"Keine Zeit zum Herumbasteln" Knot: EZB soll gegen Inflation durchgreifen
30.08.2022, 19:40 Uhr
Zinserhöhungen vorziehen? Aus Sicht mancher eine mögliche Maßnahme gegen die Inflation.
(Foto: IMAGO/Dirk Sattler)
Die Inflation im Euro-Raum liegt auf Rekordniveau, auch in Deutschland zieht sie wieder an. Die Europäische Zentralbank will nun entschieden gegen die Teuerung vorgehen. Eine schnelle Erhöhung der Zinsen bahnt sich an.
Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte aus Sicht des niederländischen Notenbankchefs Klaas Knot energisch gegen den massiven Inflationsschub im Euro-Raum einschreiten. "Zum Herumbasteln ist keine Zeit. Wir müssen kraftvoll das immer noch wachsende Problem der anhaltend hohen Inflation angehen", sagte Knot in einer von der Danske Bank organisierten Gesprächsrunde. Eine schnelle Erhöhung der Zinsen sei eine wesentliche erste Phase. Dabei sollte Knot zufolge auch nicht ausgeschlossen werden, Zinserhöhungen vorzuziehen.
Dieses Vorgehen wird von Währungshütern häufig als front-loading bezeichnet. Aus Sicht des EZB-Ratsmitglieds muss die Euro-Notenbank bei der Bekämpfung der Inflation die Zinsen womöglich über das sogenannte neutrale Niveau hinaus anheben, bei dem die Konjunktur weder angeheizt noch gedämpft wird. Befragt nach seinen Ansichten zum voraussichtlichen nächsten Zinsschritt der EZB am 8. September signalisierte Knot, dass er zu einer sehr starken Anhebung um 0,75 Prozentpunkte neige. Er sei aber offen für Diskussionen, fügte er hinzu.
Mehrere Notenbanker, darunter auch Knot, hatten sich zuletzt dafür ausgesprochen, angesichts sich verschlechternder Inflationsaussichten auch über eine entsprechende Zinserhöhung zu beraten. Am Dienstag stieß auch Estlands Notenbankchef Madis Müller dazu. "Ich denke, 75 Basispunkte sollten unter den Optionen für September sein, da sich die Inflationsaussichten nicht verbessert haben", sagte Knots-EZB-Ratskollege am Rande einer Konferenz im österreichischen Alpbach. "Wir sollten mit geldpolitischen Schritten nicht zu schüchtern sein, da die Inflation zu lange zu hoch war und wir immer noch weit unter dem neutralen Zinssatz liegen", führte Müller aus.
Erste Zinserhöhung seit elf Jahren
Das neutrale Zinsniveau wird von Notenbankern aktuell bei zwischen einem und zwei Prozent veranschlagt. Bis vor kurzem war an den Kapitalmärkten noch fest mit einem ähnlichen Schritt wie auf dem Juli-Treffen gerechnet worden. Die EZB hatte zu dem Zeitpunkt die Zinswende eingeleitet und die Schlüsselsätze um 0,50 Prozentpunkte angehoben. Der Leitzins liegt damit aktuell bei 0,50 Prozent. Es war die erste Erhöhung seit elf Jahren. Nach den Äußerungen mehrerer EZB-Notenbanker haben auch an den Börsen die Spekulationen auf einen noch größeren Schritt zugenommen.
Wie die Entscheidung Anfang September ausfallen wird, dürfte insbesondere von den neuen Inflationsdaten für die Euro-Zone im August abhängen, die an diesem Mittwoch erwartet werden. In Deutschland, der größten Volkswirtschaft im Währungsgebiet, ist die Teuerungsrate trotz Tankrabatt und 9-Euro-Ticket wieder kräftig auf dem Vormarsch: Die Inflationsrate erreichte im August 7,9 Prozent nach 7,5 Prozent im Juli. Das gilt als schlechtes Vorzeichen für den Herbst, wenn mit der Gasumlage weitere Belastungen auf die Bürger zukommen.
Volkswirte fordern von der EZB daher einen sehr starken Zinsschritt am 8. September. "Hoffentlich ringt sich die EZB auf ihrer Sitzung nächste Woche zu einem großen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten durch", sagte etwa Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Auch Thomas Gitzel von der VP Bank hält einen großen Schritt für erforderlich. "Gemessen an der aktuellen Inflationsrate und dem, was noch ins Haus steht, müsste die EZB eigentlich einen Jumbo-Zinsschritt lancieren", sagte er.
Inflation im Euro-Raum auf Rekordniveau
Aus Sicht von Knot sollte die EZB die Zinsen in diesem Jahr zunächst auf ein neutrales Niveau zwischen einem und zwei Prozent anheben. Er sei aber nicht überzeugt, ob das ausreiche, um die Inflation einzudämmen, sagte er. Womöglich müsse die Notenbank zu einer restriktiven Geldpolitik übergehen. Knot zufolge deuten zwar jüngste Indikatoren auf eine Abkühlung der Wirtschaft hin. "Doch selbst, wenn es zu dieser Abschwächung kommen sollte, reicht das wahrscheinlich nicht aus, um die Inflation zu unserem mittelfristigen Ziel zurückzubringen", merkte er an. Im Juli war die Inflation im Euro-Raum auf ein neues Rekordniveau von 8,9 Prozent gestiegen. Das ist mehr als viermal so hoch wie die von der EZB angestrebte Zielmarke von zwei Prozent Teuerung.
Aus Sicht von Knot sollte die Notenbank auch erwägen, ihre durch die billionenschweren Anleihenkäufe der letzten Jahre aufgeblähte Bilanz zu verringern. Dies könne etwa darüber geschehen, dass die Gelder aus abgelaufenen Anleihen des Kaufprogramms APP nicht mehr vollständig wieder angelegt werden, führte er aus. Das werde aber nur graduell geschehen, sagte er. Gespräche darüber könnten im Oktober oder im Dezember starten.
Quelle: ntv.de, mba/rts