Hohe Kosten, wenig Nutzen Ökonomen zerpflücken Steuerrabatte für Ausländer
23.07.2024, 13:51 Uhr Artikel anhören
In vielen Bereichen wird der Nachwuchs knapp. Fachkräfte aus dem Ausland sollen einspringen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Deutschland fehlen derzeit etwa 573.000 qualifizierte Arbeitskräfte. Die Bundesregierung möchte diese im Ausland anwerben und lockt mit lukrativen Steuerrabatten. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hält nichts von den Plänen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) schätzt die jährlichen Kosten für die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Steuervergünstigungen für ausländische Fachkräfte auf 600 Millionen Euro. Allerdings würden sie "wenig bringen", um dem Fachkräftemangel der deutschen Wirtschaft Abhilfe zu schaffen, sagt das IW. Weniger Bürokratie und kürzere Visumverfahren wären besser und wirksamer.
Den Ökonomen zufolge fehlen derzeit in Deutschland etwa 573.000 qualifizierte Arbeitskräfte. Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, sei daher richtig und sinnvoll. Steuererleichterungen seien jedoch der falsche Weg dafür: "Steuerrabatte für eine spezielle Gruppe sind diskriminierend im Sinne der Steuergerechtigkeit, besser wäre es, die Abgabenlast für alle zu senken", sagte IW-Steuerexperte Martin Beznoska. Zudem sei ihm zufolge fraglich, ob das Instrument überhaupt zusätzliche Fachkräfte anlockt, wenn es nach drei Jahren wieder wegfällt.
Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, dass für ausländische Fachkräfte im ersten Jahr 30 Prozent des Bruttolohnes steuerfrei sein soll, im zweiten Jahr 20 Prozent und im dritten Jahr 10 Prozent. Diese Regelung würde etwa 70.000 Personen aus Nicht-EU-Ländern betreffen, die zum ersten Mal eine Aufenthaltserlaubnis für Arbeitszwecke erhalten haben, sagt das IW.
Regelung für 70.000 Menschen
Im ersten Jahr würde der Staat für diese Steuergeschenke nach Berechnungen des Instituts auf 300 Millionen Euro verzichten. Nach drei Jahren - wenn der erste Jahrgang nur noch 10 Prozent Rabatt bekäme und neue Fachkräfte dazugekommen wären, würden die Kosten auf bis zu 600 Millionen Euro im Jahr ansteigen.
Die Kosten könnten laut IW noch höher ausfallen - je nachdem, wie gut ausländische Fachkräfte ausgebildet seien und wie viel sie verdienten. Sie könnten allerdings auch niedriger liegen, wenn Fachkräfte in den drei Jahren wieder zurückwanderten oder niedriger Qualifizierte kämen.
Würde der 30-Prozent-Steuerrabatt dagegen für die gesamte Bevölkerung gelten, lägen die Steuerausfälle etwa bei 160 Milliarden Euro. Das sind fast 40 Prozent der gesamten Steuereinnahmen aus der Einkommensteuer, so das IW. Selbst wenn 10 Prozent Steuern erlassen würden, müsste der Staat immer noch mit einem Verlust von 60 Milliarden Euro rechnen, was 14 Prozent der Einnahmen entspreche.
Quelle: ntv.de, dpa/chr