Wirtschaft

Schuldzuweisungen aus Athen Tsipras teilt aus

Alexis Tsipras.

Alexis Tsipras.

(Foto: REUTERS)

Alexis Tsipras wirft den Gläubigern vor, sie seien für die bisher erfolglosen Verhandlungen verantwortlich. Während Griechenlands Premier neoliberale Kräfte am Werk sieht, stellt die Bundesbank fest: Für die griechischen Geldinstitute sei es fünf vor zwölf.

Wer erwartet hat, dass der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras angesichts der nahenden Pleite seines Landes in den Verhandlungen mit den Geldgebern kompromissbereiter wird, dürfte sich verwundert die Augen reiben. Denn der Premier geht in den kritischen Monat Juni, indem er EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank attackiert.

Schuld an den bislang ergebnislosen Verhandlungen sei nicht Athen, schreibt Tsipras in einem Beitrag für die französische Zeitung "Le Monde". "Das Fehlen einer Einigung bis jetzt liegt nicht an der angeblichen unversöhnlichen, kompromisslosen und unverständlichen Haltung Griechenlands", so Tsipras. "Es liegt an dem Beharren einiger institutioneller Akteure auf absurden Vorschlägen und einer völligen Gleichgültigkeit gegenüber der jüngsten demokratischen Entscheidung des griechischen Volkes." Der Regierungschef betonte, seine Regierung habe den Gläubigern bereits Zugeständnisse gemacht und verwies dabei auf Privatisierungen sowie eine Reform der Mehrwertsteuer und des Rentensystems. Sein Land habe anders als behauptet reihenweise Reformvorschläge unterbreitet, die mehr Steuern einbrächten.

Europa befinde sich an einem Scheideweg, schreibt Tsipras. Entweder wähle es stärkere Integration oder die Spaltung. Die neoliberalen Verfechter der zweiten Möglichkeit seien nur darauf aus, anderen ein Spardiktat und harte Strafen aufzuzwingen, mit "Griechenland als erstem Opfer". "Für einige ist das eine einmalige Gelegenheit, an Griechenland ein Exempel für andere Länder zu statuieren, die darüber nachdenken könnten, dieser neuen Linie der Disziplin nicht zu folgen", so Tsipras.

Bundesbank: "Es ist fünf vor zwölf"

Die Vorwürfe an die Adresse der Gläubiger kommen zu einem Zeitpunkt, an dem eine von Athen selbst gesetzte Frist abgelaufen ist. Die griechische Regierung hatte angekündigt, sich bis spätestens vergangenen Sonntag mit den Geldgebern auf die Freigabe der zurückgehaltenen Milliardenhilfen zu einigen. Die Gläubiger wollen die verbleibenden 7,2 Milliarden Euro aus dem laufenden zweiten Hilfspaket erst auszahlen, wenn sich die Regierung um Tsipras im Gegenzug zu Strukturreformen und Sparmaßnahmen verpflichtet. Wie diese aussehen sollen, darüber streiten Athen und die ehemals "Troika" genannten Institutionen.

Dabei drängt die Zeit. Die griechische Regierung ist offenbar in Zahlungsschwierigkeiten und nähert sich der Pleite. Wie lange das Geld noch reicht, um alle Verpflichtungen zu erfüllen, ist nicht bekannt. Am kommenden Freitag muss Athen dem IWF rund 308 Millionen Euro überweisen, bis zum 19. Juni stehen weitere knapp 1,3 Milliarden Euro an. Dazu kommt, dass das zweite Hilfsprogramm Ende des Monats ausläuft. Das heißt, dass vorher eine Einigung erzielt werden muss, damit Griechenland das Geld überhaupt noch ausgezahlt werden kann. Das muss allerdings deutlich vor Monatsende passieren, da in einigen Gläubiger-Ländern die nationalen Parlamente der Einigung zustimmen müssen.

Die Bundesbank forderte Griechenland erneut zu einem raschen Einlenken auf. "Für die griechischen Banken ist es nämlich fünf vor zwölf", sagte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret der "Bild"-Zeitung. Sie seien nahezu ausschließlich auf die Notfallhilfe der Europäischen Zentralbank angewiesen. "Aber wie das Wort Notfall schon sagt, ist das keine dauerhafte Lösung", sagte der für die Bankenaufsicht zuständige Vorstand. Die Lage in Griechenland sei sehr kritisch. Dombret verwies darauf, dass die Bankkunden dort in den ersten vier Monaten des Jahres bei den großen Instituten knapp 30 Milliarden Euro abgezogen hätten.

Am späten Nachmittag werden Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Holland in Berlin zusammentreffen und über Griechenland sprechen. Auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker nimmt daran teil.

Quelle: ntv.de, jga/dpa/rts/AFP

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