Alle Saisonziele akut gefährdet BVB trennt sich nach bitterer Pleitenserie von Trainer Sahin
22.01.2025, 08:51 Uhr
Nuri Sahin muss den BVB verlassen.
(Foto: IMAGO/Italy Photo Press)
Borussia Dortmund trennt sich von Trainer Nuri Sahin. Nach ntv.de-Informationen hat Sportdirektor Kehl die Mannschaft in der Nacht nach dem 1:2 in der Champions League bei Bologna über den Abgang informiert. Sahin hatte den BVB erst zu Saisonbeginn übernommen.
Keine sechs Monate nach dem ersten großen öffentlichen Auftritt von Nuri Sahin als Cheftrainer von Borussia Dortmund bei der Saisoneröffnung am 10. August 2024 ist die Zeit des 36-jährigen Sauerländers an der Seitenlinie schon wieder vorbei. Nach ntv.de-Informationen hat der BVB die Trennung bereits in der Nacht vollzogen und nicht, wie ursprünglich erwartet, erst am heutigen Mittwoch. Inzwischen bestätigte der in der Bundesliga auf Platz zehn abgestürzte, im Pokal ausgeschiedene und in der Königsklasse nur auf die Play-offs zusteuernde Klub das Aus des Trainers.
"Wir schätzen Nuri Sahin und seine Arbeit sehr, haben uns eine lange Zusammenarbeit gewünscht und hatten bis zuletzt die Hoffnung, dass wir gemeinsam die sportliche Wende schaffen", sagt der Geschäftsführer Sport, Lars Ricken, laut Mitteilung. Es kam anders: "Nach vier Niederlagen in Serie, bedingt durch lediglich einen Sieg aus den vergangenen neun Spielen und als aktueller Tabellenzehnter der Bundesliga haben wir aber leider den Glauben daran verloren, in der gegenwärtigen Konstellation noch unsere sportlichen Ziele erreichen zu können. Diese Entscheidung tut mir auch persönlich weh, aber sie war nach dem Spiel in Bologna nicht mehr vermeidbar."
Nuri Sahin wünscht "diesem besonderen Verein alles Gute": "Leider haben wir es nicht geschafft, den sportlichen Ambitionen von Borussia Dortmund in dieser Saison zum jetzigen Zeitpunkt gerecht zu werden."
Trennung noch vor dem Rückflug
Der wankende Ruhrgebiets-Riese wird durch den Trainerwechsel keine Blitzheilung erfahren, doch er ist zwangsläufig. Die Probleme in Dortmund sind gravierender und vielfach analysiert. "Wenn ich das Problem bin oder wenn ein Trainerwechsel all die Nebenkriegsschauplätze löst, dann ist das überhaupt kein Problem", erklärte der da Noch-Trainer Sahin nach der neuerlichen Bankrott-Erklärung des BVB beim 1:2 (1:0) in der Königsklasse beim italienischen Erstligisten Bologna. Der Tross der Dortmunder wird nun am heutigen Mittwoch ins Ruhrgebiet zurückfliegen und in den nächsten Tagen oder schon Stunden einen neuen Trainer präsentieren müssen.
"Es geht darum, dass dieser Verein endlich wieder zur Ruhe findet, dass dieser Verein wieder erfolgreich wird", hatte Sahin gesagt und damit auch Zweifel gestreut, dass der Verein schnell gesunden wird: "Es geht nicht um meine Person. Ich bin verantwortlich, natürlich weiß ich, wie das Geschäft läuft. Aber für mich ist nur wichtig, dass Borussia Dortmund wieder erfolgreich wird." Das ist er momentan nicht.
Seit Tagen: Mediales Dauerfeuer
Borussia Dortmund, Beinahe-Meister 2022/2023 und Finalist der Champions League in der Saison 2023/2024, befindet sich in einer monumentalen Krise. Jahre verfehlter Personalpolitik auf allen Ebenen stellen den Klub auf die Probe. Die hohen Personalkosten des Klubs, die im vergangenen Jahr für den Gesamtkonzern mit 256 Millionen ausgewiesen wurden, spiegeln sich kaum noch auf dem Platz wider.
In der Führungsetage steht mit dem Abgang des Vorstandsvorsitzenden Hans-Joachim Watzke eine Zeitenwende an. Der gerade erst mit einem neuen Vertrag ausgestattete Sportdirektor Sebastian Kehl wird intern angezweifelt, während ihm extern seit Tagen in einem medialen Dauerfeuer seine Verfehlungen vorgehalten werden. Die Transferpolitik des BVB darf gesichert als vorläufig gescheitert betrachtet werden. Genau diese aber hatte im vergangenen Jahrzehnt immer wieder Werte geschaffen und mit Rekordtransfers wie denen von Ousmane Dembélé zu Barcelona oder Jude Bellingham zu Real Madrid für eine Stabilisierung der Finanzen auf dem Drahtseil Königsklasse gesorgt.
