Die gefährlichste Anklage Trump windet sich, Georgia beißt sich fest
06.09.2023, 09:53 Uhr Artikel anhören
In Georgia sitzt Trump möglicherweise tief in der Tinte.
(Foto: REUTERS)
Im US-Bundesstaat Georgia wird nun eine lang erwartete Anklage gegen Donald Trump verlesen: Er habe eine kriminelle Verschwörung angeführt, um seine Wahlniederlage 2020 abzuwenden. Eine Verurteilung könnte seine Karriere beenden.
Wo Donald Trump seine Finger anlegt, sind juristische Probleme nicht weit. Das ist schon seit Jahrzehnten so, zu seiner Zeit als Unternehmer vor seiner Präsidentschaft, währenddessen ebenso. Bislang hat er seinen Hals immer gerettet. Doch nun liegen gleich mehrere Schlingen darum: In vier verschiedenen Prozessen ist er wegen Vergehen vor und in seiner Amtszeit angeklagt. Das öffentliche Interesse ist gigantisch - Trump will 2024 erneut Präsident werden.
Die Schlinge aus dem US-Bundesstaat Georgia hat das Zeug dazu, ihn ins Gefängnis zu bringen und seine politische Karriere zu beenden. Auch wenn sich Trump noch windet: Zuletzt rief er den dortigen Gouverneur, den Republikaner Brian Kemp, dazu auf, die für die Klage verantwortliche Staatsanwältin abzusetzen. Kemp lehnte ab. Die Verlesung der Anklagepunkte am Gericht in Atlanta ist für den heutigen 6. September angesetzt. Der Ex-Präsident hat schon auf "nicht schuldig" plädiert. Seine Personalien und ein denkwürdiges Foto von ihm wurden bereits aufgenommen.
Die Anschuldigungen werden aller Voraussicht nach bislang unbekannte Details über Trumps Versuche enthalten, die knappe Wahlniederlage 2020 im Bundesstaat Georgia mit mutmaßlich illegalen Mitteln abzuwenden. Etwa über alternative, Trump-loyale Wahlleute, die einen Sieg statt einer Niederlage zertifizieren sollten. Dazu kommt illegaler Zugriff auf Wahlmaschinen im Wahlkreis Cotton County sowie ein Telefonat, in dem Trump den für die Wahl in Georgia Verantwortlichen bat, Stimmen zu "finden".
Kaum ein Ausweg sichtbar
Die Staatsanwaltschaft bezichtigt Trump deshalb, der Kopf einer kriminellen Verschwörung gewesen zu sein. Damit in Verbindung stehen unter anderem Vorwürfe der Erpressung, Fälschung sowie Anstiftung zum Bruch des Amtseids. Für Trump ist die Anklage in Georgia besonders gefährlich, weil sie Staatsanwälte in Georgia führen. Sollte das Gericht ihn für schuldig befinden, könnte er zu einer Haftstrafe von bis zu 20 Jahren verurteilt werden.
Wird er zugleich im kommenden Jahr als Kandidat der Republikaner antreten und zum US-Präsidenten gewählt, kann er sich auch nicht selbst begnadigen, so wie bei den Anklagen, die von der Generalstaatsanwaltschaft im US-Justizministerium an Bundesgerichten geführt werden - US-Präsidenten können niemanden begnadigen, der vom Gericht eines Bundesstaates verurteilt wurde. Anders gesagt: Was auch politisch passiert, in Georgia sitzt er möglicherweise tief in der Tinte. Neben Trump müssen sich 18 weitere beteiligte Personen verantworten, etwa seine Anwälte Rudy Giuliani und John Eastman sowie sein früherer Stabschef im Weißen Haus, Mark Meadows.
Meadows versuchte in der vergangenen Woche, mit einem riskanten Manöver wegzukommen vom Prozess in Georgia: Er ging in den Zeugenstand und setzte sich einem Kreuzverhör der Staatsanwaltschaft aus. Der frühere Stabschef argumentierte - wenig überzeugend -, er habe immer im Rahmen seines politischen Amtes und nicht als Wahlkämpfer für Trump gehandelt. Deshalb will er, dass sein Fall an einem Bundesgericht verhandelt wird. Eine Entscheidung des Richters steht aus. Entscheidet er dagegen, können seine Aussagen im Prozess verwendet werden.
Wahlkampfgelder für Anwälte
Meadows deutete in seinen Aussagen an, dass er die Schuld von sich auf Trump schieben könnte. Drei der alternativen Wahlleute aus Georgia führen dieses altbekannte Argument an: Sie hätten auf Anweisung des Präsidenten gehandelt, also seien sie nicht verantwortlich. Vor Gericht könnte das verfangen, es sei eine übliche Strategie für unwichtigere Angeklagte, sagte ein Anwalt zu "Politico", der als Verteidiger in einem der Kapitolsturm-Prozesse aufgetreten war: "Sie wollen nicht die kleinen Leute, sie wollen Trump. Sie werden immer mit der Person neben ihnen verglichen."
Trump hat in Umfragen einen meilenweiten Abstand zu den anderen republikanischen Bewerbern um die Kandidatur der Republikaner. Nach derzeitigem Stand wird die Nominierung der konservativen Partei ein Spaziergang für ihn. Der Prozess in Georgia soll im kommenden Jahr mitten in der Vorwahlperiode beginnen, zumindest will das die Staatsanwaltschaft so. Über einen Gegenvorschlag von Trumps Anwälten ist bislang nichts bekannt.
Am Ende wird der Richter über den Beginn des Prozesses entscheiden, der für alle Angeklagten gleichzeitig geführt werden soll. Das Gericht plant, Live-Berichterstattung aus dem Verhandlungssaal zuzulassen. Trump und seine früheren Mitstreiter könnten sich also vor laufender Kamera gegenseitig bezichtigen. Zumindest manche, denn Trumps Wahlkampforganisationen, so schreiben US-Medien, bezahlten nicht nur die Anwaltskosten des Republikaners, sondern auch die Anwaltskanzleien einiger Mitangeklagter.
Quelle: ntv.de, Von Roland Peters