Aus der Schmoll-Ecke Tarzans Freundin ist von wilden B-Wörtern umgeben


Maureen O Sullivan in der "Tarzan"-Verfilmung von 1936 - umgeben von Dschungel.
(Foto: imago images/Everett Collection)
Humor gilt jetzt als gefährlich. Der WDR warnt vor Otto Waalkes. Die alten "Otto Shows" könnten nämlich stellenweise "heute als diskriminierend betrachtet werden". Unser Kolumnist hat in Folge eins reingeschaut - und rätselt noch immer, was gemeint sein könnte.
Sie wissen, dass früher alles besser war. Etwa die Reisen, als eine Kutsche klimaneutral - über die Flatulenzen der Pferde sehen wir großzügig hinweg - für 100 Kilometer zwei Tage benötigte. Oder die Zahnarztbesuche, als der Doktor noch auf eine örtlich begrenzte Narkose verzichten musste und in einen aufgebohrten Zahn ein erhitzter Messingdraht eingeführt wurde, um das Loch mit Blei aufzufüllen. Oder der Barbier zog ihn gleich mit einer Zange in hygienisch fragwürdigem Zustand.
Hilfe, er hat gebohrt! Drei Tage ausruhen ging früher nicht, obwohl alles besser war. Krankschreibung bei vollem Lohnausgleich gab es nicht, die Krankenversicherung für Arbeitende - damals noch politisch unkorrekt "Arbeiter" genannt - hat der Reichstag erst 1883 beschlossen, übrigens auf Initiative von Otto von Bismarck. Seine Denkmäler müssen wir trotzdem abreißen, weil seine Missetaten viel schwerer wiegen als Goldmünzen und Diamanten, die in Deutschland von Nachfahren kolonial Unterdrückter aus Berliner Museen oder Grünen Gewölben gemopst werden.
Das war in einer Zeit, als sich Kaiser und Könige nicht um kleinbürgerliche Existenzängste scherten und den Kontakt zum Fußvolk mieden. Den "Bürgerdialog" erfand erst später König Olaf der Unklare, Anführer der gebärenden Person - vormals politisch unkorrekt "Mutter" genannt - aller Fortschrittskoalitionen. Ihm ist der Kontakt zum Otto-Normalverbrauchenden - vormals politisch unkorrekt "Otto-Normalverbraucher" genannt - wichtig, so scheint es jedenfalls, damit er dem Volke seine Politik erklären kann.
Früher, als alles besser war, wurde gar nichts erklärt, da wurden die Steuern einfach erhöht, ohne dass das Volk über die Parlamente Mitspracherechte hatte und im Internet diskutieren konnte. Jetzt machen alle mit. Die Deutschen, das klügste Volk der Welt, haben sich zur Allwissenheit emporgeschwungen. Die 83,2 Millionen Einwohnenden - vormals politisch unkorrekt "Einwohner" genannt - zwischen Flensburg und Füssen wissen über alles Bescheid, können über alles mitreden, sobald sie des Deutschen mächtig sind, und haben von allem Ahnung. Auch über den Journalismus, wie er auszusehen hat. Im Gegensatz zu Journalisten wie mir. Ein Leser, offenkundig kein Fan meiner Ergüsse, schickte mir einen Link zu einem Werk eines Kollegen, damit ich sehe, wie "wahrer Journalismus" geht "und nicht wie die Stream Medien heute schreiben, blah blah Geschichten".
Eine Heilige, die nicht fliegen kann
Ich bin also überführt. Überführt ist auch die Heilige Annalena. Nun wissen wir, dass sie nicht nur nicht in der Lage ist, über Wasser zu gehen. Sie kann auch nicht fliegen. Das hat die Abendlandverteidiger in ihrer Meinung bestärkt, dass die Heilige Annalena in Wahrheit eine Scheinheilige ist. Stichwort Doppelmoral. Ist für Klimaschutz und fliegt. Ist für Umweltschutz und lässt Kerosin ab. So nicht! Und die Grünen? Auch überführt. In der Vulkaneifel eine Messstelle fordern, die das Ausmaß der Kerosinabwürfe aus Flugzeugen feststellt, aber im Regierungsflieger sitzend tatenlos zusehen, wie der Pilot Kerosin ablässt - scheinheilig. Der Heiligen Annalena geht sicheres Landen vor Klima- und Umweltschutz - scheinheilig. Überführt!
