Luxusliner zum Kleinwagenpreis Unterwegs im Alltagsklassiker Mercedes S 500 - noch immer erhaben


Aus den Scheinwerferlinsen erstrahlt Xenonlicht. Die LED-Technologie war selbst in den frühen Zehnerjahren noch nicht so weit.
(Foto: Hersteller/Mercedes)
Die fünfte Generation der S-Klasse wird dieses Jahr 20 Jahre alt. Somit ist der Youngtimer längst zum Alltagsklassiker gereift. Wie wäre es mit dem sogenannten W221 als luxuriöse Alternative zum Neuwagen? Immerhin gibt es zum kleinen Tarif richtig viel Auto.
Mehr Auto für weniger Geld, dieser Spruch ist bei der Mercedes-Baureihe W221 nicht bloß graue Theorie, sondern vielmehr gelebte Realität. Denn die fünfte S-Klasse war ab 2005 wieder eine richtige Ansage und nicht bloß eine mickrige Light-Ausführung wie der W220, damals kleiner und schwächer als der Vorgänger. Bei ihm waren die Verantwortlichen einfach vorsichtig, schließlich hagelte es Kritik nach der Einführung des W140 im Jahr 1991 - der Vorwurf stand im Raum, die S-Klasse sei nicht mehr zeitgemäß. Zu schwer, zu dick - geht gar nicht.
Und so dauerte es sieben Jahre, bis Mercedes im automobilen Oberhaus wieder richtig glänzen konnte. Und 20 Jahre, bis der neue Dicke zum Klassiker reifte. Wobei dieser Prozess fließend noch lange nicht abgeschlossen ist. Sei es drum, Mercedes hat einen späten S 500 dieser Baureihe zum Testzentrum nach Immendingen gebracht, mit dem sich ntv.de auseinandersetzen durfte. Wer sich in den einschlägigen Internetbörsen tummelt und nach einem Exemplar dieser Baureihe sucht, stößt auf gut und gerne tausend Exemplare - die Auswahl ist also enorm. Was aber beim Schnellscan klar wird: Gute Exemplare gibt es bereits Bereich zwischen 15.000 und 25.000 Euro. Also quasi zum Kleinwagentarif. Immerhin konnte der zeitgenössische Neupreis für einen S 500 mit guter Ausstattung schon bei deutlich über 120.000 Euro liegen.
Immer noch Oberklasse
Aber auch mit den erwarteten Oberklasse-Vorzügen? Schon die erste Kontaktaufnahme mit dem Fünfhunderter ist in gewisser Weise wuchtig. Nach dem Öffnen der schweren Türen fällt man gleich in üppige Lederfauteuils. Klar, die Designsprache wirkt wie aus der Zeit gefallen. Das Cockpit ist typisch Nullerjahre mit der geschwungenen Abdeckung des Kombiinstrumentes. Keine Spur von riesiger Displayfläche, dafür ein recht übersichtlich dimensionierter Monitor (aber kein Touchscreen) und - natürlich - analogen Instrumenten. Um durch die Menüs zu wandern, bedarf es Controller. Das wirkt heute ein bisschen outdated und langsam, ist aber irgendwie authentisch. So war das vor 20 Jahren eben.

Das Cockpit des W221 zeigt im Vergleich mit neueren Modellen, dass die Zeit vorangeschritten ist.
(Foto: Hersteller/Mercedes)
Dafür steckt unter der Haube dieses späten Exemplars schon moderne Technik. Dezentes Downsizing hatte schon begonnen, die Ziffer auf dem Heckdeckel lässt schon keinen Rückschluss mehr auf den Hubraum zu. Aber Mercedes schenkt noch reichlich davon ein - nicht vier Liter wie heute, sondern immerhin 4,7 - aber es ist im Jahr 2012 kein fünfeinhalb Liter großer Saugmotor mehr wie 2005, als die Baureihe antrat.
Darüber hinaus ist der auf die Bezeichnung M278 hörende Benziner mit Direkteinspritzung und Turboaufladung ausgerüstet. Das ergiebt 435 stramme Pferdchen - ganz ehrlich, das kann selbst die heutige S-Klasse kaum besser mit 503 PS plus leichter Elektrifizierung (23 PS). So gesehen ist der werdende Klassiker bloß Nuancen und nicht Welten vom Neuwagen entfernt. Jedenfalls bezogen auf den Antrieb.
Der W221 ist souverän
Und so besticht das verflossene Modell ebenso durch maximale Souveränität. Unter voller Last geht es mit dem berühmten Druck im Kreuz nach vorn. Kein Wunder, schließlich feuert der Treibsatz den in diesem Fall zwei Tonnen schweren Allradler - 4Matic war immer lieferbar in verschiedenen Motorkonstellationen - binnen fünf Sekunden (Werksangabe) nach vorn, bis abgeregelte 250 Sachen erreicht werden. Und da das Moment per Siebengang-Wandlerautomatik übertragen wird, fühlt sich das Fahren ansatzlos an. Denn so häufig muss das Getriebe die Übersetzungen gar nicht wechseln. Immerhin pumpt Kollege Otto schon unterhalb von 2000 Touren gewaltige 700 Newtonmeter in den Strang. Das sorgt für Gelassenheit. Andererseits dringen dezente V8-Geräusche in den Passagierraum, damit den Mitfahrern auch bewusst ist, was für ein Aggregat hier am Werk ist.

