Tacho, Timing, Tücken So gelingt der Gebrauchtwagenkauf
10.10.2025, 17:58 Uhr Artikel anhören
Gewerbliche Anbieter müssen eine Gewährleistung geben.
(Foto: picture alliance / Joko)
Schnäppchen oder Schrottkiste? Beim Kauf eines Gebrauchtwagens entscheidet der Blick fürs Detail. Mit dem richtigen Timing, Technik und Taktik lassen sich Frust und Fehlkäufe vermeiden.
Während der Neuwagenmarkt in Deutschland stagniert, erfreuen sich Fahrzeuge aus zweiter Hand ungebrochener Beliebtheit. Wer sich für einen Pkw mit Vorbesitzern interessiert, sollte sich jedoch gut vorbereiten, denn zwischen einem fairen Angebot und einer teuren Enttäuschung liegt manchmal nur ein ungenauer Blick.
Nicht jeder kann den Zeitpunkt des Kaufs frei wählen, doch wer zeitlich flexibel ist, profitiert von einem antizyklischen Vorgehen. Wer ein Cabriolet will, sollte im Herbst zuschlagen. Wer ein Auto im Winter nutzen möchte, sollte sich bereits im Sommer nach einem Fahrzeug umschauen. Grundsätzlich zeigt sich, dass die Nachfrage im Herbst und Winter steigt und die Preise entsprechend anziehen, wohingegen in den Sommermonaten und insbesondere während der Ferienzeit das Interesse nachlässt und Käufer bessere Chancen auf ein Schnäppchen haben.
Vorher detaillierten Überblick verschaffen
Vor der Kaufentscheidung wird das Angebot geprüft. Interessenten sollten sich zunächst auf großen Online-Gebrauchtportalen wie AutoScout oder Mobile.de einen detaillierten Überblick über das gewünschte Modell oder die bevorzugte Fahrzeugklasse verschaffen. Das Angebot ist groß, Filterfunktionen erleichtern die gezielte Suche nach Motorisierung, Laufleistung, Alter und Wohnortnähe. Die Inserate der Internetbörsen bieten einen guten Eindruck vom aktuellen Preisgefüge. Alternativ kann sich auch ein Blick auf Kleinanzeigen.de oder bei Händlern vor Ort lohnen.
Abgesehen von Preis, Alter und Laufleistung sollte man bei Anzeigenrecherche auch auf Angaben zum Alter, Zustand (unfallfrei) oder Fälligkeit der nächsten Hauptuntersuchung (HU) achten. Die Anzahl der Vorbesitzer ist ebenfalls eine interessante Information. Weicht ein Angebot deutlich vom üblichen Preisgefüge ab, ist Vorsicht besser als übereilte Euphorie.
Von privat oder vom Händler?
Ob man bei einem Händler oder einem privaten Anbieter kauft, hat ebenfalls Einfluss auf den weiteren Verlauf. Fahrzeuge von Privatpersonen sind häufig günstiger, doch dafür entfällt jede Gewährleistung. Händler wiederum müssen für mindestens ein Jahr eine Sachmängelhaftung übernehmen. Allerdings agieren manche auch als reine Vermittler für Privatleute, was im Vertrag entsprechend vermerkt sein sollte, da in diesem Fall kein Anspruch auf Garantie besteht. Gerade im unteren Preissegment kommt diese Praxis häufiger vor und sollte vor einer Unterschrift geklärt werden.
Hat man das passende Fahrzeug gefunden, sollte ein Besichtigungstermin vereinbart werden. Dieser findet normalerweise tagsüber beim Händler auf seinem Betriebsgelände beziehungsweise beim Privatverkäufer zu Hause statt. Idealerweise ist ein fachkundiger Begleiter beim Besichtigungstermin dabei. Will sich ein Verkäufer zu ungewöhnlichen Uhrzeiten auf abgelegenen Parkplätzen treffen, ist zumindest Skepsis angebracht. Unbedingt abzuraten ist zudem von einer Vorabzahlung.
Zustand prüfen - im Freien und nicht bei Regen
Den Zustand des Gebrauchten sollte man unter freiem Himmel und nicht bei Regen prüfen. Rostschäden finden sich vor allem an Kotflügeln, Türkanten und -schwellern sowie in der Reserveradwanne. Kritisch beäugt werden sollten Motorraum, Fahrzeugboden und die Spaltmaße. Sind Spalten unterschiedlich breit, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Auto einen Unfall hatte. Ebenfalls kontrolliert werden sollte der Zustand von Bremsen und Reifen. Sind letztere unregelmäßig abgefahren, könnte dies auf Fahrwerkschäden hinweisen.
