Auf gute Nachbarschaft Nebenan.de will Facebook für den Kiez sein
14.04.2016, 14:20 Uhr
Wie sich Nachbarn kennenlernen, hat sich in der letzten Zeit verändert.
(Foto: picture alliance / dpa)
In einer Großstadt weiß man oftmals nicht, wer eigentlich auf dem Flur gegenüber wohnt. Das Berliner Start-up Nebenan.de will Nachbarn virtuell miteinander verknüpfen - denn eine aktiv gelebte Nachbarschaft bringt viele Vorteile. Welche, erzählt Ina Brunk, Mitgründerin von "Nebenan.de", im n-tv.de Interview.
n-tv.de: Wozu brauchen Nachbarn ein eigenes Netzwerk?
Ina Brunk: Nebenan.de ist eine Nachbarschaftsplattform. Wir fungieren wie eine Art soziales Netzwerk. Mit dem Unterschied, dass wir in hunderte kleine Netzwerke unterteilt sind. Bei uns können sich Nachbarn anmelden und in einem geschützten Raum miteinander in Verbindung treten. Die Plattform soll zum Beispiel ganz praktische Fragen klären: "Wo ist der beste Arzt?" oder "Wie finde ich einen Babysitter?" Aber auch sozialer Austausch soll gefördert werden, denn Fakt ist: In Deutschland leben sehr viele Menschen in Single-Haushalten, die sehr einsam sind.
Ich nehme also Kontakt mit Menschen auf, die unmittelbar in meiner Umgebung leben. Wieso kann ich nicht einfach an deren Haustür klopfen?
Der Grundimpuls kommt aus einer eigenen Erfahrung. Auch ein Jahr nach seinem Umzug kannte unser Mitgründer Christian Vollmann in seinem Haus, geschweige denn in seiner Straße, keinen einzigen Nachbarn. Besonders in Großstädten ist das keine Seltenheit. Wenn es gut läuft, dann grüßt man sich im Treppenhaus, aber mehr nicht. Er wollte das ändern und klingelte bei seinen Nachbarn mit dem Ziel, ein Open-Source-Netzwerk für seine Nachbarschaft auf die Beine zu stellen. Er wollte sein Umfeld besser kennenlernen und das Gefühl haben, nicht nur in seiner Wohnung zu Hause zu sein.
Total neu ist die Idee aber nicht. Andere Projekte sind mit ähnlichen Konzepten schon gescheitert …
Nachbarschaft ist ein sehr sensibles Thema, weil man sich mit Menschen vernetzt, die man nicht kennt. Seinen Kontakten auf Facebook ist man zuvor in der Regel schon mal begegnet. Mit meinen Nachbarn verbindet mich nur, dass wir zufällig am selben Ort wohnen. Auf Nebenan.de geben wir unseren Nutzern das Gefühl, dass sie sich in einem geschützten Raum befinden.
Was ist ein geschützter Raum und wie wird er garantiert?
Wenn jemand beschließt, sich bei Nebenan.de anzumelden, dann kann er uns einen Vorschlag machen, wie seine Nachbarschaft heißen soll und ein abgestecktes Gebiet empfehlen. Die Nachbarschaft ist damit geografisch begrenzt. Zusammen mit uns wird dann die Größe der Nachbarschaft bestimmt. Wenn sich neue Nachbarn aus diesem Gebiet anmelden, gehören sie automatisch zu der Nachbarschaft. Verifiziert wird die Anschrift durch eine zugestellte Postkarte oder indem man online ein Dokument hochlädt, zum Beispiel von einer Stromrechnung oder einer Meldebescheinigung. Nachbarn können sich zusätzlich auch gegenseitig einladen.
Wie wird dieses Verfahren angenommen? Ist es vielleicht auch eine Hürde?
Es gibt zwei Seiten. Erstens ist es total überraschend, dass sich sehr viele korrekt mit ihren Daten anmelden. Ihnen scheint einzuleuchten, dass in einer solchen Umgebung besonders Wert auf die Echtheit der Daten gelegt werden muss. Natürlich ist es mit Sicherheit so, dass viele davor zurückschrecken. Wir geben zu, es ist nicht der einfachste Weg. Aber wir sind davon überzeugt: Es ist wichtig für eine vertrauensvolle Umgebung. Würden wir die Hürde nicht so hochhängen, hätten wir sicherlich schon mehr Mitglieder. Dann würde sich aber auch die Frage stellen: Was macht das mit der Qualität?
In den USA laufen ähnliche Projekte schon seit einigen Jahren. Warum zieht Deutschland jetzt erst nach?
Vor allem ist es in den USA so erfolgreich, weil dort schon seit ungefähr fünf Jahren an solchen Projekten gearbeitet wird. Zudem ist Nachbarschaft in Amerika weniger komplex. Es gibt bestimmte Themen, die eine Nachbarschaft bewegen. Neighboorhoodwatch ist so eins. Oder auch der klassische yard sale [privater Flohmarkt, meist auf Hinterhöfen oder in Garagen, Anm. d. Red.], den es im Sommer überall gibt. Den Amerikanern ist es deswegen leichter anzutragen, was der Mehrwert eines solchen Netzwerkes ist. Ich glaube, dass das in Deutschland viel komplexer ist und dass die Deutschen generell viel vorsichtiger sind, wenn es zum Beispiel um den Umgang und das Preisgeben von Daten geht.
Wie viele Nachbarschaften sind auf Nebenan.de angemeldet und welche Städte sind besonders aktiv?
Unsere aktivsten Städte sind Berlin, Hamburg, München und Köln. Außerdem starten gerade auch Nürnberg, Leipzig, Frankfurt und Düsseldorf durch. Aktive Nachbarschaften gibt es bereits über 200. Meistens starten sie mit 10 Nachbarn. Die größten Nachbarschaften haben 600 Mitglieder. Es zeigt sich: Der nachbarschaftliche Gedanke kommt gut an.
Mit Ina Brunk sprach Juliane Kipper
Quelle: ntv.de