Was passiert bei einem Patt? So reicht Donald Trump schon ein Unentschieden zum Sieg
05.11.2024, 16:29 Uhr Artikel anhören
Im 269-269-Szenario hätte Donald Trump die deutlich besseren Karten, Präsident zu werden.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Wer 270 Wahlleute gewinnt, wird nächster US-Präsident. Es gibt jedoch ein kurioses Szenario, in dem weder Kamala Harris noch Donald Trump die magische Zahl erreichen. Der Ex-Präsident müsste nur zwei Staaten "umdrehen" und es könnte zum Patt kommen.
Versuchtes Attentat, Kandidatentausch, Wahlkampf bei McDonald's und im Müllauto. Die US-Präsidentschaftswahl 2024 geht schon jetzt in die Geschichte ein. Möglich ist nun ein Szenario, was zum denkbar knappen Duell zwischen Donald Trump und Kamala Harris perfekt passen würde. Die Wahl könnte unentschieden ausgehen. Und zwar dann, wenn beide Kandidaten auf exakt 269 Stimmen im Electoral College kommen, dem Wahlleute-Gremium. Das noch nie dagewesene Szenario ist längst nicht so absurd, wie es klingt.
Was muss passieren?
Wenn es keine großen Überraschungen abseits der sieben besonders umkämpften Swing States gibt, liegt Kamala Harris mit 226 zu 219 Wahlleuten vorn. Offen sind in diesem Szenario 93 Wahlleute aus den sieben Swing States. Gewinnt Harris die Bundesstaaten Wisconsin, Georgia, Arizona und Nevada, kommt sie auf exakt 269 Wahlleute. Setzt sich Trump in Pennsylvania, Michigan und North Carolina durch, wären das ebenfalls 269 Wahlleute.
Das ist kein komplett unwahrscheinliches Szenario. Von den sieben Swing States verlor Donald Trump 2020 gegen Joe Biden alle außer North Carolina. Der Ex-Präsident müsste im Duell gegen die amtierende Vizepräsidentin mit Pennsylvania und Michigan "nur" zwei Staaten umdrehen, um ein Unentschieden herbeizuführen. Zwei zusätzliche Staaten sind für Trump ohnehin das erforderliche Minimum, wenn der erneute Einzug ins Weiße Haus gelingen soll. Die erste Bedingung ist der Sieg in Pennsylvania. Gewinnt Trump auch Georgia, käme er auf exakt 270 Stimmen. Das wäre der knapp möglichste Sieg und die einzige Option für Trump, mit nur zwei zusätzlichen Staaten die Wahl zu gewinnen. Wenn Trump statt in Georgia in Michigan vorn liegt, wäre die Pattsituation Realität.
Da Georgia und North Carolina im Electoral College beide jeweils 16 Stimmen wert sind, können beide Staaten in dem genannten Szenario auch getauscht werden (Harris gewinnt North Carolina, Trump siegt in Georgia). Die Wahl würde dennoch unentschieden ausgehen.
Es gibt auch noch einen dritten realistischen Weg zum Patt. Wenn Trump die drei Swing States im Rust Belt holt (Pennsylvania, Michigan, Wisconsin) und dazu Nevada gewinnt, wären das ebenfalls 269 Stimmen für den Kandidaten der Republikaner. Setzt sich Harris dafür in Georgia, North Carolina und Arizona durch, käme auch sie auf 269 Stimmen.
Wie geht es dann weiter?
Gibt es keinen Sieger im Electoral College, entscheidet das neu gewählte Repräsentantenhaus die Präsidentschaftswahl. So steht es im 12. Verfassungszusatz aus dem Jahr 1804.
Im Falle einer "contingent election" würden die Abgeordneten höchstwahrscheinlich am 6. Januar 2025 den Präsidenten wählen. Die Besonderheit ist, dass aber nicht jeder der 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus bei solch einer Präsidentenwahl eine Stimme hätte. Stattdessen wird getrennt nach Staatenblöcken abgestimmt. Bedeutet: Kalifornien mit seinen fast 40 Millionen Einwohnern und 52 Abgeordneten wäre in einer Präsidentenwahl genauso wichtig wie Wyoming oder Vermont mit weniger als einer Million Einwohnern und einem einzigen Abgeordneten.
Für die Präsidentschaft braucht einer der Kandidaten angesichts von 50 Bundesstaaten demnach 26 Stimmen. Entscheidend für das Abstimmungsverhalten der Delegationen aus den Bundesstaaten wäre die Zusammensetzung des neuen Kongresses. In einem solchen Fall wäre Donald Trump klar im Vorteil, weil die Republikaner höchstwahrscheinlich weiterhin in mehr bundesstaatlichen Delegationen in der Überzahl sein werden. Derzeit kommt die "Grand Old Party" auf exakt 26 Stimmen, die Demokraten liegen bei 22 Stimmen, in zwei Staaten hat keine Partei eine Mehrheit.
Das heißt, die Republikaner könnten Trump im Falle eines Unentschiedens über den Umweg Repräsentantenhaus zurück ins Weiße Haus bringen.
Wie wird die Vize-Präsidentschaft entschieden?
Diese Regelung könnte den Irrsinn auf die Spitze treiben. Das Repräsentantenhaus wählt im Falle eines Unentschiedens bei den Wahlleuten nämlich nur den Präsidenten, nicht den Vizepräsidenten. Das zweithöchste politische Amt der Vereinigten Staaten wird vom Senat und seinen 100 Mitgliedern gewählt (zwei pro Bundesstaat). Auch das steht im 12. Zusatzartikel der Verfassung. Die Republikaner haben gute Chancen auf die Senatsmehrheit. In dem Fall würde J.D. Vance zum Vizepräsidenten gewählt werden. Sollten aber die Demokraten wider Erwarten im Senat vorn liegen, ergäbe sich eine besonders delikate Situation: Tim Walz hätte die Mehrheit im Senat auf seiner Seite und würde an der Seite von Trump zum Vizepräsidenten gewählt werden.
Wurde die Präsidentschaftswahl schon mal im Repräsentantenhaus entschieden?
Die Amerikaner haben sich mit dem 12. Verfassungszusatz zwar auf viele denkbare Eventualitäten vorbereitet. Darauf zurückgreifen musste man bei der Wahl zum Präsidenten aber bislang nur ein einziges Mal. Im Jahr 1824 wurde John Quincy Adams vom Repräsentantenhaus zum Präsidenten gewählt. Ansonsten kam das Szenario lediglich in der fünften Staffel der US-Politserie "House of Cards" zur Anwendung.
Quelle: ntv.de