Neue Effizienz-Idee von BMW Wasser im Zylinder pusht den 1er
04.07.2015, 15:56 Uhr
Dieser 1er BMW fährt flott - nicht trotz, sondern wegen Wasser im Zylinder.
Mit Wasser für mehr Feuer sorgen? An dieser seltsam klingenden Idee forschen BMW-Ingenieure drei Jahre lang. Wie ein Verbrennungsmotor mit Wassereinspritzung funktioniert, war jetzt auf dem Testgelände in Südfrankreich zu erleben.
Wird bei einem Ottomotor die Verdichtung erhöht, bringt das zwar mehr Leistung, hat aber gewöhnlich einen unangenehmen Nebeneffekt: Das Aggregat fängt an zu klopfen, das heißt, unkontrollierte Zündungen stören einen gleichmäßigen Lauf. Wird zur Verhinderung dessen der Zündzeitpunkt verschoben, verschlechtert sich der Wirkungsgrad. BMW setzt jetzt Wasser ein, um mehr PS herauszuholen und gleichzeitig den Verbrauch zu senken.

Das M4-Coupé mit DWI-Technik dient als Safety-Car im Motorrad-Rennsport.
(Foto: BMW/Tom Kirkpatrick)
Das Kürzel DWI steht für "Direct Water Injection" und erklärt eine dosierte Wasser-Zerstäubung im Ansaugtrakt des Motors und/oder eine direkte Zuführung in den Brennraum. Die eingebrachte geringe Menge der Flüssigkeit verdampft in Sekundenbruchteilen, hat jedoch den Effekt, dass die dort herrschenden Temperaturen signifikant abgesenkt werden. Nach den Messungen der BMW-Entwickler führt die Einspritzung ins Saugrohr zu einer Verringerung um etwa 20 Grad Celsius, die Injektion in den Zylinder noch einmal um etwa 70 Grad. Weniger Hitze bedeutet geringere Gefahr unkontrollierter Zündungen, die Klopf-Neigung des Motors ist im Griff.
Standard-Technik für alle Motoren
Damit kein zusätzlicher Wassertank mitgeführt und aufgefüllt werden muss, wird bordeigenes H2O verwendet. Die Klimaanlage sondert bei normalem Betrieb kontinuierlich Kondenswasser ab, das zur Brennraumkühlung verwendet werden kann. Für BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich ist die Wassereinspritzung kein Einfall aus dem Elfenbeinturm von Technik-Freaks. Er ist überzeugt von der Praxistauglichkeit der Entwicklung. "Das ist für uns kein Hype-Thema", sagt er, "wir werden das durchziehen". Wassereinspritzung soll bei BMW zu einer Standard-Anwendung für die Großserie werden, so wie die variable Ventilsteuerung oder die Twinturbo-Technologie.
Als Test-Aggregat dient ein 1,5 Liter großer Dreizylinder, wie er gegenwärtig zum Beispiel im 2er Active Tourer angeboten wird. Versuchsträger ist noch ein 1er-Modell, dessen Einsatz eine besondere Form des BMW-Recyclings darstellt: Exakt jener rote Fünftürer diente schon im September 2012 zur Vorführung der neuen Turbomotoren-Generation auf dem ehemaligen Fliegerhost in Fürstenfeldbruck. Kurz nach deren Präsentation begann der Aufbau der neuen DWI-Forschungsfahrzeuge. Die Standard-Verdichtung des Dreizylinders wurde von 9,5:1 auf 11:1 angehoben. Früherer Zündzeitpunkt und höherer Ladedruck steigern Motorleistung und Drehmoment um bis zu 10 Prozent, sagt BMW, mit genaueren Angaben sind die Techniker noch zurückhaltend. Es ist davon auszugehen, dass der Antrieb des Versuchsträgers etwa 230 PS leistet. Der Ladedruck dürfte bei 2,5 bar und das Drehmoment bei 320 Newtonmetern liegen.
Wie ein Serien-Einser sieht das Testfahrzeug aus und es deutet nichts darauf hin, dass unterm Blech komplizierte Zusatzaggregate und Sensorik verbaut sind. Um die Wirkung von DWI zu veranschaulichen, haben die Test-Ingenieure einen zusätzlichen Computerbildschirm installiert, der in verschiedenen Grafiken Dauer und Intensität der Wasserzerstäubung anzeigt sowie die Leistungsabgabe des Motors und das Einsparpotenzial für Kraftstoff gegenüber einem herkömmlichen Dreizylinder. Mehr als 30 Grad Außentemperatur auf dem Testgelände lassen Gedanken an den Winter gar nicht erst aufkommen, aber auch an den Betrieb bei Minusgraden ist gedacht. Nach jedem Abschalten des Motors wird das Wasser aus dem zusätzlichen Kühlsystem zurück in den Vorratsbehälter befördert, um ein Vereisen der Komponenten bei Kälte und Motorkorrosion zu verhindern. Der Wassertank selbst ist frostsicher verpackt.
Sparsam trotz Bleifuß
Eine besondere Eigenheit der DWI-Technik ist, dass sie ihre größte Wirkung im Hochlastbereich entfaltet. Dann also, wenn der Fahrer oder die Fahrerin kräftig aufs Gas tritt, der Motor mit hoher Drehzahl und deshalb heiß läuft, ist der Effekt der internen Bewässerung am größten. Während Gasannahme, Leistungsentwicklung und Geräuschniveau während der Testfahrt im erwarteten Bereich lagen, zeigte die Verbrauchskurve auf dem Kontrollmonitor Verblüffendes: Gerade bei energischen Beschleunigungsfahrten und hohem Tempo ist der errechnete Minderverbrauch besonders hoch. Auch wenn die Gleichung "wer viel Gas gibt, spart am meisten" nicht wirklich aufgeht, so ist am Ende der auf die Normdistanz hochgerechnete Spritspareffekt enorm: 2,89 Liter weniger auf 100 Kilometer wären es gegenüber einem baugleichen Motor ohne Wassereinspritzung gewesen. In der Praxis, so heißt es von den BMW-Entwicklern, sei ein Effizienzgewinn von fünf bis zehn Prozent realistisch.
Unabhängig vom Testbetrieb auf dem Oval in Miramas ist seit dieser Saison ein Versuchsauto im öffentlichen Einsatz. Als Safety-Car im Moto-GP, der "Königsklasse" des Motorrad-Sports, dreht ein schwarzes BMW M4-Coupé seine Runden. Er führt seinen Wasservorrat in einem im Gepäckraum untergebrachten Fünfliter-Behälter mit, der bei jedem Tankstopp aufgefüllt werden muss.
Quelle: ntv.de