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Vergangenheit statt Zukunft Linke zerlegt sich selbst

Können den Laden nicht zusammenhalten: Gregor Gysi mit den glücklosen Parteichefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst.

Können den Laden nicht zusammenhalten: Gregor Gysi mit den glücklosen Parteichefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst.

(Foto: dpa)

Die Linke befindet sich in einem desolaten Zustand. Mauerbau und Fidel Castro sind derzeit die Streitthemen in der Partei. Substanzielles zu Problemen von Gegenwart und Zukunft ist derzeit von ihr nicht zu hören. Dabei stehen im Osten Deutschlands zwei wichtige Wahlen an.

Es macht derzeit mit Sicherheit keine Freude, als Geschäftsführer oder Geschäftsführerin eines Kreis- oder Landesverbandes der Partei Die Linke zu fungieren. Schon bevor der eigentliche Arbeitstag beginnt, wird die betreffende Person bei der Lektüre der Presse, darunter auch der parteinahen Zeitung "Neues Deutschland", einen Drang nach Hochprozentigem verspüren, um ihn einigermaßen durchzustehen. Besonders die örtlichen Parteifunktionäre in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin - dort stehen im September Landtags- beziehungsweise Abgeordnetenhauswahlen an - werden wegen der seit Wochen anhaltenden Streitigkeiten die Nase gestrichen voll haben. "Wie soll unter diesen Umständen eine politische Botschaft an den Mann oder die Frau gebracht werden?", ist die allzu berechtigte Frage.

Die Linke sorgt seit Wochen für Negativschlagzeilen. Ihre Partei streite sich derzeit , stöhnt die parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Dagmar Enkelmann. Harte Auseinandersetzungen zu Ereignissen, die mit derzeitigen politischen Problemen rein gar nichts zu tun haben, legen die Arbeit der Partei regelrecht lahm. In der Zeit der heißen Wahlkampfphase im Nordosten und in der Hauptstadt beherrschen die Themen und die Schlagzeilen. Und diesmal kommt die Unruhe nicht von den ohnehin schwierigen altbundesrepublikanischen Landesverbänden, sondern aus dem Osten, wo man sich bei den Linken bislang rühmte, Realpolitik im Interesse des Bürgers zu betreiben.

Doppelte Fehlbesetzung

Huldigungsschreiben an Fidel Castro.

Huldigungsschreiben an Fidel Castro.

(Foto: dpa)

Dabei wird immer deutlicher, dass die Doppelspitze auch eine doppelte Fehlbesetzung ist. Dass ihr kritikloses Geburtstags-Glückwunschschreiben an den kubanischen Revolutionsführer Castro den politischen Gegner erzürnt, ist nicht erstaunlich. Aber auch in der Partei gehen viele Mitglieder auf die Barrikaden - und das mit Recht. Da helfen auch alle Beteuerungen nicht, dass das Schreiben an Castro nicht über den Tisch der Parteichefs gegangenen sei. Schlimm ist dabei, dass Lötzsch einmal mehr Beratungsresistenz zeigt. Schöner und besser könne man immer alles formulieren, sagte sie lapidar. Und danach rief Lötzsch die Linke zur Geschlossenheit auf, als hätten nicht sie und ihr bayerischer Co-Mitstreiter diesen Fauxpas begangen.

Noch schädlicher war die Debatte um den Bau der Berliner Mauer, die durch den von allen guten Geistern verlassenen mecklenburg-vorpommerschen Landesverband angestoßen wurde. Jahrelange Arbeit in den Parlamenten und vor Ort im Osten wurden in kurzer Zeit zunichte gemacht, als einige Ewiggestrige - unter ihnen die ehemalige Schweriner Sozialministerin Marianne Linke - den Mauerbau als ein Ergebnis des Zweiten Weltkrieges darstellten und dazu noch den Opfern den Respekt verweigerten. Eine halbe Wahrheit ist mitunter schlimmer als eine Lüge. Mit keinem Wort wurde erwähnt, dass viele Menschen Ost-Berlin und die DDR verließen, weil sie im real-existierenden Sozialismus keine Perspektive mehr sahen. Das politische System der Diktatur des Proletariats beinhaltete schlichtweg Unfreiheit, die Tausende nicht hinnehmen wollten.

Die Hobby-Theoretiker ignorieren, dass es eine Fluchtbewegung von Ost nach West und nicht umgekehrt gab. Den Mauerbau an den Kriegsergebnissen von 1945 festzumachen, ist zudem - historisch gesehen - auch zu kurz gesprungen. Niemand macht zum Beispiel die lange währende deutsch-französische Erbfeindschaft mit mehreren Kriegen an der Teilung des Frankenreiches anno 843 fest, als die Söhne Ludwigs des Frommen, Karl der Kahle, Lothar I. und Ludwig der Deutsche, im Vertrag von Verdun ihre Gebiete zugesprochen bekamen.

"Ideologie-Ajatollahs"

Lothar Bisky beklagt ein Übermaß an Ideologie in seiner Partei.

Lothar Bisky beklagt ein Übermaß an Ideologie in seiner Partei.

(Foto: picture alliance / dpa)

Es wird einmal mehr deutlich: Viele Mitglieder und Funktionäre der Linkspartei sind auch mehr als 20 Jahre nach dem Ableben der DDR nicht im parlamentarisch-demokratischen System der Bundesrepublik angekommen. Dabei hätte die Linke als Oppositionspartei genug zu tun. Aber was kommt derzeit von ihr? In Europa tobt die Schuldenkrise und der Euro ist in ernsthafter Bedrängnis. Substanzielle Linken-Beiträge zu diesem Thema hört man nicht. Deutschland steht vor der Energiewende. Aus den Reihen der Linken kam lediglich die populistische Forderung des sofortigen Ausstiegs aus der Atomenergie, ohne dies mit brauchbaren Fakten zu untermauern. In der Afghanistan-Frage fällt den Verantwortlichen im Karl-Liebknecht-Haus nichts anderes ein, als den schnellen Abzug zu verlangen - ohne Rücksicht auf die militärische Lage im betroffenen Land und die vertraglich geregelten Verpflichtungen Deutschlands. Dieser rigorose Pazifismus verwundert umso mehr, weil viele ältere Linke-Mitglieder bei den Militärparaden zum DDR-Geburtstag am 7. Oktober glänzende Augen bekamen.

Es gebe zu viele "Ideologie-Ajatollahs" in seiner Partei, klagte der ehemalige Bundesvorsitzende unlängst. Der nunmehr 70-Jährige wird seiner Partei - wie nach dem Bundestagswahldesaster 2002 - nicht noch einmal aus der Patsche helfen.

Die Linke befindet sich auf dem Weg runter an die Fünf-Prozent-Hürde. Es ist nicht mehr unwahrscheinlich, dass nach der nächsten Bundestagswahl wieder nur die Berliner Direktkandidaten Gesine Lötzsch und Petra Pau in der äußersten Parlamentsecke Platz nehmen müssen. Die SPD braucht hinsichtlich der Linken derzeit nicht viel tun. Diese zerlegen sich selbst.

Quelle: ntv.de

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