Komplex, filigran und animierend Deutsche Rieslinge für die Reichen der Welt


Die Menschen trinken immer weniger Wein - trotzdem eine Chance für deutsche Winzer?
(Foto: Funke Foto Services )
Edle Tropfen von Mosel oder Rhein zählen längst zu Deutschlands teuersten Luxusprodukten. Sechs Topwinzer verkaufen erstmals Weine über den Marktplatz von Bordeaux. Sie heißen "Liquid Earth" oder "Monte Nostrum" und sollen in nüchternen Zeiten für mehr internationale Bekanntheit und höhere Preise sorgen.
Während die deutsche Weinwirtschaft insgesamt nüchtern in die Zukunft blickt, durch eine sinkende Nachfrage, überlaufende Keller und eine teils desaströse Ernte 2024, trotzt eine kleine Gruppe von Betrieben demonstrativ der Krise. Sie zählen schon heute zu den bekanntesten Erzeugern teurer Tropfen und sind in aller Welt an Flughäfen, in Geschäften und Restaurants vertreten: die Weingüter Dr. Loosen, Markus Molitor und Günther Steinmetz an der Mosel, Robert Weil und Schloss Johannisberg im Rheingau und Battenfeld-Spanier in Rheinhessen.
Warum Autos und Zigarren, wenn es "Fine Wine" gibt?
Mit neuen Luxusweinmarken und teils auch Fantasienamen wie "Liquid Earth" oder "Monte Nostrum" bedienen sie seit Neuestem den internationalen Markt, um ein ausreichend vermögendes Publikum zu erreichen und hoffentlich zu betören. Der Grund für die Offensive liegt, wie für viele andere Luxusgüter auch, von Autos bis Zigarren, in den relativ großen Erlöschancen des sogenannten Ultrapremiumsegments. Dabei wird das Geschäft mit "Fine Wine" traditionell von französischen, italienischen und seit 30 Jahren auch von US-amerikanischen Weinproduzenten dominiert. Der größte Marktplatz ist längst virtuell. Seinen physischen Ursprung hat er in Bordeaux, woher auch heute noch die meisten gehandelten Weine stammen.
Genau dort - am "La Place de Bordeaux" - tummeln sich nun erstmals in der Geschichte des Weins die sechs genannten Weinerzeuger aus 3 von 13 deutschen Weinbaugebieten. Ihre Vorteile sollen darin bestehen, dass die Preise der eingelieferten Weine festgelegt werden, bevor sie über einen Verbund von 300 Händlern - sogenannte Négociants - in 130 Länder fließen. Im besten Fall sorgt das von Jahr zu Jahr für eine Steigerung der Preise und macht eine eigene internationale Vertriebsorganisation überflüssig, die kostspielig ist, aber oft nicht optimal funktioniert.
Renaissance des deutschen Spitzenweins
Während Battenfeld-Spanier, Loosen, Steinmetz, Weil und Schloss Johannisberg den Handelsplatz vorerst mit wenigen Tausend Flaschen beliefern, ist Markus Molitor der erste und einzige deutsche Winzer, der die gesamte Produktion eines Weinguts in Bordeaux handeln lässt - und das bereits seit September 2023. Vom ersten Jahrgang 2020 seiner rekonstruierten "Domäne Serrig" an der Saar waren es knapp 20.000 Flaschen. Das Potenzial liege mittelfristig bei mehr als 100.000, erklärt Jeremy Quievre gegenüber ntv.de. Er ist Geschäftsführer von "Excellence Vin", einem sogenannten Courtier, der wie ein Notar für die Einführung der Domäne am "Place" bürgt.
Der Schritt der Winzer über Bordeaux kommt in einer Zeit, in der trotz aller Schwierigkeiten im In- und Ausland von der "Renaissance des deutschen Weins" gesprochen und auch geschwärmt wird. Sie bezieht sich auf eine Ära vor 1945, als vor allem Rieslingweine aus Deutschland so begehrt waren, dass sie die Preise von Bordeaux und Burgund übertrafen. Dieser Status ging in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verloren, als industrielle Methoden überhandnahmen und billige überzuckerte Weine wie die "Liebfrauenmilch" international zum Inbegriff von Plörre wurden.
"G-Max" - Vorbild für deutschen Luxuswein
Nach einer Rückbesinnung auf das alte Handwerk des Weinbaus haben sich seit gut 20 Jahren weiße und sogar rote deutsche Weine wieder zu einem Genuss und zu einem immerhin kleinen Faktor am internationalen Luxusmarkt entwickelt. Das gilt für "restsüße" wie "trockene" Weine und spiegelt sich in einer moderaten Preissteigerung wider, die zugleich die stark gestiegenen Kosten decken muss. Nur sehr wenige deutsche Weine erreichen bisher drei- oder gar vierstellige Eurosummen. Ein herausragendes Beispiel ist der "G-Max" des rheinhessischen Winzers Klaus-Peter Keller. Den Geschmack des mehrheitlich aus Trauben des Rieslings bestehenden Weins, dessen genaue Herkunft absichtlich geheim ist, wird von sensorischen Experten regelrecht besungen. Sein Fantasiename leitet sich vom Sohn des Winzers ab, nicht von einem bestimmten "Terroir" - wie es das Weingesetz und die strengen Regeln des Spitzenverbands "VDP" (Verband der Prädikatsweingüter) insbesondere für "Große Gewächse" (GG) verlangen.
Da der "G-Max" nur per Zuteilung, eine Art Bewerbung, zu erhalten ist, ab Weingut bereits mehr als 1300 Euro kostet und auf dem Zweitmarkt manchmal mehr als 3000, braucht er nicht den Umweg über Bordeaux zu gehen. Zugleich strahlt er als Vorbild für eine hedonistische, international begehrte, limitierte und unkonventionelle Luxusweinmarke aus Deutschland, die auch Menschen aussprechen können, die kein Deutsch beherrschen. Drei der sechs deutschen Winzer am "Place" verwenden ebenfalls Fantasienamen: Battenfeld-Spanier "Liquid Earth", Robert Weil "Monte Nostrum" und Schloss Johannisberg "Goldlack" und "Orangelack". Ernst Loosen, Eigentümer von Dr. Loosen, macht es unterdessen etwas komplizierter, indem er für drei neue (und köstliche!) Weine die Marke "Zacharias Bergweiler Prüm" seiner Vorfahren wiederbelebt. Lediglich der Winzer Stefan Steinmetz verwendet den Namen seines Weinguts Günther Steinmetz und dazu typisch deutsche Lagenbezeichnungen: "Piesporter Treppchen" und "Wintricher Geierslay".
Mit Riesling die massive Krise von Bordeaux ausnutzen
Unterdessen haben alle sechs Winzer denselben Plan: Sie wollen die fundamentale Krise nutzen, in die das System von Bordeaux geraten ist. Das klingt zunächst paradox, weil das Problem in einem massiven Überangebot von Luxusweinen besteht, die genau genommen schon jetzt niemand mehr austrinken kann. Eine Ursache dafür ist der Klimawandel, der die Zahl ertragreicher, hochwertiger Jahrgänge gesteigert hat, sodass es praktisch kaum noch das gibt, was früher "schlechte Jahre" waren - im 20. Jahrhundert manchmal acht oder neun in einem Jahrzehnt. Deshalb werden nicht nur in Bordeaux immer größere Lager gebaut. Verstärkend hinzu kommt eine anhaltende Preisgier der Güter. Angeheizt wird dieses marktfeindliche Klima durch den weltweiten Trend zu weniger Alkoholkonsum.
Aber genau darin soll die Chance für die deutschen Produzenten liegen, die ausschließlich Rieslingweine in Bordeaux platzieren. Diese traditionell deutsche Traube, die offenbar zum ersten Mal vor rund 650 Jahren um das Schloss Johannisberg angepflanzt wurde, ist ausgesprochen aromatisch. Kenner sprechen von "komplex", "filigran" und "animierend". Sie lebt von einem ausgewogenen Spiel aus Säure, Gerbstoffen und Zucker - wenn sie gut vinifiziert wird. Konsumenten empfinden das als leicht. Besitzen Rotweine heute bis zu 15 Prozent Alkohol, sind es in deutschen Rieslingen selten mehr als 12,5 Prozent und wenn sie den Zucker nicht vollständig vergoren haben, etwa als "Kabinett" oder "Auslese", nur 11 oder 9 Prozent.
Die Gewinne sprudeln daheim
Ob sich die neue deutsche "La Place"-Welle lohnt, bleibt abzuwarten. Zunächst müssen alle sechs Weingüter Provisionen, also Preisabschläge, von bis zu 200 Prozent in Kauf nehmen. Andererseits wurden ihre Weine vollständig vom Marktplatz angenommen. Den "Place" zu betreten, sei "eine große Investition", betont Molitors Courtier Quievre.
Immerhin: Für die beiden Serriger Weine von Markus Molitor sind die Preise für den zweiten, bereits gehandelten Jahrgang 2021 stabil: Die "Vogelsang Große Lage" kostet wie im Vorjahr 200 Euro, der "Vogelsang Kabinett" 100 Euro. Da die Preise bindend sind, muss sie Molitor auch in seiner eigenen Vinothek verlangen. Greifen die Hedonisten betört zu, sprudeln wenigstens dort die Gewinne.
Quelle: ntv.de