Essen und Trinken

Wien mit Herz und James Bond Wie Stefanie zur "Herknerin" wurde

"Zur Herknerin": Wiener Wirtshaus mit Gemütlichkeit. Da kommt Sehnsucht auf!

"Zur Herknerin": Wiener Wirtshaus mit Gemütlichkeit. Da kommt Sehnsucht auf!

(Foto: Olivia Wimmer/Brandstätter Verlag)

Die Wienerin Stefanie Herkner studiert Kulturmanagement in London, doch tief drinnen in der Wirtshaustochter nagt der Hunger nach den Gerichten ihrer Kindheit und der väterlichen Küche. Mit 30 macht sie Nägel mit Köpfen. Ihr Lokal ist heute der Hotspot für echte Wiener Küche. Ihre Lieblingsrezepte verrät sie in ihrem ersten Buch.

Bei der Wienerin Stefanie Herkner ist das Kochlöffelschwingen genetisch bedingt: Ihr Vater Heinz war in den 70er- und 80er-Jahren eine Kochikone, erst mit Wiener Küche auf Hauben-Niveau, später dann in seinem eigenen Wirtshaus "Zum Herkner" mit exzellenter Hausmannskost. Dennoch nahm sie selbst den Kochlöffel erst nach Umwegen in die Hand, aber die Gene ließen sich nicht verleugnen. Das weiß wohl ein jeder von uns: Der Weg von der Wiege zum Erwachsenenleben ist mitunter steinig, gepflastert mit Irr- und Umwegen. Darüber und wie die Wirtstochter Steffi zur "Herknerin" wurde und heute nicht mehr aus der Wiener Wirtshausszene wegzudenken ist, schreibt Stefanie Herkner in ihrem Buch "Wiener Küche mit Herz". Erschienen ist das Buch mit dem Untertitel "Meine Klassiker und Lieblingsrezepte aus der Kindheit" im Brandstätter Verlag.

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Wiener Küche mit Herz: Meine Klassiker und Lieblingsrezepte aus der Kindheit. Die österreichischen Wirtshaus-Rezepte der Herknerin: Grießnockerl, Knödel, Tafelspitz, Sarma
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Das Buch schaut ein bisschen aus wie ein Kochbuch von Oma in den 50ern: Einband, Aufmachung, Fotocollagen und besonders die kleinen witzigen Illustrationen sorgen für diesen Eindruck. Auf 200 Seiten gibt's ursprüngliche Wiener Küche, jedoch nachhaltig und zeitgemäß interpretiert. "Gewürzt" werden die Rezepte - Vorspeisen, Suppen, Hauptspeisen, Nachspeisen, Drinks - mit G'schichten aus Stefanies Leben. Kalorienwerte und andere Nährwertangaben sucht der Schlankheitsfanatiker hier vergebens - Wiener Küche ist keine für Hungerhaken! So viel Tradition müssen wir schon aushalten. Die Zutaten gibt's locker auch hierzulande, einzig das Sarmakraut erfordert eventuell ein wenig Suche. Diese im Ganzen gesäuerten Weißkohlköpfe sind notwendig für die Zubereitung der gleichnamigen leckeren Krautrouladen, besonders in Balkanländern beliebt und dort von deutschen Urlaubern gern verputzt. Inzwischen gibt es Sarmakraut auch in einigen deutschen Supermärkten, entweder als ganze Köpfe eingeschweißt oder schon entblättert im Glas. In Großstädten wird man zudem in türkischen oder kroatischen Feinkostläden fündig. Und dann gibt es ja noch dieses Internet.

Sprachliche Verwirrungen

Echt Wiener Charme. Immer ein bisschen zweideutig ...

Echt Wiener Charme. Immer ein bisschen zweideutig ...

(Foto: Olivia Wimmer/Brandstätter Verlag)


Damit wir "Piefkes" beim österreichischen Deutsch nicht allzu dumm aus der Wäsche gucken und Sie nicht meinen peinlichen Fehler bei meinem ersten Wien-Besuch nachmachen, enthält das Buch eine Übersetzungshilfe - auch Staubzucker statt Puderzucker ist dankenswerterweise dabei. Ich habe seit meinem vollen Tritt ins österreichische Fettnäpfchen von vor Jahren immer wieder dazu gelernt, aber der "Dolmetscher" in Stefanie Herkners Buch hält auch für mich überraschend Neues bereit: Russen! Wer meint, hier irgendeine Diskriminierung oder Herabwürdigung zu entdecken, der irrt gewaltig. Ein Wiener jedoch, der in einem Berliner Restaurant "Russen mit Erdäpfel-Mayonnaise-Salat" (im Buch auf Seite 29) ordert, riskiert möglicherweise einen Rausschmiss. Dieser Fauxpas dürfte weitaus weniger lustig sein als meine "gepuderten Damen" von dazumal.

