Bundesbank-Bunker in Cochem Darum lagerte an der Mosel geheimes Geld
03.08.2021, 19:35 Uhr
15 Milliarden Ersatz-D-Mark lagerten im Bundesbank-Bunker.
(Foto: Bundesbank Bunker Cochem)
In Cochem an der Mosel lagerte im sogenannten Bundesbank-Bunker gut 25 Jahre lang ein Milliardenschatz. Kaum jemand wusste davon, das Geld wurde auch nie gebraucht. Seit fünf Jahren ist die Luftschutzanlage ein Museum und kann besichtigt werden.
Einmal pro Stunde fährt ein Kleinbus in den Busbahnhof der kleinen Stadt Cochem ein. Das Ziel: der Bundesbank-Bunker auf der gegenüberliegenden Moselseite. Es geht über die Moselbrücke zum Cochemer Ortsteil Cond, der "Bunker-Shuttle" röhrt in langsamem Tempo eine steile Dorfstraße hinauf. Nach ein paar Minuten ist das Ziel erreicht, am Ende der Sackgasse "Am Wald". An einen Wendehammer grenzt ein eher unscheinbares Flachdachgebäude. Einzig zwei Wörter am Eingang machen deutlich, dass das kein normales Haus ist: "Bundesbank Bunker" steht dort schwarz auf weiß.
"Der Sinn und Zweck der Bunkeranlage Cochem war einzig und allein die Lagerung der Ersatzserie BBK II. Das war der Grund, warum man diese Luftschutzanlage gebaut hat", erklärt Museumsleiterin Antonia Mentel im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Seit 2016 kann die Geschichte des Bundesbank-Bunkers im Rahmen von Führungen erkundet werden.

Das Museum hat die unzähligen Geldpakete in der Bunker-Anlage nachgebildet.
(Foto: Bundesbank-Bunker Cochem)
BBK II, das steht für Bundesbank-Serie II, so hieß die Ersatzbanknoten-Serie für Westdeutschland. BBK I, das waren die Geldscheine der D-Mark, die sich in den Geldbörsen der Bundesbürger befanden. Die Banknoten wurden von Anfang der 1960er- bis Anfang der 1990er-Jahre ausgegeben. Mit Scheinen der BBK II wurde nie bezahlt. Sie waren nur für den Notfall gedacht. "Die Ersatzserie sollte verschiedene Szenarien abdecken. In den Akten heißt es so schön, sie war für alle Fälle. Was genau das heißt, ist bis heute nicht komplett geklärt", sagt Mentel.
Ersatzgeld für den Notfall
Zwei Szenarien seien denkbar, erklärt die studierte Kunsthistorikerin: zum einen eine Falschgeldschwemme und eine damit ausgelöste Hyperinflation. "Das hatte die deutsche Wirtschaft massiv beeinträchtigt. Die Ersatzserie sollte dafür sorgen, dass man handlungsfähig blieb." Das zweite Szenario: Vorbeugung gegen Krankheiten, Viren und Bakterien. "Es war auch damals schon denkbar, dass diese durch Geldscheine übertragen werden. In so einem Fall wollte man schnellstmöglich Ersatz schaffen. Eine Geldscheinserie zu produzieren, kann durchaus mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Das wollte man abkürzen", sagt Mentel. Im Notfall sei es das Ziel gewesen, das Bargeld innerhalb von 14 Tagen deutschlandweit auszutauschen.
Warum das Geheimversteck ausgerechnet in Cochem gebaut wurde, hat auch etwas mit dem Zufall zu tun. Anfang der 1960er-Jahre wurde im Ortsteil Cond ein Grundstück zum Verkauf angeboten, auf dem bereits zwei Häuser standen. Das Grundstück konnte außerdem nach hinten raus erweitert werden. Perfekt für die Bunker-Pläne der Bundesbank. Die schlägt zu, kauft das Grundstück und baut von 1962 bis 1964 den Geheimbunker und ein Schulungsheim unter beziehungsweise in den beiden Häusern, die später als Tarnung dienten. Bereits 1965 werden die ersten Geldscheine eingelagert.