Überhaupt: Muss eine Außenministerin fliegen, um am anderen Arsch der Welt in einer Grundsatzrede die deutsche nationale Sicherheitsstrategie zu erklären? Wollen die Einwohnenden von Australien wirklich wissen, was wir tun, wenn der Russe am Brandenburger Tor steht? Vor dem gescheiterten Abflug nach Australien sagte die Heilige Annalena: "Geografisch mögen wir füreinander auf der anderen Seite des Globus liegen - unsere gemeinsamen Werte und ein gemeinsamer Blick auf die Welt verbinden uns auf das Engste." Ist das so? Deutschland schiebt überhaupt keine Flüchtlinge ab. Australien karrt sie auf das Inselchen Nauru, 3330 Kilometer von Brisbane entfernt, 21 Quadratkilometer groß, neun weniger als Oberammergau und frei von Passionsspielen sowie Integrationskursen.
"Aufgrund der letzten Tage bitte ich alle Bürger, in den nächsten Jahren weder zu fliegen noch Auto zu fahren", schreibt der "Parodie"-Kanal der Heiligen Annalena auf Twitter, das jetzt Twix oder X oder so ähnlich heißt, und findet diesen Kalauer offenbar witzig. Gähn. Früher war wirklich alles besser. Auch der Humor. Lustig ist die Realität, weil Ernstes neuerdings komisch wirkt. Der WDR warnt vor Otto Waalkes. Der Sender blendet vor den alten Folgen der "Otto Show" ein: "Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden." Damit man das versteht, wird der Text auch vorgelesen.
"Einen Applaus für meinen kleinen Stuhlbringer"
Ich habe in Folge eins von 1973 reingeschaut, um rauszufinden, was heute als diskriminierend gelten muss. Vielleicht, dass eine Frau für zwei Sekunden in einem Playboy-Bunny-Kostüm die Dienerin macht, weil das suggeriert, dass Frauen Häslein sind, die Männer bedienen und zum Spielen da sind? Otto sagt: "Einen Applaus für meinen kleinen Stuhlbringer." Ist zu erwarten, dass Männer, die Stühle bringen und gar nicht klein sind, Beschwerden einreichen? Tarzans Freundin Jane ist (angeblich - alles nur Spaß) "von wilden Buschmännern umgeben". Müsste es politisch korrekt heißen: Tarzans Freundin Jane ist von wilden B-Wörtern umgeben?
Gegendert wird auch nicht. Noch schlimmer: Zwei Frauen werden als "die beiden Gewinner" vorgestellt, einfach ohne die weibliche Endung "innen". Weil die zwei Frauen nicht die Nationalhymne erkennen, könnten Frauen allgemein als blöd durchgehen, was in der Tat diskriminierend wäre. Dabei ist eine von beiden doch nicht blöd. Denn nach einem Hinweis in Form einer Deutschlandfahne, die Otto aus der Hosentasche zieht, löst sie das Rätsel und gewinnt einige Tausend D-Mark, die es in Zeiten vor dem Euro gab, als alles besser und billiger war und man noch ohne schlechtes Gewissen die Wohnung heizen und Fleisch grillen durfte.
Otto Waalkes reagierte laut "Bild"-Zeitung auf die WDR-Warnung mit einem anderen Hinweis: "Die 'Otto-Show' kann bei Konsumenten zu unkontrollierbaren Heiterkeitsausbrüchen und Lachmuskelkater führen." Früher war alles besser. Auch der Humor von Otto.
Quelle: ntv.de