Das Serviceheft sollte vollständig vorhanden sein; Rechnungen für Inspektionen oder Ölwechsel unterstützen die Dokumentation des Serviceheftes. Dort werden auch Kilometerstände erfasst. So kann man prüfen, ob der angegebene Tachostand stimmt. Doch Vorsicht: Auch ein Heft kann gefälscht sein; ist zum Beispiel die Stempelfarbe in allen Jahren gleich, kann das ein Hinweis darauf sein, dass alle gleichzeitig gestempelt wurden, denn Stempelfarben ändern sich mit der Zeit. Auch der Zustand des Innenraums kann Anhaltspunkte zum Tachostand geben. Wenn das verwohnte Interieur nicht zum niedrigen Kilometerstand passen will, ist Skepsis angebracht.
Wichtige Dokumente
Neben dem Serviceheft müssen natürlich die Zulassungsbescheinigungen Teil 1 und 2 vorliegen. Auch der Prüfbericht der letzten Hauptuntersuchung ist ein wichtiges Dokument. Hier lässt sich erkennen, ob das Fahrzeug die HU problemlos oder nur unter Auflagen bestanden hat. Gab es dort Reparaturauflagen, die vom Fahrzeughalter durchgeführt worden sind? Wurden zudem am Auto Umbauten vorgenommen? Diese müssen in der Zulassungsbescheinigung I eingetragen sein. Außerdem sollten neben dem Hauptschlüssel noch der Ersatzschlüssel sowie Codekarten für das Fahrzeug vorhanden sein.
Überzeugt der Gebrauchte beim ersten Check, steht als Nächstes eine Probefahrt an, sofern das Fahrzeug zugelassen und versichert ist. Selbstverständlich kann sich der Kaufwillige gegenüber dem Verkäufer ausweisen und besitzt einen gültigen Führerschein. Um sich einen Eindruck über mögliche Schwachstellen zu verschaffen, sollte die Testroute Stadtverkehr, Landstraße und Autobahn beinhalten. Versucht der Verkäufer, bestimmte Strecken zu meiden oder von der Nutzung elektronischer Features im Auto abzulenken, ist Vorsicht angebracht. Ist man sich unsicher, ob das Fahrzeug in einem technisch guten Zustand ist, empfiehlt sich ein Gebrauchtwagencheck bei einem Automobilclub oder einer Prüforganisation. Der kann dann allerdings 100 bis 250 Euro kosten.
Gebrauchte Elektroautos und Plug-in-Hybride
Hinzu kommt ein Aspekt, der in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist: die wachsende Zahl gebrauchter Elektroautos und Plug-in-Hybride. Käufer sollten hier nicht nur auf Laufleistung und Baujahr achten, sondern auch auf den Zustand der Hochvoltbatterie. Einige Hersteller bieten eine Restgarantie auf die Batterie, die für zusätzliche Sicherheit sorgt. Zudem lohnt sich ein Blick auf die Ladehistorie und die verfügbare Infrastruktur im Alltag. Wer viel Langstrecke fährt, sollte realistisch prüfen, ob Reichweite und Ladeleistung des Gebrauchten zum eigenen Profil passen. Auch Umweltauflagen spielen eine Rolle: In immer mehr Städten gelten Zufahrtsbeschränkungen, die ältere Diesel betreffen, während E-Autos und neuere Benziner freie Fahrt haben.
Am Ende bleibt der schriftliche Vertrag. Händler müssen mindestens ein Jahr Gewährleistung geben, bei Privatverkäufern entfällt diese Pflicht. Dennoch empfiehlt es sich, auf einen Standardvertrag zurückzugreifen, wie ihn Clubs oder Versicherungen bereitstellen. Wichtig ist eine klare Formulierung zum Kilometerstand, etwa "entspricht der tatsächlichen Laufleistung", statt vager Formulierungen. So lassen sich spätere Diskussionen vermeiden. Im Vertrag werden neben den genauen Daten zu Käufer und Verkäufer auch der exakte Zustand des Fahrzeugs beschrieben und festgehalten sowie die Bezahlung geregelt. Diese detaillierten Aussagen helfen, falls es nach dem Kauf zu Unstimmigkeiten oder sogar Streitigkeiten kommen sollte.
Quelle: ntv.de, Mario Hommen, sp-x