Fußball

"Fußballerisch ist das nicht so" BVB besiegt Wolfsburg, aber nicht die Zweifel

Zu seinem Geburtstag bekam Lucien Favre einen klaren BVB-Heimsieg geschenkt. Ein Fußballfest bekam er nicht.

Zu seinem Geburtstag bekam Lucien Favre einen klaren BVB-Heimsieg geschenkt. Ein Fußballfest bekam er nicht.

(Foto: imago images/Jan Huebner)

Drei Tore, drei Punkte: Die Bilanz von Borussia Dortmund im Heimspiel gegen zuvor ungeschlagene Wolfsburger ist erfreulich. Doch Euphorie kommt trotz des Sprungs auf Platz zwei nicht auf. Spielerisch klemmt viel - weil der teure Kader einen Konstruktionsfehler aufweist.

Als Lautsprecher ist Lucien Favre noch nicht auffällig geworden, seit er seinen Job auf der Trainerbank von Borussia Dortmund angetreten hat. Der Schweizer übt sich in Zurückhaltung, die große Bühne ist nicht sein Terrain. Das war auch am Tag seines 62. Geburtstags so, viel Aufhebens mochte Favre um seinen Jubeltag nicht machen. Bescheidenheit ist für den Mann aus dem Jura eine Zier, eine Attitüde, die Favre im Ruhrpott nicht immer zu seinen Gunsten ausgelegt wird.

BVB - Wolfsburg 3:0 (0:0)

Tore: 1:0 Hazard (52.), 2:0 Guerreiro (58.), 3:0 Mario Götze (88./HE)

Dortmund: Hitz - Piszczek, Akanji, Hummels,  Guerreiro - Weigl, Dahoud (70. Witsel) - Hakimi, Reus (28. Mario  Götze), Hazard - Brandt (89. Alcacer). - Trainer: Favre
Wolfsburg: Pervan - Tisserand (79. Brekalo), Bruma, Brooks -  William, Guilavogui, Arnold, Roussillon (89. Steffen) - Joao Victor,  Weghorst, Nmecha (66. Klaus). - Trainer: Glasner

Referee: Welz (ab 30. Thomsen)
Zuschauer: 80.200

Am Abend nach dem Pflichtspiel gegen den VfL Wolfsburg wird Favre angestoßen haben. Auf ein neues Lebensjahr, aber auch auf drei wertvolle Punkte, die seinen Arbeitgeber in der Tabelle auf Rang zwei hieven. Allerdings liest sich das Ergebnis von 3:0 (0:0) nach den Toren von Thorgan Hazard, Raphael Guerreiro und den Elfmetertreffer des eingewechselten Mario Götze wesentlich klarer, als es die wahren Kräfteverhältnisse waren. "Fußballerisch ist das nicht so, wie wir uns das vorstellen", räumte der frühere Kapitän und heutige Leiter der Lizenzspielerabteilung Sebastian Kehl ein. Um dann hinzuzufügen: "Aber das ist Lamentieren auf hohem Niveau."

Kaum Struktur, kaum Torgefahr

De facto taten sich die Gastgeber vor 80.200 Besuchern im Dortmunder Stadion bis zum Führungstreffer enorm schwer, Struktur und Torgefahr zu generieren. Mitte der ersten Hälfte hätten die zaudernden Profis in schwarz-gelb sogar in Rückstand geraten können, hatten jedoch Glück, dass der Lupfer von Wolfsburgs Lukas Nmeda von der Latte zurückprallte und nicht im Netz landete. Bemerkenswert war zudem, dass nach einer knappen halben Stunde nicht nur Dortmunds Kapitän Marco Reus nach einem Zweikampf angeschlagen raus musste, sondern auch noch Schiedsrichter Tobias Welz mit einer Wadenverletzung. Für den Referee sprang sein Assistent Martin Thomsen ein, der die Begegnung bis zum Ende leitete.

Erst nach dem 1:0 durch Thorgan Hazard stieg der Spaßfaktor bei BVB-Profis und Fans.

Erst nach dem 1:0 durch Thorgan Hazard stieg der Spaßfaktor bei BVB-Profis und Fans.

