Neue US-Richtlinie zu Berechnung Tesla senkt Reichweiten seiner Flotte
09.01.2024, 20:39 Uhr Artikel anhören
Auch das Model X Plaid ist davon betroffen.
(Foto: picture alliance / Newscom)
Eine neue Richtlinie der US-Umweltbehörde legt fest, wie E-Autobauer die Reichweite ihrer Modelle berechnen sollen. Besonders Tesla muss nochmal nacharbeiten und senkt laut einem Medienbericht die Entfernungen. Aber auch andere Hersteller könnten davon betroffen sein.
Tesla hat die Reichweitenangaben für seine gesamte Autopalette gesenkt. Der E-Auto-Pionier reagierte damit auf neue Vorschriften der US-Behörden für entsprechende Messungen nach Medienberichten, Expertenberichten und Kundenbeschwerden über optimistische Schätzungen zur Reichweite.
Die Änderungen ergeben sich aus einem Vergleich der Nachrichtenagentur Reuters der gegenwärtigen Angaben auf der Website des US-Konzerns mit früheren abgespeicherten Versionen. Eine Stellungnahme von Tesla liegt bislang nicht vor. Die Änderung setzte den Aktienkurs des Unternehmens von Elon Musk im Verlauf an der New Yorker Börse unter Druck.
Einige der Änderungen sind vergleichsweise klein. Bei dem Model X Plaid wurde etwa die geschätzte Reichweite von 333 auf 326 Meilen (also von etwa 536 auf rund 525 Kilometer) gesenkt. Bei dem Model S Plaid ging dagegen der von Tesla angegebene Wert von 396 auf 359 Meilen (rund 637 auf etwa 578 Kilometer) zurück. Es ist unklar, ob jede Untervariante jedes Modells von den Änderungen betroffen ist.
Auch andere E-Auto-Bauer betroffen
Die neuen Vorschriften der US-Umweltbehörde EPA für 2024 schreiben vor, dass die erwartete Reichweite von E-Autos nach ihrem "Default"-Modus angegeben wird, also die Einstellung, die das Fahrzeug nach dem Einschalten einnimmt. Gibt es keinen solchen Modus, muss ein Mittelwert zwischen dem besten und schlechtesten Fall gebildet werden.
Die EPA hatte die neuen Vorschriften im Jahr 2022 beschlossen. Auch die anderen E-Auto-Bauer sind davon betroffen. Ein Ford-Sprecher sagte jedoch, die Schätzungen für die E-Modelle des US-Konzerns - darunter der F-150 Lightning Pickup - seien nicht geändert worden. Stellungnahmen von GM und Hyundai liegen bislang nicht vor.
Der Chefredakteur der Fachzeitschrift "Edmunds", Alistair Weaver, wertete die Änderungen von Tesla als wichtigen Schritt für Autokäufer. "Alle acht von uns getesteten Tesla-Fahrzeuge haben die EPA-Schätzungen nicht erreicht", sagte er zu der bisherigen Norm. Ihm pflichtete der Chef der Analyse-Firma Recurrent, Scott Case, bei: Teslas Schätzungen seien in der Vergangenheit "um 30 Prozent oder mehr optimistischer gewesen als die tatsächliche Reichweite der Fahrzeuge".
Die Reichweite eines E-Autos gehört insbesondere in den USA zu den wichtigsten Kriterien für Verbraucher, welches Fahrzeug sie kaufen oder ob sie sich überhaupt ein E-Auto zulegen. In dem Land mit der gut 27-fachen Fläche der Bundesrepublik wird der Begriff "range anxiety" - auf Deutsch etwa "Reichweitenangst" - für die Sorge verwendet, ob man es zur nächsten Ladesäule schafft.
Angeblich bewusst "rosige" Prognosen
Reuters hatte im Zuge der Recherchen im Sommer von Insidern erfahren, dass Tesla aus Marketinggründen den Fahrern bewusst "rosige" Prognosen für die Entfernung anzeigen ließ. Zudem sei 2022 heimlich ein spezielles "Diversion Team" gebildet worden, um Kunden mit Beschwerden zur Reichweite daran zu hindern, einen Wartungstermin in Anspruch zu nehmen. Tesla hatte eine Stellungnahme zu dem Reuters-Bericht abgelehnt.
Der Autor einer der Studien zur Reichweite von E-Autos, der Industrie-Veteran Gregory Pannone, betonte damals, er werfe Tesla nicht Betrug vor. Die Firma sei einfach am "aggressivsten" dabei, die Reichweite nach den gängigen EPA-Vorschriften zu berechnen. Tesla führe zudem bei allen Modellen zusätzliche Reichweitentests durch. Im Gegensatz dazu verließen sich viele andere Autohersteller, darunter Ford, Mercedes und Porsche, auf eine Formel der EPA, um die potenzielle Reichweite ihrer E-Autos zu errechnen, wie aus Daten für 2023er-Modelle hervorgehe. Dies führe meist zu konservativeren Schätzungen.
Quelle: ntv.de, ses/rts