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Kritischer Rohstoff Statt Milliarden für Intel brauchen wir eine neue Chip-Strategie

Rohstoffförderung bei Magdeburg: Erste Vorbereitungsarbeiten für die "Fab" laufen schon.

Rohstoffförderung bei Magdeburg: Erste Vorbereitungsarbeiten für die "Fab" laufen schon.

(Foto: picture alliance/dpa)

Mikrochips sind lebenswichtig für die deutsche Industrie. Sie müssen aber keineswegs aus Magdeburg kommen. Das vorläufige Aus für das Intel-Werk sollte die Bundesregierung zum Anlass nehmen, eine effizientere und für den Steuerzahler günstigere Halbleiter-Strategie zu entwickeln.

Es ist ein Rückschlag. Nicht nur für Magdeburg, Sachsen-Anhalt und Deutschland, sondern für ganz Europa, dass Intel den Bau seiner 30 Milliarden Euro teuren "Fab", einer der modernsten Chipfabriken der Welt, abbläst. Offiziell ist es nur eine Verschiebung des Projekts um zwei Jahre. Doch es darf bezweifelt werden, dass es dem kriselnden US-Konzern 2026 so viel besser geht, dass er seinen trotz aller Subventionen immer noch gigantischen Anteil an den Investitionen aufbringen kann. Diesen Rückschlag sollte die Bundesregierung zum Anlass nehmen, ihre milliardenschwere Förderstrategie für die Chipbranche grundlegend zu überarbeiten.

Dabei beschreibt das Wort Strategie nicht wirklich treffend, was die Bundesregierung in den vergangenen Jahren getan hat, um das richtige und wichtige Ziel zu erreichen, die Versorgung von Deutschlands Industrie mit Mikrochips zu sichern. Sie hat nicht nur Intel, sondern auch mehrere Konkurrenten wie TSMC und Infineon jeweils mit Milliardensummen dazu gebracht, Werke in Deutschland zu bauen oder auszubauen. Teilweise werden dabei dem Steuerzahler bis zur Hälfte der jeweiligen Investitionskosten aufgebürdet. Fraglich ist nicht nur, ob jedes einzelne dieser Projekte einen entsprechenden Gegenwert für die Allgemeinheit bietet. Sondern auch, ob es im Sinne des eigentlichen Ziels überhaupt nötig gewesen wäre, sich Subventionsüberbietungswettbewerb mit anderen Staaten zu beteiligen. So sind die deutschen Chip-Subventionen nicht zuletzt eine Reaktion auf die mehr als 50 Milliarden Euro Fördergelder, mit denen die US-Regierung Chiphersteller ins Land lockt.

Das strategische Ziel der deutschen Förderung der Halbleiterbranche ist nicht, einige Tausend neue Arbeitsplätze schaffen. Dafür wären die Subventionen - allein für Intels Fabrik in Magdeburg sind fast zehn Milliarden Euro eingeplant - völlig unverhältnismäßig. Zumal auch in Ostdeutschland nahezu Vollbeschäftigung herrscht. Es geht vielmehr, wie Bundeskanzler Olaf Scholz es richtig formulierte, um nicht weniger als "unsere Souveränität" bei der Rohstoffversorgung. Halbeiter sind kritische Rohstoffe. Manche Halbleiter sind billig und in großen Massen auf dem Weltmarkt verfügbar, andere sind knapp, heiß umkämpft und entsprechend teuer. Nahezu sämtliche Industriezweige sind von der Versorgung mit Mikrochips und ähnlichen Bauteilen abhängig. Aufgrund des im Vergleich zu anderen Ländern extrem hohen Anteils der Industrie an der hiesigen Wirtschaft ist Deutschland als Ganzes besonders verwundbar.

Milliarden besser in Brücken stecken

Das Risiko, dass diese Versorgungsketten abreißen, ist real. In der Pandemie standen etwa deutsche Autowerke zweitweise still. Kommt es zu einem Krieg zwischen China und Taiwan, wo derzeit der Monopolist für die neuesten Chipgenerationen sitzt, könnte der Nachschub sogar dauerhaft ausbleiben. Für kürzere, schmerzhafte Unterbrechungen reicht es auch schon, wenn mal wieder ein Schiff im Suezkanal stecken bleiben sollte.

Dieses Risiko würde ein wenig minimiert, wenn künftig moderne Chips in Magdeburg hergestellt würden - oder aber in anderen europäischen Ländern oder in Nordamerika. Der Rückschlag für Deutschlands und Europas Industrie besteht darin, dass die "Fab" nicht gebaut wird - und nicht etwa darin, dass sie nicht in Magdeburg gebaut wird. Die Halbleiterversorgung nicht im nationalen Alleingang, sondern im Rahmen einer internationalen oder zumindest europäischen Strategie gemeinsam mit Partnern zu sichern, wäre sogar viel effizienter und günstiger. Diversifikation - also die Verringerung von Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten - und Friend- oder Nearshoring - die Verlagerung von Produktion nicht unbedingt ins eigene Land, sondern auch in nahegelegene Partnerländer - lauten die Schlüsselworte.

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Die Bundesregierung sollte darauf hinwirken, das EU-Chipgesetz zu einer echten europäischen Strategie für die Branche weiterzuentwickeln. Die EU-Kommission könnte die Bemühungen der Mitgliedstaaten, Chipfabriken anzusiedeln, koordinieren und innereuropäische Subventionswettläufe verhindern. Deutschland ist als mit Abstand finanzkräftigster EU-Staat hier der entscheidende Akteur.

Wenn die Bundesregierungen diesen Ansatz ernsthaft verfolgt und zugunsten europäischer und internationaler Kooperation auf nationale Prestigeprojekte verzichtet, kann sie Deutschlands Bedarf an Halbleitern sichern. Und gleichzeitig die eingeplanten Fördermittel für wirklich zwingende Investitionen - etwa in die Bildung, digitale Infrastruktur und marode Brücken - verwenden.

Quelle: ntv.de

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