Wirtschaft

Forscher fordern Ende des Soli Schwarzarbeiter verdienen 323 Mrd Euro

In Nordrhein-Westfalen haben Zollbeamte Schwarzarbeits-Netzwerke aus 450 Baufirmen ausgehoben.

In Nordrhein-Westfalen haben Zollbeamte Schwarzarbeits-Netzwerke aus 450 Baufirmen ausgehoben.

(Foto: picture alliance / Boris Roessle)

In Zeiten niedriger Arbeitslosigkeit nimmt die Schwarzarbeit zwar leicht ab. Dennoch setzt die Schattenwirtschaft weiter jährlich Hunderte Milliarden Euro um. Experten sagen, der Staat könnte mehr dagegen tun.

Kurz mal am Samstag Nachbars Bad fliesen, für schmales Geld im Bekanntenkreis Haare schneiden oder die Putzhilfe schwarz beschäftigen - das kennt in Deutschland fast jeder. Wissenschaftler legen zum Thema Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung Jahr für Jahr eine Prognose vor. Demnach soll die so genannte Schattenwirtschaft auch 2018 weiter schrumpfen. Der Schaden wird wohl trotzdem enorm werden: Rund 323 Milliarden Euro könnten in diesem Zeitraum schwarz erwirtschaftet werden.

Eine mögliche Gegenmaßnahme wäre die Abschaffung des Soli, schreiben die Verfasser der Studie. Das Verhältnis der Schattenwirtschaft zur offiziellen Wirtschaft sinke 2018 auf unter zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (Vorjahr 10,1), heißt es in der aktuellen Schattenwirtschaftsprognose, die von Wissenschaftlern des Tübinger Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung IAW und der Universität Linz vorgelegt wurde. Grund dafür seien in erster Linie die gute wirtschaftliche Lage und die geringe Arbeitslosigkeit. Von der Politik hingegen gingen im Jahr 2018 - soweit absehbar - keine Impulse zur Reduzierung der Schwarzarbeit aus.

Würde beispielsweise der Solidaritätszuschlag vollständig abgeschafft und nicht nur schrittweise, könnte sich die Schattenwirtschaft in diesem Jahr um mehr als zehn Milliarden Euro verringern, glauben die Autoren. "Natürlich ist Schattenwirtschaft nicht der einzige Gesichtspunkt, unter dem man Steuerpolitik betreiben sollte", sagte Bernhard Boockmann vom IAW, "aber über Anreize könnte man schon nachdenken."

Schwarzarbeit für den "zweiten Urlaub"?

"Bei einer Abschaffung des Soli hätte der Einzelne mehr Netto", erläuterte Ko-Autor Friedrich Schneider von der Universität Linz. "Normalerweise ist das Kalkül: So viel verdiene ich offiziell, das reicht aber nicht für ein neues Auto, den zweiten Urlaub oder die Renovierung, also arbeite ich noch schwarz dazu." Aus Umfragen und Untersuchungen wisse man dies sehr genau. Verringere sich die Steuerbelastung aufs Jahr gesehen, würden auch jene, die schwarz arbeiteten, lieber einen freien Samstag haben als illegal dazuzuverdienen.

Dieser Logik folgen nicht alle. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund DGB ist man ebenfalls gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung, aber die Gewerkschaft glaubt nicht, dass das Phänomen an einer zu hohen Steuer- und Abgabebelastung liegt. "Wenn eine Friseurin abends noch Haare schneidet, macht sie das, weil sie nicht genug verdient", sagt Martin Kunzmann, Vorsitzender des DGB Baden-Württemberg. "Schwarzarbeit kann man am besten verhindern, wenn Menschen ordentliches Geld verdienen."

Außerdem plädiert Kunzmann dafür, die Kontrollen etwa auf Großbaustellen noch weiter zu verschärfen und dafür auch mehr Fahnder einzusetzen. Erst Ende Januar war es Zollbeamten in Nordrhein-Westfalen gelungen, in der Baubranche ein kriminelles Netzwerk auszuheben, das rund 48 Millionen Euro Schaden verursacht haben soll und dem 450 Baufirmen angehörten. Für diesen Fahndungserfolg waren 1100 Beamte im Einsatz.

Die meisten Putzhilfen arbeiten schwarz

Schwierig zu kontrollieren bleibt nach wie vor der private Sektor, da sind sich Forscher und Gewerkschafter einig. "Schätzungen zufolge arbeiten mehr als drei Viertel der Putzhilfen in Haushalten schwarz", sagt IAW-Forscher Boockmann. Hier könnten Vereinfachungen bei der Anmeldung helfen. "Im Haushaltsbereich gibt es erhebliche Hürden für legale Beschäftigung - der private Arbeitgeber muss sämtlichen Papierkram eines regulären Arbeitgebers leisten. Dass viele das nicht machen, ist klar."

"Es gehören immer zwei dazu", kritisiert hingegen Martin Kunzmann vom DGB, "derjenige, der seine Arbeitskraft schwarz anbietet, und derjenige, der sie annimmt." Im Fall der Putzhilfe seien die Auftraggeber in der Regel höhere Einkommensschichten. Diese könnten es sich also eigentlich leisten, ordentlich zu bezahlen, Steuern und Sozialabgaben inklusive.

Ausmerzen lässt sich das Phänomen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung nicht vollständig. Immerhin aber steht Deutschland im Vergleich zu anderen Industrieländern mit seiner Platzierung unterhalb des Durchschnitts einigermaßen gut da. Spitzenreiter der Schattenwirtschaft ist seit Jahren Griechenland mit einem Anteil von 20,8 Prozent. Auf der anderen Seite glänzen die USA, wo die Schattenwirtschaft im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt lediglich bei 5,1 Prozent liegt. Zurückzuführen sei dieser Wert auf vergleichsweise niedrige reguläre Arbeitskosten sowie die starke US-Wirtschaft, sagt Ko-Autor Friedrich Schneider.

Quelle: ntv.de, Alexia Angelopoulou, dpa

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