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Der Antrieb ist ein anderer "Frauen gründen aus Leidenschaft"

Ob Mann oder Frau - beim Gründen gibt es große Herausforderungen.

Ob Mann oder Frau - beim Gründen gibt es große Herausforderungen.

(Foto: imago/Westend61)

In der deutschen Start-up-Szene sind Frauen unterrepräsentiert. Nur wenige gründen ihr eigenes Unternehmen. Doch das liegt nicht daran, dass Frauen risikoscheuer sind als Männer, erklärt die Gründerin und Geschäftsführerin Nora-Vanessa Wohlert von Edition F, einer Business-Lifestyleplattform für Frauen. Im Interview mit n-tv.de sprach sie über die Vereinbarkeit von Familie und Gründung, Netzwerktreffen von Frauen und was sie beim Aufbau eines Unternehmens anders machen.

n-tv.de: Unternehmensgründung ist immer noch eine Männerdomäne. Frauen sind in der Start-up-Szene unterrepräsentiert - nur 13 Prozent aller Gründer sind weiblich. Wieso gründen Frauen so selten?

Nora-Vanessa Wohlert: Pauschal kann ich das natürlich auch nicht erklären. Aber was ich beobachtet habe, ist, dass gefühlt immer mehr Frauen gründen. Auch wenn sie es tendenziell etwas später tun als Männer. Frauen sammeln meist erst vier, fünf Jahre Berufserfahrung. Männer hingegen gründen oft direkt nach dem Studium. Frauen sind im Durchschnitt bei der Gründung um die 30 Jahre alt. In diesem Alter machen sich viele Frauen auch um ein ganz anderes Thema intensiv Gedanken. Die Angst vor der Vereinbarkeit von Familie und der Gründung eines eigenen Unternehmens ist noch immer präsent. Mittlerweile gibt es jedoch einige Frauen, die während einer Schwangerschaft gegründet oder kurz danach Kinder bekommen haben. Ich glaube, solche Beispiele werden in Zukunft dafür sorgen, dass diese Angst weiter schwindet und mehr Frauen gründen.

Nora-Vanessa Wohlert (l.) gründete zusammen mit Susann Hoffmann (r.) Edition F.

Nora-Vanessa Wohlert (l.) gründete zusammen mit Susann Hoffmann (r.) Edition F.

(Foto: Jennifer Fey)

Was hält Frauen von einer Gründung ab?

Wenn man im digitalen Bereich gründet, braucht man eine Art technisches Verständnis oder eine Leidenschaft für digitale Themen. Meine Mitgründerin und ich haben beide Geisteswissenschaften studiert. Wir sind weit weg von der BWL und auch von dem technischen Hintergrund. Aber weil wir zuvor schon in Start-ups gearbeitet haben, haben wir gemerkt, dass es nicht notwendig ist, alles selbst zu können. Das kann man als Gründer eh nicht. Man braucht immer Mitarbeiter oder Experten in seinem Team, die Dinge können, die man selbst noch nicht kann oder noch nie gemacht hat. Die Gewissheit, dass man nicht unbedingt das technische Verständnis braucht, um zu gründen, ist wichtig dafür, dass mehr Frauen gründen.

Sind Frauen weniger risikobereit oder zu vorsichtig beim Aufbau eines Unternehmens?

Nein. Aber ich glaube, Frauen, die gründen, schauen nicht unbedingt in die Glaskugel und sagen: "Im nächsten Jahr mache ich 20 Millionen Euro Umsatz". Sie kalkulieren realistischer. Ich glaube insgesamt, unabhängig vom Geschlecht muss man gewisse Eigenschaften besitzen. Wenn man risikoscheu ist, sollte man nicht gründen. Egal, ob Mann oder Frau, beim Gründen gibt es große Herausforderungen. Man muss relativ stressresistent sein und mit dem einen oder anderen Tief klarkommen. Das können Frauen genauso gut wie Männer.

Männer motivieren eher klassische Anreize wie Gewinn- und Unabhängigkeitsstreben oder Selbstverwirklichung. Wieso gründen Frauen?

Frauen gründen eher aus Leidenschaft. Das kann bei Männern auch der Fall sein, aber bei Frauen überwiegt es. Sicherlich wollen sie mit ihrem Produkt auch Geld verdienen, aber was Frauen tendenziell weniger machen, ist zu gucken: "Wie sieht der Markt aus?", "Wo gibt es die Lücke?" und "Wie kann ich damit Geld verdienen?" Ich selbst hätte nie gegründet, nur um zu gründen. Für mich war es wahnsinnig wichtig, dass es ein Thema ist, auf das ich Lust habe. Und dann hat das Thema eher dazu geführt, dass ich gründet habe - und nicht andersrum.

Rollenvorbilder sind bei der Entscheidung zur Selbstständigkeit wichtig. Gibt es weniger Frauen in Start-ups, weil es an Indentifikationsmöglichkeiten fehlt?

Ich muss sagen, ich tausche mich bis heute mit sehr vielen Gründerinnen und Gründern aus. Da war mir das Geschlecht meist relativ egal. Mir hat es geholfen, unabhängig vom Geschlecht und es hat mich immer stark inspiriert. Ich würde jedem raten, der vorhat zu gründen, sich mit Leuten auszutauschen, die den Weg schon gegangen sind.

Bestärken Veranstaltungen für ausschließlich weibliche Gründerinnen den Status der Frauen als "Randgruppe"?

Das empfinde ich überhaupt nicht so. Es gibt so viele unterschiedliche Gründertreffen. Wir alle gehen auch auf gemischte Veranstaltungen. Da sind dann logischerweise überwiegend Männer – und auch das ist oft sehr hilfreich. Trotzdem ist der Austausch auf Treffen mit Gründerinnen ein sehr besonderer, weil Frauen sich zum Beispiel anders Gedanken über das Thema Familie machen. Ich muss aber auch sagen, dass wir nicht nur über Frauenthemen sprechen. Es geht auch um sehr businesslastige Themen wie Expansion, Finanzierungsrunden und Exits. Inzwischen sind wir mit vielen Gründerinnen gut vernetzt und nutzen die entstandenen Synergien. Es ist ein spezieller Kreis, in dem wir sehr offen über Herausforderungen sprechen.

Was muss passieren, damit mehr Frauen gründen?

Es sollte möglichst früh gezeigt werden, dass es die Möglichkeit zu gründen überhaupt gibt. In der Schule und während des Studiums zum Beispiel – auch gar nicht nur im Bezug auf Frauen. Tatsächlich wäre es hilfreich, einfach aufzuzeigen: Es gibt die Option der Unternehmensgründung. Am Ende wird die Entwicklung dahin gehen, dass immer mehr Frauen gründen. Ob das Verhältnis zwischen Männern und Frauen jemals total ausgeglichen sein wird, weiß ich nicht. Vielleicht ist das aber auch gar nicht nötig.

Mit Nora-Vanessa Wohlert sprach Juliane Kipper

 

Quelle: ntv.de

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