"Es ist unglaublich schwer" Der BVB ringt um Weg in die Normalität
14.04.2017, 14:06 Uhr
Tief getroffen: BVB-Trainer Thomas Tuchel.
(Foto: REUTERS)
Nach dem "schlimmsten Tag ihres Lebens" beginnt bei Borussia Dortmund die Traumabewältigung. Ein Psychologe soll den Spielern helfen. Konfliktpotenzial birgt weiter die Frage, welche Rolle die BVB-Bosse bei der stark kritisierten Uefa-Neuansetzung spielten.
Die Profis von Borussia Dortmund verarbeiten immer noch den "schlimmsten Tag ihres Lebens", doch Schritt für Schritt wollen sie in die Normalität zurückkehren. Der Verein hat seinen Spielern dafür professionelle Hilfe durch Psychologen angeboten. Thomas Tuchel geht allerdings von einer längeren Verarbeitungsphase des schockierenden Sprengstoffanschlags auf den Mannschaftsbus aus.
"Wir müssen einen Weg finden, damit klarzukommen. Wir wissen aber noch nicht, wie das passieren wird. Es ist unglaublich schwer, darüber zu sprechen. Wir können das nur untereinander teilen und verstehen", sagte der BVB-Coach vor dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt am Samstag (15.30 Uhr). "Jeder hat es komplett unterschiedlich wahrgenommen. Es gibt Spieler, die die Explosion gesehen haben. Daher gibt es sehr viele unterschiedliche Eindrücke und sehr viele unterschiedliche Wege der Verarbeitung." Man müsse aber einen Weg finden, um in die Normalität zurückzukehren, so Tuchel.
Wie schwierig das wird, offenbarte der schwer verletzte BVB-Profi Marc Bartra auf Instagram. Dort beschrieb er, was bei dem Bombenanschlag auf den BVB-Bus in ihm vorgegangen war: "Die Schmerzen, die Panik und die Ungewissheit, nicht zu wissen, was vor sich ging oder wie lange es dauern würde - das waren die längsten und härtesten Minuten meines Lebens." Seinen Mitspielern war es ähnlich gegangen.
BVB-Trainer Tuchel war daher darum bemüht, den Fokus auf das Sportliche zu lenken. Er arbeitete die 2:3-Niederlage im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen AS Monaco am Donnerstag mit seinen Spielern anhand der statistischen Daten auf und bereitet sie seit Freitagnachmittag auf das Spiel gegen die Hessen vor. Dabei wird Nationalspieler Marco Reus nach überstandenem Muskelfaserriss im Oberschenkel sein Comeback nach sechswöchiger Verletzungspause in der Startelf geben.
Beste Sportler wenn sorgenfrei
"Wir müssen versuchen, mit der Zeit einen Umgang damit zu finden, der es uns erlaubt, wieder mit Spaß an die Sache heranzugehen. Wir wollen am Samstag auf dem bestmöglichen sportlichen Level spielen", sagte Tuchel. Er weiß aber um die Schwierigkeit dieser Aufgabe. "Du bist der beste Sportler, wenn du dir keine Sorgen machst", sagte der 43-Jährige. Frei von Sorgen sind die BVB-Profis noch lange nicht.
Dies wurde nach dem Königsklassen-Spiel gegen Monaco keine 24 Stunden nach dem Attentat auf den Teambus mit drei Explosionen deutlich. Ihr "Therapiezentrum" Signal-Iduna-Park verließen die Spieler mit einer Mischung aus Wut, Enttäuschung und Unverständnis. Niemand konnte verstehen, warum sie nach so kurzer Zeit wieder auf die große Fußball-Bühne geschickt wurden.
"Wir sind keine Tiere, wir sind Menschen, die Familie und Kinder zu Hause haben. Ich fühle mich wie ein Tier, nicht wie ein Mensch. Es war der schlimmste Tag in meinem Leben", sagte Abwehrchef Sokratis. Seine sichtlich mitgenommenen Mitspieler teilten diese Einschätzung. "Dass man mit Fußball ein Zeichen setzen soll, ist weit entfernt von meinem Verständnis", erklärte Nuri Sahin, während Weltmeister Matthias Ginter betonte, dass "von unserer Seite aus niemand spielen wollte".
Gibt es Konfliktpotenzial im Verein?
Längst ist eine Diskussion darüber entbrannt, warum das Spiel bereits am Mittwochabend wieder angesetzt wurde. Tuchel kritisierte die Europäische Fußball-Union (Uefa) scharf, diese wies in einer Erklärung darauf hin, dass die Entscheidung "gemeinsam mit allen Beteiligten gefallen" sei. Sie hätte zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Anzeichen bekommen, dass nicht gespielt werden sollte. Tuchel konnte das nicht beruhigen, er beharrte darauf: "Wir waren in die Entscheidung überhaupt nicht eingebunden."
Allerdings: Die BVB-Verantwortlichen waren unmittelbar nach dem Attentat am Dienstagabend durchaus eingebunden. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bezeichnete die Entscheidung am Dienstagabend als "alternativlos" und überhöhte sie später moralisch. Bei Sky erklärte Watzke: "Ich bin der Mannschaft unheimlich dankbar, dass sie sich zur Verfügung gestellt hat. Unsere Demokratie steht auf dem Prüfstand." Präsident Reinhard Rauball hatte direkt am Dienstag lapidar erklärt: "Das sind Profis, da bin ich der Auffassung, dass sie das wegstecken können."
Gibt es also möglicherweise Konfliktpotenzial zwischen Tuchel und den BVB-Bossen ob mangelnder Abstimmung zwischen den Beteiligten zum neuen Spieltermin? Diese brisante Frage wurde am Donnerstag bei der Pressekonferenz vor dem Frankfurt-Spiel nicht angesprochen. Dafür beschrieb Tuchel seine persönlichen Gefühle eindrücklich: "Heute ist mein schlimmster Tag. So fühlt sich das an." Im Spiel gegen Frankfurt wollen Tuchel und seine Spieler die dramatischen Vorgänge "wegdrücken". Oder es zumindest versuchen.
Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa