Panorama

"Kabinett" - ein Sommerhit 30 köstliche Rieslinge für heiße Tage

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Unser Autor hat sich einiges durch den Kopf gehen lassen.

Unser Autor hat sich einiges durch den Kopf gehen lassen.

(Foto: Peter Littger)

Sie gelten in der Welt als einzigartig und typisch deutsch: sogenannte "Kabinett"-Weine aus der hellen Rieslingtraube. Mit relativ wenig Alkohol und süß-sauren Aromen sind sie erfrischend, leicht - und erinnern ans gute alte "Capri"-Eis. Eine Ode auf ein flüssiges Geschenk bei hohen Temperaturen.

Als "tänzelnd" und "strahlend", "frisch" und "animierend" werden sie beschrieben - zuerst in der Nase, dann am Gaumen und schließlich in der Kehle. Es sind Weine, die durch eine Balance aus Zucker und Säure leicht wirken. Dieser Eindruck verstärkt sich durch den geringen Alkoholanteil. Ausreichend gekühlt - ab 8 und maximal 12 Grad Celsius - ist der sogenannte Trinkfluss besonders groß. Außerdem passen sie sehr gut zu scharfem Essen.

"Den Reiz erkennt man daran, wie schnell eine Flasche geleert wird - auch von Menschen, die sich vorher als Gegner restsüßer Weine verstanden haben", sagt Moritz Lueke, "Master of Wine" und Leiter der Vertriebsgesellschaft Grand Cru Select der Wein Wolf Gruppe.

Der Spitzname dieser reizvollen Weine ist "Kabi" - die Abkürzung von "Kabinett". Das geht auf einige Fässer zurück, die im Mittelalter in einem besonderen "Cabinett" der Mönche von Kloster Eberbach lagerten. In diesem 800 Jahre alten Zisterzienserkloster im Rheingau bewirtschaftet das Bundesland Hessen noch heute ein großes Weingut.

Wie das gute alte Capri-Eis

Wer den Geschmack der Kabis unvoreingenommen beschreiben möchte – ohne das Wissen und die manchmal affektierte Sprache von Önologen und Sommeliers - kommt leicht auf einen saftigen, süß-sauren Apfel, Bergpfirsiche aus dem Kühlschrank, Sorbets von Zitronen, Limetten und Pampelmusen oder ein Orangeneis wie das gute alte "Capri"-Eis. Das mag unprofessionell klingen, doch wer jemals am wässrigen Capri gelutscht hat und auf einmal diese Weine probiert, möchte von einem "Caprinett" sprechen.

Die Art, wie Mund und Zunge mit der Süße und der Säure des Weins benetzt und angespitzt werden, kitzelt den Speichel heraus und bildet das "Animierende", was die Profis beschreiben. Das kabinettreife Spiel geht auf, wenn der Wein weder plump süß schmeckt wie Gummibärchen oder Eisbonbons, noch zur Bitterkeit neigt - was auf durch Hitze verbrannte Trauben zurückgeführt werden kann. Je nach Qualität und Machart kommen weitere Aromen heraus: Kräuter, Schokolade, Lakritze, Stachelbeeren, nicht selten Kohl und Umami. So verrückt das alles klingt - es wird noch verrückter, wenn der Schmauch eines Gewehrs oder das Gummi eines Schlauchboots im Geschmacksbild erscheinen. Nichts davon darf dominant sein, stechen oder gar stinken wie Schwefel und faule Eier, Klostein oder Babywindel. Tolle Kabis umhüllen den Saft mit nicht mehr als einem ausgewogenen Hauch ihrer Aromen – und stets mit einer Prise Salz.

Der Trick - die Gärung wird unterbrochen

Die Voraussetzung für einen Kabi ist der Abbruch der Gärung, sodass der Zucker im Traubenmost nicht vollständig in Alkohol umgewandelt wird. Deshalb haben die Weine oft nur 8 oder 9, manchmal 7 und selten mehr als 10 Volumenprozent. Der relativ geringe Alkohol lässt dem Saft genügend Platz, sich geschmacklich zu entfalten. Im Idealfall ähnelt der Wein dem Sommer selbst: dem Wechsel von Sonne und Schatten, von warmen und kühlen Momenten - ohne Schockeffekt. Der perfekte Kabinett ist wie ein Stein, der sich tags langsam erwärmt und in der Nacht wieder abkühlt.

Dass Kabinett-Weine nicht nur einen gänzlich eigenen Weinstil aus Deutschland bilden, sondern auch einen neuen Trend setzen, belegt ihre zunehmende internationale Beliebtheit. Das gilt nicht zuletzt für die teuersten Beispiele: die Weingüter Egon Müller oder J.J. Prüm, die seit langer Zeit Inbegriffe für himmlische Restsüße sind. In den vergangenen Jahren haben sich eine Handvoll Spitzenerzeuger mit neuen, überdurchschnittlich teuren Kabis auf den Markt gewagt. Allen voran Markus Molitor mit seiner Domäne Serrig an der Saar, Ernst Loosen mit dem alten Familienzweig Zach. Bergweiler-Prüm, Roman Niewodniczanski vom Weingut Van Volxem, sowie das zur Oetker Gruppe gehörende Schloss Johannisberg.

Fünf deutsche Kabi-Regionen

Der Rheingau, wo der Kabi-Kult begann, ist eines der fünf von insgesamt 13 deutschen Weinbauregionen, wo die meisten Kabinett-Weine entstehen. Die vier anderen sind der Mittelrhein, die Nahe, Rheinhessen und mengenmäßig allen voran die Mosel mit ihren Nebenflüssen Saar und Ruwer. Dort wurde übrigens 2003 im Weingut Reichsgraf von Kesselstatt die Bezeichnung "feinherb" durchgesetzt. Sie wird heute von vielen Erzeugern ergänzend zu "Kabinett" - und alternativ zu "lieblich" - verwendet.