Die Langversion erkennt man immer an den Fondtüren. Sie sind hier länger als die Vordertüren. Und dahinter verbirgt sich jede Menge Raum.
(Foto: Hersteller/Mercedes)
Und das Fahrwerk? Ist auf Stand - serienmäßig rollt der als Langversion herrschaftliche 5,23 Meter lange Benz auf Luftbälgen. Und obwohl diese Technik berühmt ist für tendenziell schlechteres Parieren insbesondere kurzer Unebenheiten, ist selbst der alternde W221 immer noch unangefochtener Meister beim Thema Fahrkomfort. Die Auswirkungen schlechter Untergründe kommen lediglich gedämpft beim Passagier an. Bestechend ist diese Mischung aus Präzision und Schwere. Klar, die große Limousine ist wirklich weit davon entfernt, querdynamisch zu punkten - macht aber dennoch ebenso Spaß auf schnell gefahrenen Landstraßenkurven. Da haben die Techniker gute Arbeit geleistet.
Auf Wunsch war zum damaligen Zeitpunkt, und selbst schon im Vorgänger, die "Active Body Control" lieferbar - dabei handelt es sich um eine Stahlfeder mit hydraulischem Nick- sowie Wankausgleich. Grundsätzlich ist der W221 damals wie heute ein souveräner Autobahnexpress zum zügigen Kilometerabspulen bei ausprägt leisen Innenraumgeräuschen.
Hightech schon vor 20 Jahren
Und auch technologisch kann der 20 Jahre alte Untertürkheimer einigermaßen mit modernen Fahrzeugen mithalten. Ein aktiver Tempomat hilft heute wie damals dabei, müde Piloten entspannter durch den Feierabendverkehr zu führen. Allerdings war dieses auf den Namen "Distronic" hörende Feature damals aufpreispflichtig ebenso wie eine Infrarotkamera zur Detektion von Personen oder Tieren bei Nacht. Schön ist, dass man nicht ständig irgendwelche piependen Assistenten abschalten muss – eine Wohltat.
Über den Sitzkomfort muss man nicht reden, insbesondere bei der hier getesteten Langversion kommen auch in der zweiten Reihe Firstclass-Vibes auf mit erhabener Beinfreiheit. Und sogar klimatisierte Massage-Einzelsitze im Fond samt elektrischer Verstellung waren damals bestellbar.

An den Rückleuchten erkennt der Spezialist die zweite Serie. Bei frühen Exemplaren von 2005 bis 2009 gibt es dort in Wagenfarbe lackierte Stege.
(Foto: Hersteller/Mercedes)
Wer den V8 übrigens für eine Nummer zu groß hält - nicht zuletzt wegen des Unterhalts –, es gibt die S-Klasse der Reihe 221 auch mit attraktiven sechszylindrigen Einstiegsmaschinen sowohl mit Benzin- als auch im Dieselbetrieb und sogar bis hin zum allerdings eher knurrigen und daher wenig S-Klasse-würdigen S 250 CDI mit dem unrühmlichen OM651. Im Fall der Spitzenlimousine ist dies ein 2,1 Liter großer Vierzylinder-Selbstzünder.
Falls diese Abhandlung Lust auf einen 221 gemacht haben sollte und in eine Probefahrt mündet – das Wunschexemplar bitte gründlich checken vor dem Kauf. Und immer daran denken: Die günstigere Anschaffung kann im Ergebnis mehr Geld kosten. Denn überall dort, wo sich viel Technologie verbirgt, gibt es auch viele potenzielle Defekte, die wiederum mit teuren Reparaturen verbunden sein können.
Unter dem Strich ist die S-Klasse der Baureihe W221 immer noch State of the Art und verbindet Fahrdynamik mit hohem Komfort. Bloß beim Infotainment wirkt dieser Mercedes inzwischen veraltet. Wäre ja auch traurig, wenn sich binnen 20 Jahren nichts verändert hätte.
Quelle: ntv.de