Begeisterung nach Hütter-Frust Borussia setzt auf den "perfekten" Coach
09.07.2022, 07:09 Uhr
Daniel Farke löst bei Borussia Mönchengladbach Begeisterung aus.
(Foto: picture alliance / Fotostand)
Borussia Mönchengladbach will nach einer Saison der Missverständnisse unter Adi Hütter mit einem frischen Trainer wieder angreifen. Der 45-jährige Westfale Daniel Farke steht für Ballbesitzfußball und soll rund um den Borussia-Park wieder Euphorie wecken.
Christoph Kramer ist begeistert. Nach einer frustrierenden Saison bei und mit Borussia Mönchengladbach soll nun alles besser werden für die "Elf vom Niederrhein." Auslöser der neuen, nunja, Euphorie: Daniel Farke. "Der Trainer ist gut. Ich merke es in den Trainingseinheiten, an seinen Ansprachen, wie er uns mitnimmt. Was er für einen Fußball spielen lassen will", so drückte Kramer seine ersten Eindrücke vom neuen Übungsleiter aus. Die Rückkehr zum Ballbesitz-Fußball tue dem Team gut. Das ist die einhellige Meinung in Gladbach und gleichzeitig ein Seitenhieb gegen den krachend gescheiterten Vorgänger Adi Hütter.
Doch Platz zehn und die schwächste Saison seit elf Jahren sind Vergangenheit. Mit Farke und Sportdirektor Roland Virkus, der sein Amt Mitte Februar als Nachfolger von Max Eberl angetreten hat, soll neue Energie freigesetzt werden. "Es war wichtig, den Reset-Kopf zu drücken", bilanzierte Führungsspieler Kramer nach nur wenigen Tagen im Trainingslager. Farke, einst für den BVB-Nachwuchs verantwortlich, war zuletzt für lediglich zwei Monate beim russischen Erstligisten FK Krasnodar tätig, löste seinen Vertrag allerdings nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine - ohne ein einziges Pflichtspiel als Trainer - auf.
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Seine über vierjährige Amtszeit bei Norwich City (2017-2021) wird nicht nur Farke in ewiger Erinnerung behalten. Die Fans setzten ihm mit einem Wandbild, das sein Konterfei zeigt, an einem Haus in Norwich ein Denkmal. Sein Spielstil mit viel Ballbesitz und hohem Pressing wurde von den Fans der Canaries "Farkeball" getauft. Von diesem Stil möchte er auch in Gladbach nicht abrücken: "Borussia Mönchengladbach hat immer dafür gestanden, mit Ballbesitz zu spielen. Kreativ, mit Kombinationsfußball. Ich finde mich da sehr wieder. Ich habe ein sehr gutes Gefühl, dass es passt", sagte Farke bei seiner ersten Pressekonferenz im Borussia-Park.
Schwache Premierensaison mit Norwich
Doch was waren die Schlüsselelemente in Farkes Ära bei Norwich? Er gab der Mannschaft eine neue Identität und setzte seine Idee vom 4-2-3-1-System mit einem intensiven, hohen Pressing konsequent um - und das, obwohl seine Premierensaison auf Platz 14 der zweiten englischen Liga endete. Farkes Stil war geprägt von zwei offensiv ausgerichteten Außenverteidigern, die für die nötige Breite sorgten, damit die drei offensiv ausgerichteten Mittelfeldspieler nach innen stoßen konnten. 2018/19 war Norwich eines der Teams mit dem höchsten Ballbesitz und stieg in die Premier League auf. Trotz des sofortigen Abstiegs schwärmte sogar Manchester Citys Starcoach Pep Guardiola vom Ballbesitzfußball der Canaries.
Farke schaffte 2021 den Wiederaufstieg in Englands höchste Spielklasse, doch seine Amtszeit endete Anfang November nach über 200 Pflichtspielen an der Seitenlinie von Norwich City. Die Transferpolitik des Klubs - Schlüsselspieler des "Farkeball-Systems" wurden abgegeben - passte nicht mehr zum Fußball, den Farke über Jahre etabliert hatte. Nicht passend war auch die Zusammenarbeit zwischen Gladbach und Hütter. Bereits unter dem Österreicher sollte die Borussia zum ballbesitzorientierten Spiel zurückkehren - ein Trugschluss. Wie Hütter gerade erst bei "Servus TV "befand: "Dann müsst ihr auch einen Ballbesitz-Trainer holen."
"Wir brauchen einen guten Transfersommer"
Daniel Farke könnte nun vor demselben Dilemma stehen. "Wir brauchen einen guten Transfersommer. Keine Frage", so seine Worte bei der Antrittsrede. Besagter Sommer ist zwar noch lang, doch bis dato hat sich in puncto Personalien nicht viel getan: Außer Matthias Ginter gab Gladbach zwar kaum einen Spieler ab, doch auf der Einkaufsliste stehen erst zwei Namen: Der defensive Mittelfeldspieler Ko Itakura, der als Leihspieler von Manchester City in der Vorsaison bei Schalke 04 in der Innenverteidigung zu überzeugen wusste. Und der 18-jährige zentrale Mittelfeldspieler Oscar Fraulo vom FC Midtjylland, der aber als Perspektivmann gelten dürfte. Allerdings drohen auch noch ein paar namhafte Abgänge, unter anderem die Stürmer Breel Embolo, Marcus Thuram und Alassane Plea. Auch um Torhüter Yann Sommer gibt es Gerüchte. Der Schweizer wäre ein wohl kaum zu verschmerzender Verlust.
Über seine Ziele möchte Farke nicht zu viele Worte verlieren. Bloß keine zu großen Erwartungen schüren. Der erste Schritt dürfte sein, dass alle in Gladbach wieder an einem Strang ziehen. Mut, Empathie und Loyalität sind wichtige Attribute für den Trainer. Wenn dann noch der eine oder andere Neuzugang für Farkes Spielidee präsentiert wird, dürfte eine neue Basis am Borussia Park gelegt werden. Eine der wichtigsten Aufgaben: Der gebürtige Westfale muss wieder eine gesunde Balance zwischen Offensive und Defensive herstellen: 61 Gegentreffer in der Vorsaison waren der dritthöchste Wert ligaweit und für die Fohlen eine Flut an Gegentoren wie seit der Saison 2010/11 nicht mehr. Ob mit Ballbesitzfußball oder nicht - die Fohlen wollen wieder attraktiven und erfolgreichen Fußball spielen. Ein erster Stimmungsumschwung ist Farke bereits geglückt.
Quelle: ntv.de