
Die Aussichten trüben sich ein.
(Foto: REUTERS)
Russland trotzt den westlichen Sanktionen, lange boomt die Wirtschaft sogar. Nun sind die guten Zeiten vorbei - doch das spürt die Bevölkerung bisher kaum.
Die EU hat das mittlerweile 19. Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg gebracht, auch die USA haben harte Sanktionen verhängt. Doch die russische Wirtschaft zeigt sich widerstandsfähig. Vorhersagen eines baldigen Zusammenbruchs haben sich immer wieder als falsch herausgestellt. Nch einer kurzen Rezession im Jahr 2022 erlebte Russland sogar einen ökonomischen Boom. Nun allerdings sieht es so aus, als ob die Party zu Ende geht.
Das heißt nicht, dass nun der Absturz droht. Doch Russlands Wirtschaft kühlt merklich ab, der Kreml stellt die Bevölkerung auf schwierigere Zeiten ein. Es zeigen sich Belastungen durch die enormen Kosten, um den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu finanzieren.
Im Juli lag das Bruttoinlandsprodukt nur 0,4 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung senkte ihre Wachstumsprognose für Russland und erwartet für dieses Jahr insgesamt nur noch eine um 1,3 Prozent höhere Wirtschaftsleistung. In den vergangenen beiden Jahren war die Wirtschaft angesichts der massiven Ausgaben für die Rüstungsproduktion jeweils um mehr als 4 Prozent gewachsen.
Das Haushaltsdefizit glich der Kreml aus, indem er auf Mittel aus dem Nationalen Wohlfahrtsfonds zugriff und durch Neuverschuldung. Diesen Stimulus fährt die Regierung nun zurück. Mittel für nicht-militärische Bereiche werden gekürzt, die Mehrwertsteuer wird erhöht.
Finanzminister Anton Siluanow zufolge macht Schuldendienst mittlerweile acht Prozent der gesamten Haushaltsausgaben aus. "Wenn wir die Verschuldung weiter erhöhen, wird das alle anderen Ausgaben verdrängen", sagte er. "Uns wird weniger Geld für unsere Prioritäten bleiben."
"Schwierige Situation"
Die Umstellung auf die Kriegswirtschaft führt dazu, dass die Rüstungsindustrie immer mehr Ressourcen verschlingt - zulasten ziviler Nachfrage und Produktion. Außerdem leiden zivile Unternehmen unter Fachkräftemangel auch im Zuge der militärischen Mobilisierungskampagne. Sie müssen hohe Löhne zahlen, um ihre Mitarbeiter zu halten oder zu bekommen. Die höheren Personalkosten werden an die Kunden weitergegeben - das befeuert die Inflation, die auch einen Großteil der Lohnsteigerungen auffrisst.
Die kräftigen Preissteigerungen bekämpft die russische Zentralbank mit hohen Zinsen, der Leitzins liegt derzeit bei 17 Prozent. Das dämpft nicht nur privaten Konsum, sondern verteuert auch die Kredite für Unternehmen. Hohe Zinsen, Steuererhöhungen und die Konjunkturabschwächung erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Russland auf eine Rezession zusteuert.
Zentralbankchefin Elvira Nabiullina sieht eine "schwierige Situation in einzelnen Sektoren", und verweist etwa auf die Ölförderung sowie Kohle- und Stahlproduzenten. Autohersteller melden sinkende Absatzzahlen, im Wohnungsbau herrscht seit dem Wegfall staatlich gestützter Hypothekenkredite schon länger Flaute.
Die Auswirkungen der westlichen Sanktionen sind nicht genau zu beziffern. Russland hat Wege gefunden, sie zumindest teilweise zu umgehen, und treibt regen Handel etwa mit China und Indien. Doch die Sanktionen tragen dazu bei, dass die Einnahmen aus Rohstoffverkäufen deutlich zurückgegangen sind und Russland von westlichen Kapitalmärkten ausgeschlossen ist - das verkleinert die finanziellen Spielräume der Regierung und russischer Unternehmen erheblich.
Dass die Party endet, merkt die Bevölkerung bisher nicht. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie selten zuvor, die Reallöhne sind noch immer auf einem Rekordhoch. Die Russen sind sehr zufrieden mit ihrer wirtschaftlichen Lage.
Quelle: ntv.de