Rüstungsindustrie applaudiert Studenten fordern militärische Forschung an Unis
08.06.2023, 16:03 Uhr Artikel anhören
Bei militärischer Forschung muss es nicht immer um Kampfpanzer oder andere Waffensysteme gehen - oftmals geht es um Technologien, die sich zivil und militärisch nutzen lassen.
(Foto: Armin Weigel/dpa)
Viele deutsche Universitäten verbieten sich selbst die Forschung zu militärischen Zwecken. Der CDU-nahe Ring christlich demokratischer Studenten will das ändern. Beifall kommt von der Rüstungsindustrie - doch es gibt auch entschiedene Gegner.
Der CDU-nahe Ring christlich-demokratischer Studenten (RCDS) fordert deutsche Hochschulen und Universitäten auf, Forschung zu militärischen Zwecken zuzulassen. Die RCDS-Vorsitzende Aileen Weibeler sagte ntv.de, die Universitäten sollten die sogenannten Zivilklauseln abschaffen. "Wenige hundert Kilometer von hier herrscht ein grausamer Krieg, weil Russland die Ukraine angegriffen hat. Die Zeiten haben sich geändert." Die aktuelle Regelung sei falsch, weil das Grundgesetz die Wissenschafts- und Forschungsfreiheit garantiere "und die Universitäten sich damit selbst einschränken", sagte sie. "Aktuell sind wir nicht einmal bereit, mehr zu forschen und unserer Bundeswehr für den Fall der Fälle den Rücken zu stärken. Da fängt es doch an."
Zivilklauseln untersagen es Wissenschaftlern einer Hochschule, sich militärischer Forschung zu widmen. Die "Initiative Hochschulen für den Frieden" listet mehr als 70 deutsche Universitäten mit einer solchen Regelung auf. Hochschulen können in der Regel selbst über Zivilklauseln entscheiden. Nur Thüringen und Bremen schreiben sie ihnen vor. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben verpflichtende Zivilklauseln aus den Hochschulgesetzen mittlerweile wieder gestrichen.
Dabei ist schwer zu definieren, was genau militärische Forschung ist. Oftmals können Forschungsergebnisse sowohl militärisch als auch zivil angewandt werden. Beispiele sind Navigationssysteme, Fahrzeugtechnik oder auch Kommunikationselektronik. "Wir sagen schon sehr lange, dass der Wissenstransfer zwischen Universitäten und Wirtschaft besser werden muss, auch im Rüstungsbereich", sagte Weibeler ntv.de. "Oft geht es gar nicht um schwere Waffen, sondern um Dinge, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Ohne militärische Forschung hätte es das Internet oder die GPS-Navigation nicht gegeben." Beides wurde ursprünglich für militärische Zwecke erforscht.
Sicherheitsaspekt nicht vernachlässigen
Für den RCDS war der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine Anlass, sich dem Thema zu widmen. "Junge Menschen gehen auf die Straße und feiern Europa. Aber Europa besteht nicht nur aus offenen Grenzen, Frieden und Freiheit. Wir müssen das auch verteidigen können." Dieser Sicherheitsaspekt dürfe nicht vernachlässigt werden. "Wenn wir ausländischen Studenten unsere Zivilklauseln erklären, lachen sie - und erzählen von den Rüstungskooperationen in ihren Ländern. Ich weiß auch nicht, ob man die Zivilklausel noch so propagieren würden, wenn ein ukrainischer Student mit im Vorlesesaal sitzt. Die Bereitschaft, den ersten Schritt zu gehen, also zu forschen, ist das Mindeste, was wir brauchen."
Beifall kommt von der Rüstungsindustrie. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs seien Zivilklauseln "völlig aus der Zeit gefallen", teilte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Hans-Christoph Atzpodien, ntv.de mit. Diese Klauseln seien ein "Relikt romantisierender Friedenshoffnung der Nach-Wiedervereinigungs-Zeit". "Frieden und Sicherheit sind auch in unserem Teil Europas nicht selbstverständlich und auch nicht zum 'Nulltarif' zu haben".
Die Debatte um Zivilklauseln gibt es schon seit längerem. Einen neuen Höhepunkt erreichte sie vor rund zehn Jahren, nachdem mehrere Forschungsprojekte bekannt geworden waren, die vom US-Verteidigungsministerium mitfinanziert worden waren. Die Befürworter solcher Klauseln argumentieren, die Universitäten seien in der Verantwortung, zur Lösung der drängenden gesellschaftlichen Probleme beizutragen, wie es beispielsweise bei der "Initiative Hochschulen für den Frieden" heißt. Militärische Forschung stehe dem entgegen.
Die Deutsche Friedensgesellschaft schreibt auf ihrer Internetseite, Rüstungskonzerne sowie deutsche und ausländische Streitkräfte versuchten über Drittmittelprojekte und Stiftungsprofessuren, Einfluss auf Inhalte von Forschung und Lehre zu nehmen. "Die Universitäten und wissenschaftliche Institute sollen das 'know how' für die Kriege der Zukunft liefern."
"Das ist genau die Doppelmoral, die ich meine", sagte Weibeler. Im Deutschen Bundestag habe CDU-Chef Friedrich Merz gesagt, dass die Freiheit im Zweifel stärker bewaffnet sein muss als die Tyrannei. "In den Frieden zu investieren ist richtig, aber damit schützen wir nicht zugleich unsere Freiheit." Sie halte die Befürchtung "der radikalen Studentenschaft" für unbegründet, dass von heute auf morgen "schlimme Dinge passierten", sollte es militärische Forschung geben.
Quelle: ntv.de