Sortiert nach den fünf Regionen haben wir - wieder vollkommen uneigennützig - 30 unterschiedliche Kabis getestet und die besonders empfehlenswerten markiert.

MITTELRHEIN

  • Weingut Baer, Steeger Lennenborn (8% Alk.; Ortswein, 2021), €14

RHEINGAU

  • Schloss Johannisberg, Orangelack (10% Alk.; Grosse Lage, 2023), ca. €80
  • Besonders zu empfehlen: Weingut Kaufmann, Rheingau Kabinett (11% Alk.; Gutswein, 2023 oder 2024), €12. Der Bitter-Sweeteste
  • Besonders zu empfehlen: Weingut Josef Spreitzer, Lenchen Kabinett (8,5% Alk.; Grosse Lage, 2023), €12,50. Der Lebhafteste

RHEINHESSEN

  • Besonders zu empfehlen: Weingut Schätzel, Kabinett (7% Alk.; Gutswein, 2023 oder 2024), €14. Der Saftigste
  • Besonders zu empfehlen: Weingut St. Antony, Kabinett Rotschiefer (9% Alk.; Abfüllerwein, 2023 oder 2024), €9,90. Der Preis-Leistungsfähigste

NAHE

  • Besonders zu empfehlen: Weingut Dönnhoff, Kreuznacher Krötenpfuhl (8,5% Alk.; Grosse Lage, 2021 oder jünger), €16. Der Zitronencremigste
  • Weingut Hahnmühle, Alsenzer Elkersberg Kabinett (10% Alk.; Gutswein, 2023), €12,50
  • Besonders zu empfehlen: Weingut Marcus Hees, Auener Römerstich, Riesling Kabinett (9,5% Alk.; Ortswein, 2023), €18,00. Der Trockenste
  • Besonders zu empfehlen: Weingut Emrich Schönleber, Monzinger Niederberg (9,5% Alk.; Erste Lage, 2023), €17,50. Der Orangenfrischste

MOSEL

  • Besonders zu empfehlen: Weingut Nik Weis, Piesporter Goldtröpfchen Kabinett (9,5% Alk.; Grosse Lage, 2023), €19. Der Leichteste
  • Weingut Haart, Piesporter Goldtröpfchen Kabinett (8,5% Alk.; Grosse Lage, 2023), €19
  • Besonders zu empfehlen: Weingut Lenhardt, Mehringer Kabinett (8,5% Alk.; Ortswein, 2023), €10,90. Der Umamigste
  • Besonders zu empfehlen: Schloss Lieser, Juffer Kabinett (8% Alk.; Grosse Lage, 2022 oder jünger), €18. Der Animierendste
  • Weingut Josef Rosch, Klostergarten Kabinett (9% Alk.; Ortswein; 2023), €13
  • Weingut J.J. Prüm, Wehlener Sonnenuhr (8% Alk.; Grosse Lage, 2022, 2023), €38
  • Besonders zu empfehlen: Weingut Günther Steinmetz, Wintricher Geierslay Kabinett (7,5% Alk.; Ortwein, 2023, 2023), €19; Der Strahlendste
  • Besonders zu empfehlen: Weingut Villa Huesgen, Enkircher Steffensberg Kabinett „Feinherb“ (11,5% Alk.; Ortswein, 2023), €14; Der Wermutigste
  • Weingut Vollenweider, Wolfer Goldgrube (8% Alk.; Ortswein, 2023), €19,50
  • Besonders zu empfehlen: Weingut Zach. Bergweiler-Prüm (Dr. Loosen), Wehlener Sonnenuhr Kabinett (9,5% Alk.; Grosse Lage, 2018), €45; Der Bestgereifte

MOSEL – RUWER

  • Weingut Karthäuserhof, Eitelsbacher Karthäuserhofberg Kabinett (9% Alk.; Grosse Lage, 2021 oder jünger), €20
  • Weingut Maximin Grünhaus, Abtsberg Kabinett (7,5% Alk.; Grosse Lage, 2023), €25

MOSEL – SAAR

  • Besonders zu empfehlen: Weingut Le Gallais (Egon Müller), Braune Kupp Kabinett (8,5% Alk.; Grosse Lage, 2017 oder jünger), ab €59; Ein tänzelnder Halbgott
  • Besonders zu empfehlen: Weingut Egon Müller, Scharzhofberger Kabinett (8-9% Alk.; Grosse Lage, 2020 oder jünger), ab €149. Der Göttliche
  • Besonders zu empfehlen: Weingut Forstmeister Geltz Zilliken, Rausch Kabinett (8% Alk.; Grosse Lage, 2020 oder jünger), €22. Der Öligste
  • Weingut Reichsgraf von Kesselstatt, Scharzhofberger Kabinett Feinherb (11,5% Alk.; Grosse Lage, 2020 oder jünger), €19
  • Besonders zu empfehlen: Weingut Van Volxem, Kabinett Réserve Bockstein (8,5% Alk.; Grosse Lage, 2015), €59; Der Üppigste
  • Weingut Van Volxem, Geisberg Kabinett (7,5% Alk.; Grosse Lage, 2023), €21
  • Besonders zu empfehlen: Weingut Von Othegraven, Kabinett Altenberg (8% Alk.; Grosse Lage, 2023), €20,50; Der einfach Schöne
  • Weingut Domäne Serrig (Markus Molitor), Serriger Vogelsang (10,5% Alk.; Ortswein, 2020, 2021), €99

Quelle: ntv.de

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