Wirtschaft

Bizarrer Auftritt im Dunkeln Ist Elon Musk überfordert?

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Zeitweise war Musk bei seinem Auftritt vor der globalen Wirtschaftselite fast gar nicht zu sehen.

Elon Musk hat derzeit "zu viel" Arbeit. Er muss nicht nur Twitter aus der von ihm selbst verursachten Krise führen, sondern nebenbei auch Tesla, SpaceX und weitere Firmen managen. Musks Fähigkeit und Willen, solche Krisen zu meisten, ist unstrittig. Aber warum tut er sich das an?

Die Szenerie ist bizarr: Unscharf taucht Elon Musks in einem stockdunklen Raum nur gut zur Hälfte beleuchtetes Gesicht auf der riesigen Leinwand des B20-Treffens auf, ein Wirtschaftsevent im Rahmen des G20-Gipfels auf der indonesischen Ferieninsel Bali. Bild und Ton der Videoschalte stocken immer wieder. Bei ihm sei gerade der Strom ausgefallen. Zur Beleuchtung, erklärt der reichste Mann der Welt, habe er Kerzen aufgestellt. Der guten Laune des Moderators tut das keinen Abbruch: Warum er eigentlich so viel arbeite und nicht mal in ein Flugzeug springe und zum Entspannen nach Bali komme, will er von seinem Gast wissen. "Soviel ist sicher", sagt Musk, der immer wieder Pausen macht, als ob er außer Atem ist, "ich habe zu viel Arbeit auf meinem Teller." So viel zu arbeiten, würde er niemandem empfehlen.

Nicht erst dieser kurze Auftritt wirft die Frage auf: Hat sich das Unternehmer-Genie Musk bei Twitter übernommen? Seit dem Vollzug der Übernahme befindet sich der Social-Media-Konzern anscheinend im freien Fall. Seit dem offenkundig dilettantischen Versuch, die Hälfte der Belegschaft von heute auf morgen zu feuern, fehlen auch viele unentbehrliche Mitarbeiter. Ein Hals über Kopf eingeführtes Verifizierungsabonnement führte zu einer Flut an kaum noch erkennbaren Fake-Profilen, die ungehindert Falschnachrichten verbreiten konnten. Ausgerechnet um die US-Zwischenwahlen herum nahmen Hetze und gezielte Fehlinformationen noch mehr zu als ohnehin auf Twitter. Das alles trieb Werbekunden in die Flucht, die Einnahmen brachen ein. Musk schloss vor Mitarbeitern eine Insolvenz von Twitter nicht aus. Völlig unklar ist, wie er Einnahmen generieren will, die ausreichen würden, um den durch die Übernahme entstandenen Schuldenberg des Unternehmens abzutragen.

An seinen Dutzenden Tweets pro Tag ist zu erkennen, dass Musk hinter einem Großteil der katastrophal übereilten Entscheidungen persönlich steckte, ebenso hinter den bislang bestenfalls teilweise erfolgreichen Versuchen, diese wieder rückgängig zu machen und den Schaden zu begrenzen. Einige dieser Tweets wecken Zweifel, ob der neue Eigner all das versteht, worüber er da im Handumdrehen entscheidet. Eigene (Ex)-Mitarbeiter bezeichnen seine Äußerungen zu technischen Fragen teilweise als sinnfrei.

Twitter-Fact-Check widerlegt Musk

Für Spott sorgte ein Tweet, in dem Musk sich brüstete, Twitter erzeuge extrem viele Zugriffe für andere Internetseiten und Apps. Das Netzwerk sei "mit Abstand der größte Klick-Treiber im Internet". Twitters eigener Fact-Check-Mechanismus fügte darunter die Anmerkung ein: "Das Gegenteil ist der Fall." Tatsächlich leite Facebook ein Vielfaches an Besuchern an andere Internetseiten weiter.

Gleichzeitig findet Musk allerdings auch Zeit, auf Twitter politische und persönliche Gegner anzugreifen, Wahlempfehlungen zu geben und alle möglichen Posts anderer Nutzer zu kommentieren. Zugleich verantwortet Musk teils auch das Tagesgeschäft seiner anderen Unternehmen, vor allem Tesla und SpaceX. Jeder dieser Chefposten ist bei vergleichbaren Unternehmen ein Vollzeitjob. Gleiten Musk mit der zusätzlichen Aufgabe bei Twitter nun endgültig die Fäden aus der Hand, auch wenn er nach eigenen Angaben jetzt "sieben Tage die Woche von früh bis in die Nacht" arbeitet?

Wer Musk angesichts des aktuellen Chaos schon abschreiben will, der sollte sich in Erinnerung rufen, wie der Manager Tesla in den vergangenen Jahren geführt hatte. In den Jahren 2017 und 2018 war der damals noch vergleichsweise kleine E-Autobauer in eine tiefe Krise gestürzt. Kurz zuvor hatte Musk die Solarfirma seines Bruders übernommen, die Tunnelbaufirma Boring Company sowie das Startup Neuralink gegründet. Kritiker warfen Musk vor, sich mit seinen vielen Aufgaben zu verzetteln und sich mit seinem ehrgeizigen Expansionskurs bei Tesla überhoben zu haben. Auch von gesundheitlichen Problemen des offensichtlich überarbeiteten Unternehmers war die Rede. Musk sprach später von einer "Produktionshölle" und davon, dass Tesla tatsächlich zeitweise nur wenige Wochen vor der Pleite gestanden habe.

Ein Soziales Netzwerk ist kein Autobauer

Doch Musk führte Tesla erfolgreich aus dieser Krise. Dafür arbeitete er zeitweise rund um die Uhr, übernachtete auf dem Boden in der noch im Bau befindlichen Fabrik. Entgegen der Erwartung vieler Analysten ist Tesla inzwischen profitabel. Trotz der jüngsten Kursverluste wird der Konzern an der Börse derzeit mehr als zehnmal so hoch bewertet wie vor fünf Jahren.

Musk setzt alles daran, diese Erfolgsstory bei Twitter zu wiederholen, auch wenn Kritiker betonen, dass ein Soziales Netzwerk etwas völlig anderes sei, als ein Autokonzern, und vor allem das konfrontative und immer wieder provozierende Auftreten des Unternehmers den Erfolg von Twitter behinderten. Musks Fähigkeit und sein Willen, zur Not rund um die Uhr zu arbeiten und dabei das Pensum mehrerer Vollzeitjobs zu absolvieren, sind offensichtlich. Die eigentliche Frage des Moderators der B20-Konferenz, warum er das tue, lässt Musk allerdings unbeantwortet.

Quelle: ntv.de

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