All das steht jetzt mit dem drohenden Verpassen der Champions League auf dem Prüfstand. Die Geduld des Klubs ist endlich. Es geht nur noch darum, sauber aus der Sache zu kommen. "Sie werden jetzt nicht von mir in Italien aus der Emotion heraus und aus der Hüfte eine Entscheidung mitgeteilt bekommen", erklärte der erst im vergangenen Frühling installierte BVB-Geschäftsführer Lars Ricken, nachdem er, von den TV-Kameras gut dokumentiert, mit gesenktem Kopf zum Interview geschritten war.
Matthias Sammer löst Erdbeben aus
Ricken hatte Sahin im Vorfeld auch öffentlich klargemacht, dass in Bologna endlich etwas passieren müsse. Doch auch der konsequente, aber auch verzweifelt wirkende Verzicht auf die vermeintlichen Führungsspieler des Kaders, Emre Can und Julian Brandt, hatte dem BVB die Nichtleistung nicht erspart. Das Endspiel war verloren. "Ich habe ein sehr vertrauensvolles und gutes Verhältnis zu Nuri, und er bekommt auch immer meine Rückendeckung. Aber meine Aussagen stehen natürlich", sagte Ricken nun. "Wir wollen alle nur das Beste für Borussia Dortmund." Das, so stellte sich heraus, ist eine Zukunft ohne Cheftrainer Sahin.
Lange hatten die Dortmunder in Bologna dabei mit allerlei Glück die frühe Führung nach 15. Minuten durch einen glücklichen, von Serhou Guirassy ausgeführten Elfmeter verteidigt. Doch nur 21 Sekunden nach dem auf das 1:1 durch Thijs Dallinga (71.) führten die nächsten Klamaukfehler im BVB-Spiel zum 1:2 durch Samuel Illing-Junior. Der vom VfB Stuttgart in den Ruhrpott gewechselte Waldemar Anton hatte entscheidend gepatzt, der Rest der Abwehr hatte den Italienern auch nichts entgegenzusetzen.
Wie auch, denn der BVB lag über die Dauer der 90 Minuten in Bologna am Boden und wurde nach der vierten Niederlage im vierten Spiel des Jahres 2025 von Matthias Sammer ganz tief hineingestampft. "Diese Mannschaft ist körperlich und geistig in einer Nichtverfassung", sagte Sammer, der Berater von BVB-Boss Aki Watzke und TV-Experte auf Prime zugleich ist. "Sie kann leider nicht verteidigen, und angreifen kann sie auch nicht." Damit hatte er recht.
Nachfolger noch unbekannt
Das gesamte Spiel über hatte es der BVB noch einmal mit Terzic-Ball probiert. Die Ausrichtung erinnerte an den Heldenfußball des ehemaligen Trainers Edin Terzić, der oft mit langen Bällen die Stars in den Offensivreihen suchen ließ. Doch in Abwesenheit von Form und wohl auch Stars blieb der BVB nach dem frühen Tor ideen- und chancenlos.
Die Statistiken sprachen eine vernichtende Sprache. Dortmund hatte weniger Pässe gespielt, dabei gerade einmal 74 Prozent an den Mann gebracht. Sie waren im gesamten Spiel auf nur drei Torschüsse gekommen, keine der sechs Flanken in den Strafraum hatte ihr Ziel erreicht und die Partie hatten sie natürlich auch noch verloren. Jetzt werden sie auch den Trainer verlieren.
Wer auf Sahin folgen wird, ist noch völlig unklar. Mit Erik ten Hag, Christian Streich, Roger Schmidt, Joachim Löw oder auch dem U19-Trainer der Dortmunder, Mike Tullberg, ist die öffentlich diskutierte Liste bereits sehr lang. Zu welchem Entschluss die Trainerfindungskommission des BVB kommt und ob dieser Auserwählte es dann überhaupt werden wird, ist so unklar wie die Zukunft des Ruhrpott-Giganten. "Trust the process", vertraut der Entwicklung, hatte Sahin bei der Saisoneröffnung 2024/2025 im August gesagt und um Zeit gebeten. Diese ist nun wohl abgelaufen. Die Probleme dürften bleiben.
Quelle: ntv.de