Hier die Auflösung des sprachlichen Rätsels: "Als Kronsild, Kronsillinge, Kronsardinen oder Russische Sardinen werden junge, in einer Marinade eingelegte Heringe bezeichnet. Die ausgenommenen Heringe werden nicht entgrätet, aber geköpft", weiß Wikipedia. Es handelt sich also um Russische Sardinen. Die heißen so, weil diese kleinen Heringe früher nur im russischen Meer gefangen wurden; die Bezeichnung "Russen" dafür ist nur in Österreich gebräuchlich. Bei uns heißen sie Kronsild. Diverse österreichische Übersetzungshilfen geben für Russen jedoch Bismarckheringe an, auch im vorliegenden Buch. Genaugenommen sind Bismarckheringe aber die eingelegten fleischigen Filets größerer Heringe. Ganz ehrlich: Ob sie Russen, Kronsild oder Bismarckheringe genannt werden - es sind Fische, die in Marinade schwimmen, und es ist sozusagen wurscht, wofür Sie sich entscheiden.

Kilometer zwischen Kunst und Küche

Die Geschichte von Stefanies Wirtshaus "Zur Herknerin" beginnt eigentlich schon vor ihrer Geburt, denn Heinz Herkner verliebte sich in Sarika - natürlich in einer Restaurantküche. Wo sonst? "Als Resultat dieser Liebe sah ich ihnen bald von einem kleinen Holzsesserl aus - das zwischen riesigen Suppentöpfen in der winzigen Küche des Herkner-Wirtshauses stand - beim Schneiden, Kochen, Braten und Servieren zu", schreibt Stefanie Herkner in ihrem Buch. Andere Familie wanderten im Urlaub in Tirol oder sonnten sich am Mittelmeer - Herkners machten kulinarische Ferien, zum Beispiel beim Kochpapst Paul Bocuse in Frankreich. Da war Stefanie sieben Jahre alt.

Beim Rezept zum berühmten Tafelspitz verrät Stefanie Herkner auch vier Zubereitungen für die Beilagen.

Beim Rezept zum berühmten Tafelspitz verrät Stefanie Herkner auch vier Zubereitungen für die Beilagen.

(Foto: Olivia Wimmer/Brandstätter Verlag)

In Kindheit und früher Jugend gab es für das Mädchen zwei Anker: das väterliche Wirtshaus im Wiener Stadtteil Dornbach und den Bauernhof der Großmutter in Slowenien, wo Mama Sarika ihre Wurzeln hat und Stefanie stets Ferien machte, "auch wenn es nicht unbedingt Ferien waren, sondern harte Arbeit". Doch sie genoss diesen Ausgleich zu Schule und Großstadt. Sie wollte sogar Bäuerin werden; als Teenager verabschiedete sie sich schmerzlos von diesen kindlichen Vorstellungen. Dennoch ist sie heute froh, damals diese Erfahrungen auf Äckern und in Ställen gemacht zu haben. Das Wissen der Oma und deren Wirken auf dem Hof, all das hat Stefanie geprägt. Omas Rezepte hegt und pflegt sie als "Herknerin" noch heute. In Papas Wirtshaus "Zum Herkner" wurde sie manchmal zum Servieren eingeteilt ("... wenn ich Glück hatte ..."), quatschte mit den Stammgästen, unter anderem Peter Alexander, und "kassierte, ob meines Alters, natürlich das beste Trinkgeld".

Man sollte meinen, eine solche Kindheit gibt den Werdegang vor, aber Heinz und Sarika hatten "Besseres" mit ihrer Tochter vor: Nur nicht die Schufterei in der Gastronomie! Mit diesem Leitsatz wuchs Stefanie auf, es folgten Matura (Abitur) am Lycée, Wiens französischer Schule, Kulturmanagement-Studium in London. Schwerpunkt: zeitgenössische chinesische Kunst. Dann Arbeit für Galerien und Museen, viele Reisen quer durch die Welt. Mit 30 war sie dennoch unglücklich, denn der "buchstäbliche Hunger nach den Gerichten meiner Kindheit" war nie verschwunden und nagte an ihr. Sie wollte ihr eigenes Wirtshaus! Mama Sarika zeterte (Vater Heinz war gestorben, als Stefanie 14 war), aber alle Freunde und Bekannte hatten es schon immer gewusst, nur sie selbst nicht: Das Wirtshauskind Steffi wird irgendwann ein eigenes Lokal aufsperren!

