Politik

Wachmann der "Colonia Dignidad" Verurteilter Mittäter bei Gauck-Empfang

Gauck beim Besuch des Museums der Erinnerung und der Menschenrechte in Santiago. Viele Opfer der Pinochet-Diktatur wurden in der Colonia Dignidad gefoltert und getötet.

Gauck beim Besuch des Museums der Erinnerung und der Menschenrechte in Santiago. Viele Opfer der Pinochet-Diktatur wurden in der Colonia Dignidad gefoltert und getötet.

(Foto: dpa)

Die Verbrechen der "Colonia Dignidad" standen im Fokus des Besuchs von Bundespräsident Gauck in Chile. Nun stellt sich heraus: Beim Empfang der Deutschen Botschaft war ein Gast dabei, der Opferverbände fassungslos macht.

Ein verurteilter Mittäter der früheren Sektensiedlung Colonia Dignidad hat am Empfang der Deutschen Botschaft für Bundespräsident Joachim Gauck in Chile teilgenommen. Mehrere Teilnehmer, darunter der Filmregisseur Florian Gallenberger, bestätigten, dass der in einem Prozess um Kindesmissbrauch zu drei Jahren Haft verurteilte Reinhard Zeitner bei dem Empfang während des Staatsbesuchs anwesend war. 

Die Strafe für Zeitner, der unter anderem als Sicherheitsmann in der Siedlung tätig gewesen sein soll, wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf vier Jahre angesetzt, wie der Oberste Gerichtshof 2013 bestätigte. Im gleichen Prozess wurde auch der ehemalige Arzt der Colonia Dignidad, Hartmut Hopp, zu fünf Jahren verurteilt. Er entzog sich einer Haftstrafe zunächst durch die Flucht nach Deutschland, soll diese aber nun in einem deutschen Gefängnis verbüßen.

Opfer der Colonia Dignidad reagierten mit scharfer Kritik auf die Anwesenheit Zeitners bei dem Empfang. "Dafür fehlen mir die Worte", sagte der Anwalt Winfried Hempel. Hempel hatte früher selbst in der hermetisch abgeriegelten Siedlung rund 350 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago de Chile gelebt. Die Colonia Dignidad war unter ihrem Gründer Paul Schäfer ein befestigtes Lager mit sektenähnlichen Strukturen, sie wurde 1991 in "Villa Baviera" (Bayerisches Dorf) umbenannt. Schäfer war 1961 mit Anhängern seiner Sekte "Private Sociale Mission" aus Siegburg bei Bonn nach Südamerika ausgewandert. Zeitner sei damals auf dem Gelände mit einer Pistole herumgelaufen, "und war Teil der Sicherheitsgruppe von Paul Schäfer", so der Anwalt Hempel.

Bundespräsidialamt bedauert Einladung

Das Bundespräsidialamt hat die Einladung bedauert. "Wir haben großen Wert auf eine sorgsame Auswahl der Gäste gelegt - vor allem im Hinblick auf die Geschichte der Colonia Dignidad", sagte eine Sprecherin des Bundespräsidenten. "Wir bedauern mit Blick auf die Opfer sehr, dass diesem Maßstab nicht entsprochen wurde."

Während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973 bis 1990) wurde die Kolonie zu einem Folterzentrum der Geheimpolizei. Schäfer starb 2010 in Chile in einem Gefängnis.

Regisseur Gallenberger sagte, er sei mit Zeitner über dessen Anwesenheit in Streit geraten. Gallenberger begleitet Gauck auf seiner Reise. Sein Kinofilm "Colonia Dignidad" mit Daniel Brühl und Emma Watson in den Hauptrollen wurde im Beisein von Gaucks Lebensgefährtin Daniela Schadt in Santiago gezeigt.

Hempel betonte zudem in einer Mitteilung, es sei enttäuschend, dass Gauck während seines Besuches nicht mit einem einzigen Opfer gesprochen habe. "Die Bundesrepublik Deutschland ist mitverantwortlich, da sie wusste, was in der Colonia Dignidad vor sich ging und trotzdem nichts unternahm, um die Verbrechen zu unterbinden", kritisierte Hempel. Das Auswärtige Amt gab Ende April seine Akten zur Colonia Dignidad vorzeitig frei. Gauck ist inzwischen nach Uruguay weitergereist, der zweiten Station seiner Südamerikareise.

In Chile hatte er eine juristische Mitverantwortung Deutschlands für die Verbrechen der Colonia Dignidad zurückgewiesen. Gauck sagte am Mittwoch in Santiago de Chile, dies sei ein Unterschied zu Ländern, in denen der deutsche Staat für Unrecht, Terror und Mord verantwortlich gewesen sei. "Das ist eine andere Geschichte."

Quelle: ntv.de, bdk/dpa

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