Politik

"Nicht fair und nicht gerecht" Empörung über Steuerrabatte für ausländische Fachkräfte

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Nicht nur sie sind gefragt: Fachkräfte im Bereich der erneuerbaren Energien.

Nicht nur sie sind gefragt: Fachkräfte im Bereich der erneuerbaren Energien.

(Foto: picture alliance/dpa)

Sollen ausländische Fachkräfte, die einen Job in Deutschland annehmen, drei Jahre lang weniger Steuern zahlen? Das plant die Ampel in ihrem Wachstumspaket. Doch der Widerstand ist groß. Sowohl in den Reihen von SPD und Grünen als auch bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern regt sich Unmut.

Der Widerstand gegen die von der Ampelkoalition geplanten Steuernachlässe für ausländische Fachkräfte wächst. "Manche Vorschläge verwundern mich schon sehr", sagte Sachsens Sozialministerin Petra Köpping von der SPD dem "Tagesspiegel". Wichtig seien "Entlastungen für die arbeitende Mitte und nicht für einzelne Gruppen", so Köpping. Ähnlich äußerte sich Thüringens Innenminister und Vize-Ministerpräsident Georg Maier. "Das könnte gerade im Osten zu neuen Gerechtigkeitsdebatten führen." Solange die Menschen dort deutlich unterdurchschnittlich verdienten "und die Renten und Vermögen ebenfalls stark unter dem Bundesdurchschnitt liegen, sollte man solche Privilegien für Zuwanderer nicht einführen", sagte Maier, Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl in Thüringen.

Die Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Beate Müller-Gemmeke äußerte sich ebenfalls ablehnend. "Es gibt aus gutem Grund einen Gleichbehandlungsgrundsatz in unserem Arbeitsrecht", sagte sie dem "Tagesspiegel". "Und aus meiner Sicht wäre der nicht gewahrt, wenn bei gleicher Arbeit die einen durch Steueranreize mehr Geld im Portemonnaie hätten als die anderen. Ich gehe daher davon aus, dass diese Steueranreize rechtlich problematisch wären." Beschäftigte unterschiedlich zu behandeln, sei "nicht fair und auch nicht gerecht".

Die Bundesregierung hatte in ihrem Wachstumspaket verkündet, dass ausländische Fachkräfte, die einen Job in Deutschland annehmen, drei Jahre lang weniger Steuern zahlen sollen. Nach fünf Jahren solle man die Wirkung dieser Maßnahme untersuchen.

Arbeitgeberverbände sehen falsches Signal

Kritik an den Plänen kam auch von Arbeitgeber- wie von Arbeitnehmerseite. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) erklärte auf eine Frage des Redaktionsnetzwerks Deutschland, der Vorschlag widerspreche der Steuergerechtigkeit und sende ein falsches innenpolitisches Signal. "Auch dürfte es vielerorts zu Unruhe im Betriebsfrieden führen", warnte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. "Es gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: mehr Netto vom Brutto. Das größere Potenzial liegt im Inland. Das ist der Denkfehler des Vorschlags."

Bereits am Freitag hatte die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds DGB, Yasmin Fahimi, gesagt, dass eine steuerliche Besserstellung für ausländische Fachkräfte gesellschaftlichen Zündstoff berge. Auch der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Florian Köbler, kritisierte die Pläne. "Es steht außer Frage, dass wir mehr ausländische Fachkräfte nach Deutschland holen müssen", sagte Köbler den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Bei Steuerprivilegien für diese Gruppe wäre ich aber sehr zurückhaltend." Köbler nannte mehrere Gründe für seine Skepsis. "Ein derartiges Vorgehen würde auch viel Bürokratie mit sich bringen - in den Betrieben und in den Finanzämtern", sagte der Chef der Gewerkschaft des Personals der Steuerverwaltung. "Es erscheint mir fraglich, ob solche Steuervorteile mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar wären", warnte Köbler zudem.

FDP verteidigt Pläne

Der stellvertretende Fraktionschef der FDP im Bundestag, Christoph Meyer, verteidigte indes die Pläne. Deutschland müsse im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen und daher die Bedingungen für Fachkräfte drastisch verbessern, sagte Meyer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Ein Steuerbonus zur Anwerbung qualifizierter Fachkräfte ist seit Langem in der halben EU Standard und weltweit gängige Praxis, Deutschland muss hier gleichziehen. Wer wie die CDU die Anwerbeprämie für eine Neiddebatte missbraucht, der schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland und setzt damit zukünftiges Wachstum und Wohlstand aufs Spiel", sagte Meyer weiter. Die Union hatte zuvor bereits die Pläne kritisiert.

Der Bundesverband privater Pflegedienste lobte ebenfalls Steuerbegünstigungen für ausländische Fachkräfte. "Alle Schritte, um internationale Kräfte zu einer Tätigkeit in Deutschland zu motivieren, begrüßen wir", sagte Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zugewanderte Kräfte hätten in der Phase des Ankommens viele zusätzliche Kosten. "Wenn dieser Aufwand durch eine entsprechende Steuererleichterung ausgeglichen wird, ist das auch den inländischen Kolleginnen und Kollegen gut zu erklären", so Meurer. Die Pflegekräfte in Deutschland seien "sehr froh über die zusätzliche Entlastung durch zusätzliche Mitarbeitende", betonte der Verbandschef.

Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, nannte den von der Ampel geplanten Abgabenrabatt für Ausländer unzureichend: "Zeitlich begrenzte Steuervergünstigungen für ausländische Fachkräfte sind weitverbreitet. Um im internationalen Wettbewerb um ausländische Fachkräfte attraktiv zu sein, können steuerliche Anreize deshalb helfen. Die besten Anreize helfen aber nichts, wenn die bürokratischen Hürden zur Arbeitsaufnahme in Deutschland nicht schnell reduziert werden", sagte Schnitzer der "Rheinischen Post".

Quelle: ntv.de, ghö

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