Wirtschaft

Rezessionsgefahren nicht gebannt Deutscher Wirtschaft droht der Sommerblues

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Die Exporte brachen im März um 5,2 Prozent ein.  Ein Grund dafür ist die schwächelnde Nachfrage aus der EU und den USA, wo die Zinsen sogar noch kräftiger gestiegen sind und die Nachfrage nach Waren "Made in Germany" dämpfen.

Die Exporte brachen im März um 5,2 Prozent ein. Ein Grund dafür ist die schwächelnde Nachfrage aus der EU und den USA, wo die Zinsen sogar noch kräftiger gestiegen sind und die Nachfrage nach Waren "Made in Germany" dämpfen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Egal ob Produktion, Exporte oder Industrieaufträge: Nach einem überraschend starkem Jahresauftakt zeigt der Trend überall wieder nach unten. Die deutsche Wirtschaft mag zwar an einer Winterdepression vorbeigeschrammt sein. Gebannt ist die Gefahr einer Rezession damit aber noch nicht.

Die Winterdepression ist der deutschen Wirtschaft erspart geblieben, doch droht ihr nun der Sommerblues? Diese Frage stellen sich gerade viele Ökonomen. Denn nach einem überraschend starken Jahresauftakt hat sich die Konjunktur ebenso unerwartet wie spürbar wieder eingetrübt: Ob Produktion, Exporte oder Industrieaufträge - überall zeigt der Trend stark nach unten. Selbst das R-Wort wird wieder in den Mund genommen: "Die Rezessionsgefahren sind mitnichten gebannt", sagt etwa Analyst Elmar Völker von der LBBW.

Davor warnt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer schon seit Wochen. Seiner Meinung nach werden die Folgen der kräftigen Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) sowie weiterer großer Notenbanken für die deutsche Konjunktur unterschätzt. "Solchen Zinserhöhungen folgten in der Vergangenheit in Deutschland stets Rezessionen", betont Krämer. Durchschnittlich drei bis sechs Quartale dauert es demnach von der ersten Zinsanhebung bis zum Beginn einer Rezession.

Die EZB hat im Juli 2022 ihre Geldpolitik wegen der hohen Inflation erstmals nach elf Jahren wieder gestrafft und damit ihre jahrelange Nullzinspolitik beendet. Mittlerweile hat sie sechsmal nachgelegt, zuletzt in der vergangenen Woche. Der Leitzins liegt nunmehr bei 3,75 Prozent. Stimmt die Commerzbank-Rechnung, dann geht die deutsche Wirtschaft schweren Zeiten entgegen. "Die meisten Volkswirte sind wohl zu optimistisch, wenn sie für die zweite Jahreshälfte einen klassischen Aufschwung erwarten", sagt Krämer.

Für Baubranche rentieren sich viele Projekte nicht mehr

Durch die rasch gestiegenen Zinsen werden Kredite teurer. Damit soll die preistreibende Nachfrage gedämpft und die Inflation so bekämpft werden. Die unschöne Nebenwirkung ist, dass dadurch Investitionen teurer werden. "Der allgemeine Zinsanstieg dürfte Investitionspläne bremsen", sagt der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. Die Baubranche bekommt das gerade zu spüren, rentieren sich doch viele Projekte nun nicht mehr - zumal nicht nur die Zins-, sondern auch die Materialkosten kräftig gestiegen sind. Im März klagten 16 Prozent der Bauunternehmen über Auftragsstornierungen im Wohnungsbau, wie das Münchner Ifo-Institut herausfand.

"Das Neugeschäft bricht förmlich ein", sagt Ifo-Forscher Felix Leiss. Das trug mit dazu bei, dass die Produktion von Industrie, Bau und Energieversorgern im März um 3,4 Prozent zum Vormonat so stark zurückging wie seit einem Jahr nicht mehr. Parallel dazu brachen die Exporte ein, und zwar um 5,2 Prozent. Ein Grund dafür ist die schwächelnde Nachfrage aus der EU und den USA, wo die Zinsen sogar noch kräftiger gestiegen sind und die Nachfrage nach Waren "Made in Germany" dämpfen. Da die Industrieaufträge im März mit 10,7 Prozent so kräftig einbrachen wie seit Anfang der Pandemie im April 2020 nicht mehr, besteht eher wenig Hoffnung auf rasche Besserung.

Konsum ist Hoffnungsträger der angeschlagenen Wirtschaft

Ob die deutsche Wirtschaft an einer Sommerrezession vorbeischrammt, hängt nicht zuletzt vom privaten Konsum ab. Wegen der hohen Inflation haben die Verbraucher zuletzt drei Jahre in Folge sinkende Reallöhne hinnehmen müssen. Kein Wunder, dass sie ihre Ausgaben in den beiden zurückliegenden Quartalen einschränkten. Dadurch schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal 2022 um 0,5 Prozent, während es im abgelaufenen ersten Vierteljahr stagnierte. Damit schrammte Europas größte Volkswirtschaft haarscharf an einer Rezession - also zwei Minus-Quartalen in Folge - vorbei.

Dass nun ausgerechnet der Konsum zum Hoffnungsträger der angeschlagenen Wirtschaft wird, hängt mit den kräftigen Lohnerhöhungen zusammen. Die 2,5 Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst von Bund und Ländern etwa erhalten im Juni eine steuer- und abgabenfreie Sonderzahlung von 1240 Euro. Ihr folgen weitere 220 in den Monaten von Juli bis Februar 2024. Ähnlich sieht die Tarifeinigung für die 160.000 Beschäftigten der Deutschen Post aus. Für die gut 800.000 Beschäftigten in der Leiharbeit gibt es eine zweistufige Lohnerhöhung von bis zu 13 Prozent. Und auch die gut 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner bekommen vom Sommer an mehr Geld: Ihre Bezüge werden ab Juli im Westen um 4,39 Prozent und im Osten um 5,86 Prozent angehoben.

Experten bleiben skeptisch

Hinzu kommt: Der Inflationsdruck dürfte merklich nachlassen. Lag die Teuerungsrate im Januar und Februar noch bei jeweils 8,7 Prozent, so ging sie bis April auf 7,2 Prozent zurück. Im Herbst dürfte die Teuerungsrate "massiv sinken", erwartet etwa Analyst Jörg Angele vom Vermögensverwalter Bantleon. "Im November dürfte sie 'nur' noch bei rund 3,0 Prozent liegen." Das von den GfK-Marktforschern berechnete Konsumklima-Barometer ist deshalb aktuell so hoch wie seit über einem Jahr nicht mehr. "In den kommenden Monaten werden sich die Kaufkraftverluste dank stärker steigender Löhne und steuer- und abgabenfreier Inflationsausgleichprämien wieder zurückbilden", erwartet der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien. "Dann dürfte sich auch der private Konsum wieder allmählich erholen."

Ob der deutschen Wirtschaft dadurch ein Sommerblues oder gar eine Rezession doch noch erspart bleibt? Viele Experten bleiben da skeptisch. "Auf alle Fälle sind wir gut beraten, die Erwartungen weiter niedrigzuhängen: Die Geldpolitik wird ihre volle Bremswirkung erst in diesem Jahr entfalten", sagt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Selbst bei einer günstigen Entwicklung komme die deutsche Wirtschaft "vermutlich nur wenig über Stagnation hinaus".

Quelle: ntv.de, jki/rts

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