Moseltal "besonders geschützt" vor atomarer Druckwelle
"Man fühlte sich an der Mosel besonders geschützt. Man dachte, dass eine eventuelle atomare Druckwelle im Kalten Krieg über das Moseltal hinwegziehen würde und man hier unterhalb des Bergrückens besonders geschützt war", erklärt die Museumsleiterin im Podcast. Auch die Nähe zur Bundesbank-Zentrale in Frankfurt am Main sowie zur damaligen Bundeshauptstadt Bonn und dem Regierungsnotsitz in Ahrweiler waren gute Gründe für den Standort Cochem.
Weil sich während des Baus Anfang der 1960er-Jahre immer wieder Anwohner über den ohrenbetäubenden Lärm beschweren, erklärt ihnen die Bundesbank, dass man eine Luftschutzanlage errichte. Während des Kalten Kriegs war das nichts Ungewöhnliches. Als Entschädigung für den Baulärm wird den Anwohnern versprochen, dass sie für den Fall eines Angriffs in dem Bunker unterkommen können, zusammen mit den Schulungsteilnehmern. Im Notfall hätten bis zu 175 Menschen eng an eng ein paar Wochen in der Tiefe überleben sollen, so der Plan. Autark mit Trinkwasserbrunnen, Dieselgeneratoren-Strom, Sandfilter für die Luftversorgung und Dekontaminationsräumen für atomare Verstrahlung.
"Geheimprojekt" der Deutschen Bundesbank
Die Bundesbank veranstaltet nach Fertigstellung der Anlage in den folgenden Jahren tatsächlich Seminare in dem Schulungsheim. Die Teilnehmer ahnen nichts von dem Milliardenvermögen unter ihnen. Nur eingeweihte Prüfer und der Schulungsleiter zählen alle paar Monate das Geld. Die einzigen Schlüssel für die tonnenschwere Tresortür liegen an der Bundesbank-Zentrale in Frankfurt.
Heutzutage kommen jedes Jahr Zehntausende Besucher, um sich die Bunker- und Tresoranlage anzuschauen. In etwa einer Dreiviertelstunde geht es durch die unterirdischen Gänge. Geld ist keines mehr da, aber die schweren Geldpakete hat das Museum nachgestellt. Am Ein- und Ausgang können Nachahmungen der BBK-II-Ersatzserie gekauft werden.
Die Vorderseite der Scheine sah genauso aus wie die Hauptserie BBK I, nur die Rückseite war anders gestaltet. Vertrauenserweckend, aber doch klar unterscheidbar sollte das Notfall-Geld sein. "Die Ersatzserie war ein Geheimprojekt des Direktoriums der Deutschen Bundesbank. Es gab aber die Vorgabe, dass die Bundesbank tatsächlich, wenn sie eine neue Geldscheinserie hergestellt hat, darüber informieren muss. Das hat sie auch getan, allerdings nur in ihren eigenen Publikationen", berichtet Soyter von mehr oder weniger geheimen Projekt. Bundesbankmitarbeiter oder Beschäftigte in der Geldscheinproduktion hatten natürlich Kenntnis darüber, der Großteil der Bevölkerung jedoch nicht.
Ohne nennenswerte Zwischenfälle lagern fast 25 Jahre lang 15 Milliarden Notfall-Mark in Cochem und weitere knapp 11 Milliarden im Bundesbanktresor in Frankfurt. Neben der Ersatzserie BBK II für Westdeutschland gibt es damals noch die sogenannte "Berlin-Serie" für West-Berlin. Im Unterschied zur BBK II hat die zusätzlich auch einen 5-Mark-Schein.