Wiener Charme inklusive James Bond

Bevor es 2013 so weit war, ging sie in die harte Lehre einer Köchin, denn Gastro-Küche ist eine wahre Tretmühle und noch immer eine Macho-Domäne. Stefanie biss sich mit der ihr eigenen Hartnäckigkeit durch und die skeptische Mama begriff, "dass all die Warnungen vor der Gastronomie nicht gefruchtet hatten". Von da an stand sie ihrer Tochter zur Seite - bis heute. "Alles, was ich mit meinem Team in meinem Wirtshaus koche und serviere, trägt die Handschrift meiner Eltern - und indem ich meiner Mama jetzt wieder beim Kochen über die Schulter schauen kann, habe ich den Feinschliff erhalten, der mich erst zur HERKNERIN gemacht hat."

James Bond dürfte sich freuen: Stefanies Martini-Cocktail wird selbstverständlich geschüttelt.

James Bond dürfte sich freuen: Stefanies Martini-Cocktail wird selbstverständlich geschüttelt.

(Foto: Olivia Wimmer/Brandstätter Verlag)

Diese Handschrift bedeutet: mit viel Herz zubereitete Gerichte, ohne Schnickschnack - einfach, ehrlich und authentisch. Stefanies ganz persönlicher Pfiff in den Rezepten fehlt dennoch nicht. Sehr amüsant zu lesen, wieso der uns allen bekannte James-Bond-Cocktail Eingang in ein wienerisches Kochbuch fand. Denn die Autorin wuchs zwar zwischen Krautwickel und Gießnockerln auf, aber die Atmosphäre in der berühmten Wiener Loos-Bar zog sie schon mit 16 magisch an. Damals versteckte sie sich mit ihren Freundinnen heimlich in der Bar, später als Studentin in London machte sie legal Bekanntschaft mit einem Martini-Cocktail: "... das Beste, was ich je getrunken habe." Danach gab es kein Halten mehr. Auf ihren Reisen als Kunstsachverständige quer durch die Welt analysierte sie sich durch die Welt der Martinis. Und so fehlt in ihrem Buch "Wiener Küche mit Herz" auch der Martini-Cocktail nicht, versprüht er doch "für mich denselben mondän-genussvollen Charme, den ich auch an der Wiener Küche so schätze. ... Und wenn eines Tages James Bond bei der Tür hereinkommt, dann bin ich bestens vorbereitet!" Das Rezept für ihren "Dirty Wodkatini" verrät sie uns im Buch.

Stefanie (r) und Mama Sarika (2.v.l.) haben Spaß beim Kochen mit ihrem Team - trotz der harten Arbeit in der Gastronomie.

Stefanie (r) und Mama Sarika (2.v.l.) haben Spaß beim Kochen mit ihrem Team - trotz der harten Arbeit in der Gastronomie.

(Foto: Olivia Wimmer/Brandstätter Verlag)

Stefanies Wirtshaus "Zur Herknerin" im 4. Wiener Bezirk unweit vom Naschmarkt ist einerseits eine Hommage an den Vater und trägt andererseits die Handschrift der Tochter. Entstanden aus einem alten Installateurgeschäft - die Aufschrift "Installationen" aus den 50er-Jahren ist geblieben und erinnert an den Ursprung - ist das Lokal längst Hotspot der echten Wiener Küche. Mit Wohnzimmeratmosphäre, Flohmarkt-Kram, Papas alter Speisekarte mit Schillingpreisen an der Wand. Und das Ganze getoppt vom bekannten Wiener Designer Tino Valentinitsch, der nicht nur adidas und Versace designt: Seine Logos zieren nun auch Stefanies Wirtshaus und ihr Buch "Wiener Küche mit Herz": witzig, ein wenig frivol, ganz Wiener Charme - eben frech und a bissl derb.

Ich habe aus der Vielfalt für Sie vier Rezepte ausgewählt. Damit es auf Anhieb beim Nachkochen klappt, ein kleiner Auszug aus der "Übersetzungshilfe":

Garniert mit Dille: Im Buch gibt's noch ein Rezept für weißen Heringssalat.

Garniert mit Dille: Im Buch gibt's noch ein Rezept für weißen Heringssalat.

(Foto: Olivia Wimmer/Brandstätter Verlag)

speckige Erdäpfel = festkochende Kartoffeln
Russen = Bismarckheringe [oder Kronsild]
Dille = Dill
Nockerl = a) Knöpfle, Spätzle; b) (meist mit einem Löffel) aus einer weichen Masse ausgestochene Form
Kren = Meerrettich
Schopf = Nacken
Biskotte = Löffelbiskuit
Schlagobers = Schlagsahne
zustellen = aufsetzen

Heringssalat rot

Zutaten (Für 4 Personen):

250 g Rote Rüben
Salz
200 g speckige Erdäpfel
200 g Matjesfilets
200 g Russen
1 Apfel
2 EL Essiggurkenwasser
2 EL Sauerrahm
3 EL hausgemachte Mayonnaise (S. 29)
Pfeffer
evtl. 1 Schuss Einlegeflüssigkeit von den Russen
Dille

Zubereitung:
Rote Rüben in Salzwasser kochen, schälen und würfelig schneiden. Erdäpfel in Salzwasser kochen, lauwarm schälen und würfelig schneiden. Matjes und Russen in Streifen schneiden. Apfel schälen und würfelig schneiden.

