Netanjahu-Pläne in Israel Zehntausende protestieren gegen Justizreform
15.01.2023, 18:16 Uhr
Trotz Regenwetter demonstrierten Zehntausende in Tel Aviv.
(Foto: picture alliance/dpa)
Israels neue Rechtsregierung möchte sich mit einer Justizreform unter anderem den Höchsten Gerichtshof des Landes unterordnen. Nicht nur die Vorsitzende des Gerichts sorgt sich angesichts dieser Pläne um die israelische Demokratie. In Tel Aviv gehen Zehntausende Menschen auf die Straße.
In Tel Aviv sind zehntausende Menschen gegen die neue israelische Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dessen geplante Justizreform auf die Straße gegangen. Staatspräsident Izchak Herzog äußerte sich äußerst besorgt über das "tiefgreifende Zerwürfnis, das unser Land auseinanderreißt". Er betonte, die Fundamente der israelischen Demokratie, einschließlich des Justizsystems, seien heilig und müssten streng bewacht werden. Er bemühe sich um einen konstruktiven Dialog beider Seiten, sagte Herzog.
Die Vorsitzende des Höchsten Gerichts in Israel, Esther Chajut, hatte zuvor in einer ungewöhnlich scharf formulierten Ansprache vor einem "tödlichen Schlag" gegen die Unabhängigkeit der Richter gewarnt. Nach den geplanten Reformen wäre die demokratische Identität des Landes vollkommen entstellt, sagte sie. Justizminister Jariv Levin warf Chajut daraufhin vor, sie stehe auf der Seite der Opposition.
Wie israelische Medien unter Berufung auf die Polizei berichteten, versammelten sich am Samstag trotz Regenwetter bis zu 80.000 Menschen auf dem zentralen Habima-Platz und hielten Schilder mit Aufschriften wie "Regierung der Schande" und "Stürzt den Diktator" hoch. Es war die größte Demonstration seit der Bildung der neuen Regierung Ende Dezember. Weitere Proteste gab es israelischen Medienberichten zufolge vor der Residenz des Ministerpräsidenten in Jerusalem und in der Stadt Haifa im Norden Israels.
Regierungsmehrheit soll Höchstes Gericht überstimmen können
Netanjahus Regierung plant weitreichende Reformen im Justizsystem. Eine einfache Mehrheit im Parlament soll demnach das Höchste Gericht überstimmen und ein Gesetz auch dann verabschieden können, wenn es laut höchstrichterlichem Urteil gegen das Grundgesetz verstößt. Justizminister Levin will außerdem die Zusammensetzung des Gremiums zur Ernennung von Richtern ändern. Er wirft dem Höchsten Gericht etwa eine übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor.
Netanjahu steht derzeit wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht, die er nach wie vor zurückweist. Zu den Protesten am Samstag hatte eine Anti-Korruptions-Organisation aufgerufen. Die Oppositionsparteien unterstützten den Aufruf. Der ehemalige Verteidigungsminister Benny Gantz forderte "alle Israelis, von rechts und links" auf, sich an der Protestkundgebung zu beteiligen und "für den Erhalt der israelischen Demokratie zu demonstrieren". Neben Gantz nahmen auch Ex-Außenministerin Zipi Livni und die Vorsitzende der Arbeiterpartei, Merav Michaeli, an der Demonstration teil.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/AFP