Mehr Frust als Lust Dieses Revierderby lässt das "Herz bluten"
15.05.2020, 15:22 Uhr
Schalke gegen Dortmund, das ist das bedeutendste Derby Deutschlands. Kein Nachbarschaftsduell hat mehr historische Bundesligamomente hervorgebracht als der Ruhrpott-Klassiker. Auch diesmal wird es besonders. Lust darauf hat aber niemand.
Vor dem frustrierendsten aller Revierderbys leidet auch der Rekordsieger. "Mir blutet das Herz", sagte Borussia Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc, Schalke-Trainer David Wagner fühlt sich gar wie vor einem Testspiel. In 177 Auflagen des Ruhrpott-Klassikers hat es vom Hundebiss ins Hinterteil über das Torhüter-Kopfballtor bis zum 4:4 nach 4:0 fast jedes denkbare Drama gegeben - aber kein Geisterderby unter Laborbedingungen. "
Es wird das ungewöhnlichste Derby der Geschichte", sagte BVB-Lizenzspielerchef Sebastian Kehl vor dem kurios-bitteren Treffen der Erzrivalen im verwaisten Signal-Iduna-Park am Samstag (15.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf ntv.de). "Dieses Spiel lebt von den Fans, ihren Emotionen, von der Begeisterung im Stadion. Das alles werden wir nicht erleben." Zorc hat für den BVB als Spieler zehn Derbys gewonnen, kein anderer siegte im ewig jungen Duell zwischen Schwarz-Gelb und Blau-Weiß häufiger. Die innere Hitze und Aggression ergibt sich für ihn üblicherweise aus der Brisanz im brodelnden Hexenkessel: "Wir brauchen diesmal ohne die Fans, ohne die Südtribüne ein höheres Maß an Eigendynamik und Eigenmotivation."
Das Spiel wird wohl im Kopf entschieden - und die Schalker wittern ihre große Chance. Im März, da wären sie angesichts von sieben Spielen in Serie ohne Sieg klarer Außenseiter gewesen. Aber so? "Die Dortmunder sind genauso im Nebel wie wir", sagte Wagner, der gegen das Gefühl der "Vorbereitung auf das erste Testspiel der Saison" zu kämpfen hat. Keiner weiß, wo er steht, alles scheint möglich. Ohnehin hat Schalke nur eines der vergangenen acht Ligaderbys verloren.
Dem BVB wäre das Duell vor der zweimonatigen Corona-Zwangspause mit Sicherheit lieber gewesen. Mit sieben Siegen in acht Rückrundenspielen hatte die Mannschaft von Trainer Lucien Favre einen schönen Lauf. Kapitän Marco Reus (Adduktorenverletzung) wäre zwar auch vor zwei Monaten ausgefallen, doch nun muss Favre im defensiven Mittelfeld Emre Can und Axel Witsel (beide muskuläre Probleme) sowie Innenverteidiger Dan-Axel Zagadou (Knieverletzung) ersetzen. "Wir müssen alles respektieren", sagte der Schweizer, der von "einer großen Herausforderung für alle Trainer und alle Mannschaften" spricht.
"Nicht der Moment, um über die Meisterschaft zu reden"
Vier Punkte beträgt der Rückstand des BVB auf Spitzenreiter Bayern München, ein erneuter Ausrutscher gegen Schalke (wie im Vorjahr beim 2:4 am 27. April) könnte bereits das Ende aller Titelträume bedeuten. Für Zorc allerdings ist angesichts der diffusen Lage "jetzt nicht der Moment, um über die Meisterschaft zu reden". Einig sind sich die Protagonisten darüber, dass wohl kein Zuckerfußball höchster Güteklasse zu erwarten ist. "In der Regel sieht das erste Spiel nach einer längeren Pause in der Vorbereitung nicht so prickelnd aus", sagte Wagner.
In Abwesenheit von Omar Mascarell und Benjamin Stambouli könnte Daniel Caligiuri die Schalker als Kapitän aufs Feld führen. "Alle sind heiß auf das Derby. Wir müssen versuchen, uns selbst zu pushen", versicherte Caligiuri und forderte, der Kopf müsse "richtig eingestellt sein". Ozan Kabak wird ebenfalls fehlen.
Fehlen sollen diesmal unbedingt auch die Fans - selbst vor dem Stadion. Sie sollten sich hüten, sich zu versammeln, ansonsten "können sie oder andere vielleicht nie wieder ein Derby gucken", sagte Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau: "Wir wollen dafür sorgen, dass die Null steht - die Null bei der Infektionskette." Die Null stand bei beiden Teams allerdings auch im Hinspiel.
Quelle: ntv.de, Thomas Nowag & Oliver Mucha, sid