(Foto: dpa)

Auf dem Rasen kombinierte die Borussia zwar ganz gefällig, doch wenn es darum ging, das Schicksal im gegnerischen Strafraum mit Wucht und Entschlossenheit zu erzwingen, kam reichlich wenig. Die offensichtliche Harmlosigkeit legte sich erst, als mit dem 1:0 die nötige Leichtigkeit in die Dortmunder Aktionen kam. "In der ersten Halbzeit war es zäh, und wir mussten geduldig sein", sagte Mittelfeldspieler Julian Weigl: "Nach der Führung war wieder mehr Spaß drin." Favre betonte, der Sieg sei "klar verdient, wir hatten in der zweiten Halbzeit viele Chancen, das war schön zu sehen. Wir haben uns dann gut bewegt zwischen den Linien."

Viel Qualität, zu wenig Schlagkraft

Der BVB entschied das Spiel ohne nominellen Mittelstürmer. Doch wie ungemein wichtig ein Spieler wie Paco Alcácer für die Statik des Dortmunder Spiels ist, wurde allen Borussen in den vergangenen Wochen schmerzhaft vor Augen geführt. Null Tore in Mailand, null beim Revierderby auf Schalke und auch im Pokalspiel gegen Mönchengladbach 80 Minuten totale Harmlosigkeit.

Dabei wurde mehr als deutlich, dass die offensive Durchschlagskraft fehlt, die der Qualität des Dortmunder Kaders entspricht. Hochkarätige Fachkräfte wie Marco Reus, Jadon Sancho, Julian Brandt, Thorgan Hazard, Mario Götze und Achraf Hakimi agieren lieber hinter den Spitzen oder ziehen von der Außenbahn nach innen. Ihre Stärken kommen nur dann richtig zum Tragen, wenn in der vordersten Linie ein Kollege Räume schafft, in die sie hineinstoßen können.

Alcácer unersetzlich in BVB-Statik

Diese Präsenz in der Spitze garantiert bei der Borussia nur Alcácer, der hinter Bayernstar Robert Lewandowski unter den Mittelstürmern die zweitbeste Fachkraft der Bundesliga ist. Er ist eine richtige Neun, während sich all die in der modernen Fußballsprache als "falsche Neun" deklarierten Offensivkräfte viel lieber in den Räumen hinter der Spitze aufhalten. Gerade einmal fünf Schüsse auf das gegnerische Tor bei den Gastauftritten in Mailand und Gelsenkirchen, das ist viel zu wenig für einen Verein mit den Ansprüchen von Borussia Dortmund. Die drei Treffer gegen Wolfsburg konnten das Manko der fehlenden Präsenz im Strafraum nicht vollständig verdecken.

Lucien Favre und die Dortmunder Planer müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, zwar mehr als 100 Millionen Euro in ihren Luxuskader investiert zu haben, es dabei jedoch vor der Saison versäumt zu haben, einen Backup für Alcácer zu verpflichten. Dabei ist doch hinlänglich bekannt, wie verletzungsanfällig der 26-Jährige ist. Zuletzt verpasste er aufgrund einer Achillessehnenreizung fünf Partien, nun kam er gegen Wolfsburg kurz vor dem Abpfiff in die Partie.

Zumindest für den Moment schloss Kehl im "ZDF-Sportstudio" aus, dass sein Arbeitgeber im Verlaufe der Saison das Versäumte mit einer späten Verpflichtung nachholen werde. Auch wenn die fußballerischen Darbietungen zu wünschen übrig lassen, ist der Ist-Zustand ja gar nicht so schlecht. Für das börsenorientierte Fußballunternehmen Borussia Dortmund bedeutete die Rückkehr Alcácers neben den drei Punkten und dem Geburtstag des Trainers an diesem Herbstnachmittag die dritte gute Nachricht. Auch wenn es im Spiel des BVB weiterhin in vielen Phasen knirscht, sieht Sportdirektor Michael Zorc die Mannschaft im Soll: "Wir schauen positiv in die Zukunft. Das Glas bei uns ist halb voll." Apropos: Darüber, wie er in intensiven Wochen den Abend verbringen werde, konnte Lucien Favre ziemlich genau Auskunft geben: "Ein Glas Rotwein und dann volle Konzentration auf Inter Mailand."

Quelle: ntv.de

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