Leben

Ein Ausflug in die Vergangenheit Eine Zeppelin-Kutschfahrt durch die Lüfte

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Nicht die Karibik, sondern der Bodensee - und der Schatten ist kein Wal, sondern ein Zeppelin.

(Foto: plittger)

Unser Autor hat am Bodensee einen modernen Zeppelin bestiegen und sich gefühlt wie vor 100 Jahren, als Luftschiffe zum ersten Mal zwischen Deutschland und Amerika verkehrten. Sogar die Preise sind noch so abgehoben wie damals.

Es ist ein "Ausflug", der den Namen verdient - wenn das Fliegen zum Ziel wird statt irgendeine Ankunft. Dann hebt man langsam ab und bewegt sich in niedriger Höhe und ohne großes Tempo über der Erde, die nicht auf geografische Muster und die totale Makrobetrachtung unserer Existenz reduziert wird, sondern die sich darbieten kann wie das perfekte Miniaturwunderland. Möglich machen solche Ausflüge die Fluggeräte der Vergangenheit. Und weil man weder abstürzen möchte wie Ikarus oder Otto Lilienthal noch nass werden, wenn es regnet, wie die aufgeblasenen Nachfahren des Montgolfière, empfiehlt sich ein sogenanntes Luftschiff. Eins, das nicht mit Wasserstoff betrieben wird, versteht sich.

Es ist also ein moderner Zeppelin - "Neue Technologie", kurz: NT - der an einem sonnigen Sommertag von Friedrichshafen aus abhebt, eine Schleife über den Bodensee dreht und dabei auch kurz über die Schweiz fliegt. Dabei muss im Namen des Fortschritts klargestellt werden, dass hier niemand mehr von "fahren" spricht - so wie in den zigarrenförmigen Luftschiffen der Vergangenheit und wie noch heute in einem Heißluftballon. Es ist eine sprachliche Gewohnheit, die sich aus dem Gewicht ergibt: Luftfahrzeuge, die durch ihre Gasfüllung leichter sind als Luft und die deshalb von alleine aufsteigen, "fahren". Der Zeppelin NT, der mit einem Gewicht von 350 Kilogramm startet, bewegt sich mithilfe von drei Motoren in die Höhe - und er fliegt.

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Imposant, oder?

(Foto: plittger)

Damit zählt der Zeppelin NT zu den Flugzeugen - was sich auch im Motto seiner Reederei widerspiegelt, der "Zeppelin Luftschifftechnik GmbH & Co. KG": "Die schönste Art zu fliegen". Zugleich fühlt man sich der Tradition der berühmten Luftfahrzeuge von einst und ihres Namensgebers verpflichtet, dem Grafen Ferdinand von Zeppelin. Er war zwar nicht ihr wahrer Erfinder, aber er sollte sie zu Weltruhm fliegen, fahren und führen. Er wird weiterhin als Gründer des Unternehmens geführt.

Wie der Ritt auf einem romantischen Fabeltier

Das erste Mal – hätten Sie es gewusst? – war es im Jahr 1900, als ein Zeppelin abhob: der "LZ1", wie er von Anfang an in ordentlicher preußischer Manier nummeriert wurde. Dabei war das Konzept oder vielmehr die Fantasie des Grafen alles andere als rational und nüchtern. Noch heute kann man es im "Nachfahren" der alten Zeppeline spüren, dass sie aus einer völlig anderen Zeit stammen – einer romantischen nämlich –, als die Sehnsucht nach magischen Momenten noch groß war. So bereiteten die Zeppeline der wilhelminischen Zeit den Menschen nicht Angst wie Jahrzehnte zuvor die ersten Eisenbahnen. Obwohl sie viel gefährlicher waren, was in zahlreichen Abstürzen endete. Sie faszinierten nicht mit mechanischer Kälte und technischer Effizienz, sondern wurden vielmehr betrachtet und bejubelt wie Fabeltiere mit einer Seele, die einluden zu einem Ritt durch die Wolken – selbstverständlich im Sonntagsanzug und bald schon bei Kaffee und Kuchen.

