Hilfe bitten. Die USA sind der größte Waffenlieferant für die Ukraine. Der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte bedankte sich am Montag beim Vorsitzenden des Generalstabs der US-Streitkräfte, Mark Milley, für die Lieferung der Raketenwerfer HIMARS. Diese hätten dazu beigetragen, die Lage an der Front zu stabilisieren.
Schwere Bombardements im Nordosten und Süden
Die russischen Streitkräfte bombardierten laut ukrainischen Angaben in der Nacht weiter Städte in der Ukraine. Mehr als 150 Bomben und Granaten seien auf die Region Sumy im Nordosten des Landes abgefeuert worden, schrieb Dmytro Schywytzki, Leiter der Militärverwaltung der Region bei Telegram. "Sie feuerten Mörser, Kanonen- und Raketenartillerie ab. Die Russen eröffneten auch das Feuer mit Maschinengewehren und Granatwerfern."
Auch die Stadt Mykolajiw im Süden stehe unter Beschuss mit Streugeschossen, wie der Bürgermeister der Stadt, Oleksandr Senkewytsch, mitteilte. Mindestens zwei Menschen seien verletzt, Fenster und Dächer von Privathäusern beschädigt. In Odessa seien bei einem russischen Raketenangriff mindestens vier Menschen verletzt worden, Häuser seien niedergebrannt, berichtete ein Sprecher der Regionalverwaltung auf Telegram.
Kritik an Ungarns Russlandpolitik
Die Sanktionspolitik der EU gegen Russland sorgt indes erneut für Diskussionen innerhalb der Staatengemeinschaft. EU-Chefdiplomat Josep Borrell kritisierte bei einem Außenministertreffen in Brüssel mit deutlichen Worten öffentlich geäußerte Zweifel am Kurs der EU. Zugleich machte er deutlich, dass die EU aus seiner Sicht an ihrer Politik festhalten wird. Bereits in dieser Woche soll eigentlich ein siebtes Sanktionspaket beschlossen werden, das unter anderem ein Gold-Embargo gegen Russland umfasst. Ob das klappt, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.
Ungarns Ministerpräsident Orbán hatte zuletzt deutliche Kritik an der Sanktionspolitik der EU geübt - obwohl die Sanktionen nur einstimmig, also nur mit ungarischer Unterstützung beschlossen werden können. Anfänglich habe er noch geglaubt, man hätte sich nur "ins eigene Knie geschossen", jetzt sei aber erkennbar, dass es ein Schuss in die Lunge der europäischen Wirtschaft gewesen sei, die jetzt überall um Luft ringe, sagte Orbán am Freitag im ungarischen Radio.
Repräsentantenhaus stimmt für NATO-Beitritt von Finnland und Schweden
Das US-Repräsentantenhaus unterstützt einen Beitritt Finnlands und Schwedens zur NATO. Die Abgeordneten votierten mit 394 zu 18 Stimmen für eine entsprechende Resolution. Darin bringen sie ihre Unterstützung für die "historische Entscheidung" Finnlands und Schwedens zum Ausdruck und fordern alle NATO-Mitglieder auf, die Beitrittsprotokolle zügig zu ratifizieren. Vor zwei Monaten hatten Finnland und Schweden nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Aufnahme in das westliche Verteidigungsbündnis beantragt. Die Hälfte der NATO-Staaten hat den Beitritten von Schweden und Finnland nach Angaben aus Stockholm bereits zugestimmt. Besonderes Augenmerk ist nun darauf gerichtet, wie der Ratifizierungsprozess in der Türkei voranschreitet.
Russische Behörden machen Druck auf Kriegskritiker
Die russischen Behörden gehen derweil hart gegen Kriegskritik im eigenen Land vor. Nach Angaben des Bürgerrechtlers Pawel Tschikow haben Innenministerium, Ermittlungskomitee und der Geheimdienst FSB inzwischen 200 Strafverfahren gegen Kriegsgegner eröffnet. In vielen Fällen dient das im März im Eilverfahren durchgebrachte umstrittene Fake-Gesetz als Grundlage für die Strafverfolgung. Insgesamt greifen die Behörden aber auf 22 verschiedene Paragrafen zurück, um Kritik am Krieg, der in Moskau nur "militärische Spezialoperation" genannt werden darf, zu unterdrücken.
Das wird heute wichtig
- Kremlchef Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan treffen sich mit Irans Präsident Ebrahim Raisi. Bei dem Gipfel geht es nach Kremlangaben auch um eine ganze Reihe von Fragen zur internationalen Politik, darunter der Krieg in der Ukraine.
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Quelle: ntv.de, jpe/dpa/rts