Scheine landen 1988 im Schredder
Ende der 1980er-Jahre läuft die Zeit der Notfallwährung dann allerdings ab. Zwar ist der Kalte Krieg noch nicht vorbei, die Mauer noch nicht gefallen, aber für den Ernstfall gibt es ohnehin viel zu wenig Ersatzgeld. "Außerdem hatte man das Problem, dass der Farbkopierer auf den Markt kam, damit konnte man ganz einfach Fälschungen herstellen, weil die BBK I und BBK II keine besonderen Sicherheitsmerkmale hatten", erklärt Mentel im Podcast. Die fehlende Fälschungssicherheit und die zu geringe Menge für einen 1:1-Austausch führten zu dem Entschluss, sich "von dem Prinzip der Ersatzserie zu lösen".
1988 werden die 15 Milliarden aus Cochem nach Frankfurt transportiert, dort zusammen mit den restlichen Milliarden der BBK-II -Serie in eine große Schredderanlage gesteckt und - um auf Nummer sicher zu gehen - im Anschluss auch noch verbrannt. Einzelne Original-Banknoten der Ersatzserie lagern seitdem nur noch im Geldmuseum in Frankfurt - offiziell. Unbestätigten Berichten zufolge sind bei der Entsorgung einzelne Scheine abhandengekommen. Antonia Mentel kann das weder bestätigen noch dementieren. "Alles, was auftaucht, ist Hehlerware. Bei uns sind auch keine Scheine mehr."
Nach dem Abtransport der Geldscheine 1988 gibt es für die Bunkeranlage zunächst keine Verwendung mehr. In den Schulungsräumen hält die Bundesbank bis Anfang der 1990er-Jahre zwar noch vereinzelt Seminare ab, doch dann wird ein neues Tagungszentrum in Eltville am Rhein gebaut.
Das Jahrhunderthochwasser im Dezember 1993 bringt schließlich die Cochemer Volksbank auf eine Idee: Weil die Schließfächer ihrer Kunden bei der Flut abgesoffen sind, sucht das Geldhaus nach einem hochwassersicheren Platz für die Schließfächer und findet die ehemalige Bunkeranlage. Die Volksbank kauft das Grundstück inklusive der Tarnhäuser und richtet für 500 Bankkunden Schließfächer ein. So wird der Bunker bis 2008 genutzt.
Busunternehmer-Ehepaar kauft Bunker
"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein bisschen schlauer.
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Dann steht die Anlage leer, bis 2014 das lokale Busunternehmer-Ehepaar Petra und Manfred Reuter die Immobilie kauft. Der Bunker wird zum Museum umgebaut. Seit 2016 finden von Mai bis Oktober täglich Führungen durch die etwa 300 Meter lange und 1500 Quadratmeter große Anlage statt. Besucher durchlaufen den schnurgeraden, 80 Meter langen Zugangstunnel, gehen durch schwere Stahl-Tresortüren hindurch, besichtigen die Wohn- und Versorgungsräume für den Ernstfall, die Kommunikationsanlage mitsamt Fernschreiber und Telefonanlage und kommen an unzähligen (nachgestellten) Geldpaketen vorbei. Sobald es die Corona-Situation wieder erlaubt, finden auch Lesungen oder Musikevents im Bunker statt, langfristig sollen sogar Übernachtungen in der Anlage möglich werden.
Eine beliebte Frage am Ende einer Bunkerführung lautet: Gibt es auch vom Euro eine Ersatzserie? Die Antwort: So ganz genau weiß man das gar nicht. Es spricht allerdings so gut wie nichts dafür. Zu teuer, zu unflexibel.
Zu dieser Erkenntnis ist ja damals auch die Bundesbank gelangt. Die BBK III, das waren die letzten neuen D-Mark-Scheine, hatten bereits keine Ersatzserie mehr. Und so dürfte sich in Europa nirgendwo mehr ein geheimes Milliarden-Versteck wie damals in Cochem befinden.
Quelle: ntv.de