Wirtschaft

Mehrheit nimmt Schuhkarton mitDeichmann verliert Gerichtsstreit um doppelte Müllgebühren

28.11.2025, 18:51 Uhr
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Schuhhändler müssen für Pappkartons, welche bei privaten Endkunden landen, pauschale Entsorgungsgebühren zahlen - zusätzlich zu den Müllgebühren ihrer Filialen. Deichmann will sich diesen Schuh nicht anziehen. Doch ein Gericht lehnt die Klage ab.

Im Streit um Müllkosten hat die Schuhfirma Deichmann eine Niederlage vor Gericht einstecken müssen. Deichmann hatte sich von einer sogenannten Systembeteiligungspflicht befreien lassen wollen - hierbei müssen Firmen Geld zahlen für die Entsorgung und Verwertung von Verpackungen, die bei privaten Endkunden landen. Doch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wies die Müll-Klage ab, eine Berufung wurde nicht zugelassen. Deichmann hat seinen Firmensitz in Essen, was im Zuständigkeitsbereich des Gelsenkirchener Verwaltungsgerichts liegt.

Überwacht wird das Entsorgungssystem von der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR), gegen diese Behörde aus Osnabrück hatte Deichmann geklagt. Bei der Verhandlung hatte Kurt Schüler von der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) ein Gutachten vorgestellt, dem zufolge in Deutschland rund 62 Prozent der Käufer den Schuhkarton aus dem Laden mitnehmen oder ihn nach einer Online-Bestellung zugeschickt bekommen. Das waren etwa acht Prozentpunkte mehr als 2020. Wären es unter 50 Prozent gewesen, so wäre Deichmann laut Gericht von der Müllkostenpflicht befreit worden.

Deichmann zweifelt an Gerichtsgutachten

Die Deichmann-Anwältin Claudia Schoppen monierte, dass das Gutachten nicht aussagekräftig und nicht repräsentativ sei. Die Marktforscher hätten zu wenige Geschäfte aufgesucht. Das Gutachten ist ursprünglich von 2020, damals suchten Marktforscher 46 Firmenstandorte auf. Außerdem holten sie zusätzliche Marktdaten ein.

Auf Bitte des Gerichts aktualisierte die GVM ihr Gutachten dieses Jahr und suchte dafür 20 weitere Geschäfte auf, fünf davon waren Filialen von Deichmann. Deren Anwältin verwies auf Untersuchungen von Deichmann selbst, denen zufolge nur etwa 40 Prozent der Schuhkartons beim Kunden zu Hause landeten.

Diese Firmenerhebung spiele für das Urteil aber keine Rolle, erklärte der Vorsitzende Richter Manfred Klümper. Aus seiner Sicht ist das strittige Gutachten durchaus aussagekräftig und valide. Mit Blick auf die 50-Prozent-Grenze, ab der die Müllkostenpflicht greift, sagte Richter Klümper: "Die Kammer meint, dass die Grenze auf jeden Fall überschritten wird und deswegen eine Systembeteiligungspflicht von Schuhkartons besteht."

Rund 90 Millionen Paar Schuhe hat Deichmann im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft - gelagert in Papp-Kartons. Obwohl sich Deichmann selbst um die Entsorgung der im Geschäft verbliebenen Kartons kümmert und über eigene Wege recycelt, muss der Schuhverkäufer Geld an einen Mülldienstleister zahlen. Das sogenannte duale System organisiert die Abholung, Sortierung und Wiederverwertung von Abfall, welcher beispielsweise durch solche Pappkartons in Haushalten der Verbraucher entsteht.

Brache beklagt hohe Entsorgungsgebühren

Nicht nur Deichmann, sondern die gesamte Schuhbranche leide unter der sogenannten Lizenzierungspflicht - also die Pflicht zur Bezahlung besagter Mülldienstleister - erklärte Axel Augustin vom Bundesverband des Deutschen Textil-, Schuh- und Lederwareneinzelhandels (BTE) vor dem Urteil.

Die Zentrale Stelle Verpackungsregister hält die Schuhkartons für "systembeteiligungspflichtig", schließlich landeten die Pappkartons "überwiegend" beim privaten Endverbraucher, zumal die über den Online-Shop versandten Schuhkartons komplett beim Konsumenten blieben. Dabei stützt die Behörde sich auf eine Analyse der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung - was sich mit dem Gerichtsgutachten deckt.

Deichmann hatte im Vorfeld moniert, dass die Firma derzeit doppelt zahlen müsse: Einmal für das eigene Abfallsystem und einmal über die Kosten für das duale System, obwohl dieses "faktisch nicht belastet" werde mit Schuhkarton-Müll von Deichmann. Das seien "Kosten, die am Ende auch die Verbraucher treffen", heißt es von der Firma. "Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist das weder gerecht noch sachlich begründbar."

Die haushaltsnahe Entsorgung sei laut BTE-Verbandsgeschäftsführer Augustin deutlich teurer als die Entsorgung von Schuhkartons, die als Transportverpackungen im Geschäft blieben und von einem Dienstleister abgeholt werden. Die Lizenzierungspflicht erhöhe die Kosten innerhalb der Schuhbranche und mache Schuhe damit teurer, beklagte der Verbandssprecher.

Quelle: ntv.de, raf/bho/dpa

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