Inflation sinkt, Stimmung steigt Die Apokalypse fällt aus
17.01.2023, 14:05 Uhr
Die deutsche Wirtschaft ist im vergangenen Jahr deutlich gewachsen.
(Foto: IMAGO/Olaf Döring)
Die Energiepreise schießen nach oben, die Inflation geht durch die Decke, die Furcht vor einer Pleitewelle wächst: Lange sah es so aus, als stehe Deutschland vor einem wirtschaftlichen Schreckensszenario. Doch dazu ist es nicht gekommen.
Die Prognosen waren düster. Die durch die russische Invasion in der Ukraine ausgelöste Energiekrise werde in Deutschland für einen heftigen Wirtschaftseinbruch bis hin zur Zerstörung ganzer Industrien sorgen, während die Inflation außer Kontrolle gerät und Wohnungen kalt bleiben, hieß es. Ein Giftcocktail aus Materialmangel, gestörten Lieferketten, fehlenden Fachkräften und exorbitanten Energiepreise könne zu einer Pleitewelle führen. Doch der Kollaps blieb aus.
Die deutsche Wirtschaft ist im vergangenen Jahr trotz aller Probleme um 1,9 Prozent gewachsen. Und auch für dieses Jahr sieht es mittlerweile sehr viel besser aus als befürchtet.
Das heißt nicht, dass die Warnungen vor schwierigen Monaten unbegründet waren. Im Sommer haben die Preise für Gas und Strom zeitweise verrückt gespielt. Die Inflation war in Deutschland nach oben geschossen, sie ist trotz eines deutlichen Rückgangs noch immer außerordentlich hoch.
Doch insgesamt sieht es derzeit danach aus, als sei der Höhepunkt überschritten. Die Energiekrise ist - das ist zumindest der jetzige Stand - überwunden. Die Gas-, Öl- und Strompreise sind wieder auf dem Niveau, das sie vor dem russischen Angriff erreicht hatten. Die deutschen Gasspeicher sind prall gefüllt. Selbst bei einer starken Kältewelle würde Deutschland mit gut gefüllten Speichern in den Frühling gehen. Das heißt: Auch für den kommenden Winter ist der in Aussicht gestellte Energie-Notstand unwahrscheinlich geworden.
Bundeskanzler Olaf Scholz ist die Erleichterung anzusehen. Bei der Eröffnung eines Flüssiggas-Terminals am vergangenen Wochenende in Lubmin sagte er: "Wir kommen durch diesen Winter". Die Angst, das nicht zu schaffen, war real.
Die Zuversicht steigt
Es gibt viele Gründe dafür, dass sich die Lage weitgehend entspannt hat. Das milde Winterwetter ist einer von ihnen. Ein anderer: Russland hat die Gaslieferungen nach Deutschland nicht abrupt, sondern schrittweise eingestellt. So konnte sich Deutschland auf einen Stopp vorbereiten und nach Alternativen suchen.
Derweil schmelzen die Kosten für die Strom- und die Gasbremse zusammen. 200 Milliarden hat die Bundesregierung eingeplant - doch davon wird wohl nur ein Bruchteil benötigt. Und auch die Inflation scheint ihren Gipfel überwunden zu haben. Zeitweise lag sie im zweistelligen Bereich und war auf 10,4 Prozent nach oben geschossen. Mittlerweile ist sie auf 8,6 Prozent gesunken. Das ist zwar noch immer sehr hoch, doch der Trend geht klar nach unten.
Auch was das Wirtschaftswachstum angeht, dominiert plötzlich der Optimismus. Monatelang wurde darüber geredet, wie tief die Rezession sein wird. Doch die Stimmung hat sich aufgehellt. Ganz vorne dabei ist Goldman Sachs. Die Investmentbank geht davon aus, dass die bisher erwartete Rezession in der Eurozone ausfällt und die Wirtschaft wachsen wird - immerhin um 0,6 Prozent. Die Inflation werde Ende des Jahres auf 3,2 Prozent gefallen sein, so Goldman Sachs.
Die Industrie geht nunmehr davon aus, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr nur leicht schrumpft. Der Verband BDI erwartet ein Minus von lediglich 0,3 Prozent, also eine 'rote Null'", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm der ARD. Auch die Konjunkturprognosen von Finanzexperten in Deutschland werden zuversichtlicher. Das vom Forschungsinstitut ZEW ermittelte Stimmungsbarometer stieg im Januar überraschend in den positiven Bereich. Erwartet war, dass es im Keller bleibt.
Und auch in der Bevölkerung hellt sich die Stimmung merklich auf. Dem rtl/ntv-Trendbarometer zufolge rechnen zwar 57 Prozent aller Bundesbürger damit, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland verschlechtern werden. Ende vergangenen Jahres waren es allerdings noch rund zwei Drittel.
Quelle: ntv.de