Politik

Folge der Pandemie Vielen Staaten droht der Schulden-Kollaps

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Die Pandemie hat die Schuldenkrise in vielen Ländern verstärkt.

(Foto: imago images/IlluPics)

Es ist eine verheerende Folge der Pandemie: Weltweit stehen immer mehr Länder kurz vor dem Zusammenbruch. "Staaten werden vor die unmögliche Wahl gestellt, zwischen dem Überleben ihrer Bevölkerung und dem Anspruch ihrer Gläubiger auf Schuldenrückzahlung zu entscheiden", kritisiert Misereor.

Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hat sich die Verschuldung vieler Staaten weiter verschärft. Wie aus dem Schuldenreport 2022 hervorgeht, werden in allen Regionen der Welt Länder "mit einer untragbaren Verschuldung aus der Pandemie gehen". Flächendeckende Zahlungseinstellungen hätten 2021 zwar vermieden werden können. Doch dies sei in vielen Fällen nur durch rigorose Sparmaßnahmen und Neuverschuldung gelungen. Ohne rasche Schuldenerlasse drohe vielen verschuldeten Staaten der Kollaps.

Laut dem vom Entschuldungsbündnis Erlassjahr.de und dem Hilfswerk Misereor erstellten Schuldenreport 2022 sind 135 von 148 untersuchten Staaten im globalen Süden kritisch verschuldet. Im Vergleich zur Prognose im Schuldenreport 2021 seien damit drei Länder hinzugekommen. Besonders kritisch verschuldet sind dem Bericht zufolge 39 Länder, mehr als dreimal so viele wie noch vor der Pandemie. Darunter sind Länder aller Einkommenskategorien und Weltregionen.

Die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zur Entschuldung reichten nicht aus, erklärten Misereor und Erlassjahr.de. Mehr als die Hälfte der besonders kritisch verschuldeten Länder seien von bisherigen Entschuldungsmaßnahmen der G20 ausgeschlossen. Diese hätten zudem keine substanziellen Schuldenerlasse ermöglicht.

In vielen Ländern könne der Schuldendienst daher nur auf Kosten öffentlicher Dienstleistungen aufrechterhalten werden. Bereits 2021 wurden in 83 Niedrig- und Mitteleinkommensländern öffentliche Ausgaben gekürzt, um Schulden weiter bedienen zu können, hieß es anlässlich der Veröffentlichung des Schuldenreports. "Staaten werden vor die unmögliche Wahl gestellt, zwischen dem Überleben ihrer Bevölkerung und dem Anspruch ihrer Gläubiger auf Schuldenrückzahlung zu entscheiden", kritisierte Klaus Schilder, Experte für Entwicklungsfinanzierung bei Misereor.

Appell an Bundesregierung

Anstatt die Krise rasch zu überwinden, würden private Forderungen auf die öffentlichen Haushalte abgewälzt. Gleichzeitig sei die Atempause, die durch das Schuldenmoratorium der G20 und die massiven Liquiditätshilfen geschaffen worden sei, nicht für überfällige Reformen der Schuldenarchitektur genutzt worden, kritisierten Erlassjahr.de und Misereor.

Nun müsse die Bundesregierung während der deutschen G7-Präsidentschaft die Weichen für eine umfassende Entschuldung stellen, forderten sie. Die G7 müssten private Gläubiger wie Anleger und Banken in die Pflicht nehmen, die den Großteil der Forderungen gegenüber Entwicklungs- und Schwellenländern hielten.

"Ohne rasche Schuldenerlasse und die entschlossene Einbeziehung von privaten Gläubigern droht der wirtschaftliche Kollaps in verschuldeten Ländern des Globalen Südens", warnte Kristina Rehbein, politische Koordinatorin von Erlassjahr.de.

Der Schuldenreport 2022 enthält konkrete Empfehlungen an die Bundesregierung. So solle sie sich unter anderem im Rahmen der G7 für die rechtliche Absicherung von Umschuldungen einsetzen. Zudem solle sie die im Koalitionsvertrag verankerte Absicht zur Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens zeitnah angehen.

Schuldenmoratorium bis Ende 2021

Das Schuldenmoratorium war von den G20-Ländern zu Beginn der Corona-Pandemie beschlossen und bis Ende 2021 verlängert worden. Parallel zu dieser Initiative zur Aussetzung des Schuldendienstes (DSSI) hatten sie im November 2020 einen "gemeinsamen Rahmen" geschaffen, um die Schulden der Länder auf deren Antrag hin umzustrukturieren oder sogar zu erlassen. Bisher wird die Umsetzung jedoch von den privaten Gläubigern wie etwa Banken massiv gebremst.

Der Schuldenreport wird jährlich vom deutschen Entschuldungsbündnis Erlassjahr.de und dem Hilfswerk Misereor herausgegeben. Er untersucht jeweils die Verschuldungssituation von Ländern des globalen Südens sowie die Rolle Deutschlands als Gläubiger.

Quelle: ntv.de, ghö/AFP

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