Alle genannten Zutaten in eine Schüssel geben und mit Gurkenwasser marinieren. Sauerrahm und Mayonnaise untermischen. Salzen und pfeffern, falls mehr Säure nötig ist, Einlegeflüssigkeit von den Russen dazugeben. Mit Dille garnieren.

Grießnockerl

Zutaten (Für 4 Personen):

Salz
Butter
Hartweizengrieß
1 Ei
1 Ei abwiegen - Gewicht des Eies bestimmt das Gewicht von Butter und Grieß
Menge Grieß = doppelt so viel wie Ei
Menge Butter = gleich viel wie Ei

Zubereitung:
Einen Topf mit Wasser zustellen und das Wasser leicht salzen. Butter schmelzen, vom Herd nehmen und leicht abkühlen lassen.

Grieß und Ei einrühren, Masse 1-2 Minuten anziehen lassen, mit 2 Suppenlöffeln zügig Nockerl formen und direkt vom Löffel ins kochende Wasser gleiten lassen.

Mit Deckel 15 Minuten kochen, dann zum Aufquellen 20 Minuten zur Seite stellen.

Tipp: 1 Ei ergibt je nach Gewicht 10-15 Nockerl.

Krenfleisch

Zutaten (Für 4 Personen):

750 g Schweineschopf oder Schweinsschulter
2 Lorbeerblätter
10 Pfefferkörner
2 EL Apfelessig
Salz
500 g speckige Erdäpfel
2 Karotten
¼ Sellerie
½ Stange Kren
Schnittlauch

Zubereitung:
Das Fleisch im Ganzen in einem Topf mit Wasser bedecken und mit Lorbeer, Pfefferkörnern, Essig und Salz ca. 45 Minuten weichkochen. Wenn das Fleisch weich ist, den Topf zur Seite stellen und das Fleisch mindestens 1 Stunde auskühlen lassen.

Inzwischen Erdäpfel schälen, waschen und in Salzwasser weichkochen.

Karotten und Sellerie in Julienne schneiden und kurz in kochendem Wasser weichblanchieren. Abseihen und mit kaltem Wasser abschrecken.

Das gekochte Fleisch in grobe Stücke schneiden und gemeinsam mit den Gemüsestreifen im Kochsud erwärmen. Mit frisch geriebenem Kren und Schnittlauch anrichten, die Salzerdäpfel dazu servieren.

Biskottencreme

Zutaten (Für 4 Personen):

2 Blatt Gelatine
1 Pkg. Vanillepudding
500 ml Milch
2 EL Zucker
Prise Salz
500 ml Schlagobers
1 Schuss Rum
200 g Biskotten
200 ml kalter Kaffee
geschlagenes Schlagobers zum Servieren
Eierlikör zum Servieren (optional)

Zubereitung:
Gelatine in kaltem Wasser einweichen. Vanillepudding nach Anleitung mit Milch, Zucker sowie Salz zubereiten. Die Gelatine aus dem Wasser nehmen und in die warme Pudding-Masse einrühren. Von der Flamme nehmen und auskühlen lassen.

Schlagobers halbsteif schlagen und mit dem Rum unter die kalte Puddingmasse heben. Alles gut vermengen, sodass eine Creme entsteht.

Boden einer Form mit einer Schicht Creme bedecken. Biskotten kurz in den kalten Kaffee eintunken und auf die Creme legen. Alles wiederholen, bis die Form voll ist, zum Schluss mit einer Schicht Creme überdecken (wie bei einem Tiramisu). Die fertige Creme über Nacht im Kühlschrank stehen lassen.

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(Foto: Olivia Wimmer/Brandstätter Verlag)

Mit einem Löffel ausstechen und mit geschlagenem Schlagobers anrichten. Wer möchte, kann noch 1 Schuss Eierlikör über die Creme gießen.

Tipp: Meine Mama verwendet am liebsten italienische Biskotten, weil diese dicker und flaumiger sind. Die restlichen Krümel und den Zucker aus der Biskotten-Packung rührt sie vor dem Kaltstellen in die Creme ein.

Viel Freude beim Lesen und Nachkochen oder beim Knödel-Seminar bei Stefanie Herkner wünscht Ihnen Heidi Driesner.

Quelle: ntv.de

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