Diese Tradition endete mit dem Ersten Weltkrieg, als deutsche Zeppeline auf einmal genutzt wurden, um lautlos Bomben zu transportieren und Menschen – vor allem in England – zu töten. Es war der Moment, in dem die Seele der Zeppeline ihre Schattenseite offenbarte und die Ingenieure auf völlig neue Ideen brachte, indem man die alte magische Vision mit fortschrittlichster Technologie und später auch mit dem reduzierten progressiven Design des Bauhauses kombinierte. Erst diese Ambivalenz ermöglichte den ganz großen und globalen Ausflug der deutschen Luftschiffe – der bis zum furchtbaren Absturz von "LZ 129 Hindenburg" im US-amerikanischen Lakehurst im Jahr 1937 andauern sollte.

Ein strahlendes Symbol für Deutschland

Der sprichwörtliche Architekt dieser Ära war Hugo Eckener, ein Mann, der zunächst als Journalist und Psychologe tätig gewesen war, bis Graf Zeppelin in ihm die Talente entdeckte, die Eckener in den 1920er Jahren zu einem der fähigsten Unternehmer und daheim wie in aller Welt zum beliebtesten Deutschen machten – und der 1932 sogar kurz als ein Gegenkandidat von Adolf Hitler ins Spiel gebracht wurde.

Eckener hatte die kulturelle, die geschäftliche und die politische Dimension der Zeppeline erkannt, und er verstand sie auf allen drei Ebenen zu einem in Silber strahlenden Symbol der Weimarer Republik zu machen – und nicht zuletzt auch wieder zu einem Exportschlager "made in Germany". Nachdem seit Beginn des Jahrhunderts mehr als 120 Zeppeline gebaut worden waren, gelang Eckener im Jahr 1922 mit dem Auftrag für den "LZ 126" ein Coup: Er verkaufte den Zeppelin an die USA, indem er ihn mit ausstehenden Reparationszahlungen von 1,2 Millionen Reichsmark für den Krieg verrechnete. Der Deal war sportlich und gefährlich, aber er war möglich: Erst mit Auslieferung eines voll flugfähigen Luftschiffs durch die Zeppelinwerke am anderen Ende des Atlantischen Ozeans war eine Restzahlung fällig. Andernfalls bürgte der deutsche Staat für die gesamte Summe.

30.000 Euro für einmal Frankfurt - New York

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Wo sind denn hier die Notausgänge?

(Foto: plittger)

Der Plan verlief erfolgreich und stellte die Ankunft jenes später "Los Angeles" getauften Zeppelins am 15. Oktober 1924 den Anfang des ersten transkontinentalen Passagierverkehrs durch die Luft dar. Mit dem rasch danach gebauten "LZ 126 Graf Zeppelin" wurde ab 1928 ein Linienfahrplan eingeführt, der Menschen und manchmal auch Autos und Klaviere in heute unvorstellbaren 200 bis 300 Metern über dem Ozean zwischen Friedrichshafen und Brasilien sowie zwischen Frankfurt und New York transportierte. Die sogenannte "Weltfahrt" im Jahr 1929, die so spektakulär war, dass der Pressekonzern Hearst die exklusiven Rechte zur Berichterstattung gekauft hatte, machten den Zeppelin zu einem Inbegriff der Globalisierung.

Was von diesen Zeiten ästhetisch übriggeblieben ist, kann man weiterhin im großartigen Zeppelinmuseum in Friedrichshafen bewundern. Davor allerdings sollte man sich das Gefühl gegönnt haben, das sich wie eine "Kutschfahrt durch die Lüfte" beschreiben lässt, und das nur ein Ausflug in einem Zeppelin NT ermöglicht – wenn auch ohne Kaffee und Kuchen und schon gar nicht mit Grand Piano und in Erste-Klasse Kabinen. Nur die Preise sind vergleichbar mit der Vergangenheit: 250 Euro für 30 Minuten. Das macht rund 30.000 Euro für 60 Stunden – so lange dauerte eine Atlantiküberquerung vor 100 Jahren im Zeppelin.

Hinweis: In einer früheren Version war davon die Rede, dass Zeppeline ausschließlich fahren. Früher war das so, inzwischen fliegen sie. Wir haben das korrigiert.

Quelle: ntv.de

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