Brückenabriss in Genua Arbeiter isolieren ersten Morandi-Pfeiler
10.02.2019, 09:44 Uhr
Genua und das Symbol der Brückenkatastrophe: Allein der herausgetrennte Fahrbahnabschhnitt wiegt knapp 1000 Tonnen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der Abriss der Unglücksbrücke liegt im Plan: Am Wochenende können Experten das erste tonnenschwere Bauteil aus dem teilweise eingestürzten Autobau-Viadukt in Genua heraustrennen und nach stundenlanger Zitterpartie sicher auf dem Boden ablegen.
Sechs Monate nach dem katastrophalen Einsturz der Morandi-Brücke in Genua haben Experten im Rahmen der Abrissarbeiten ein erstes Teilstück des Bauwerks demontiert. Das 36 Meter lange und 18 Meter breite Brückenelement wurde am Freitag abgetrennt, in der Nacht auf Samstag zum Ablassen vorbereitet und anschließend an einer eigens installierten Krankonstruktion abgeseilt. Bis Samstagabend konnte das knapp tausend Tonnen schwere Teilstück schließlich langsam am Boden abgestellt werden.

Blick auf die Unglücksstelle: Die Überreste der Morandi-Brücke müssen Stück für Stück eingelegt werden.
(Foto: picture alliance/dpa)
Das Absenken des Teilstücks aus 48 Metern Höhe nahm etwa zehn Stunden in Anspruch. Pro Stunde konnten nur fünf Meter zurückgelegt werden, am Nachmittag musste das Tempo aufgrund des stärkeren Windes weiter gedrosselt werden. Das Teilstück soll nun als Gegengewicht für die Demontage der restlichen Brückenfahrbahn genutzt werden, bevor schließlich die Brückenpfeiler einzeln gesprengt werden können.
Das Autobahn-Viadukt bestand aus einer Schrägseilbrücke mit drei rund 90 Meter hohen Pylonen, von denen einer komplett in sich zusammenbrach. Die Zufahrtsrampen führten die Fahrbahn in knapp 50 Metern Höhe quer über den Talboden. Getragen werden die Segmente der Fahrbahn von V-förmigen Pfeilern aus Beton. Für den schrittweisen Abriss müssen diese Bauteile mit aufwändigen Maßnahmen abgestützt und neu verspannt werden, da sie ohne die Verbindung über die Fahrbahn allein nicht sicher stehen.
Die Option, die Überreste der Brücke ohne diese Vorarbeiten zu sprengen, stand den Rückbauexperten nicht offen: Das Bauwerk überspannt dicht bebautes Stadtgebiet mit zahlreichen Leitungen und mehreren wichtigen Schienenverbindungen. Die Fahrbahnsegmente aus Beton und Stahl sind außerdem so schwer, dass selbst im Fall eines kontrollierten Einsturzes zusätzliche Schäden in der Umgebung zu befürchten gewesen wären. Weitaus schwieriger als die Demontage der Fahrbahn und ihrer V-Stützen dürfte sich der Rückbau der bis zu 90 Meter hohen Pylonen gestalten.
Der gesamte Abriss der Autobahnbrücke dürfte mindestens sechs Monate in Anspruch nehmen. Rund 60 Arbeiter werden Tag und Nacht auf der Baustelle im Einsatz sein. Die italienische Regierung hat zugesagt, dass die neue Stahlbetonbrücke, die der aus Genua stammende Star-Architekt Renzo Piano gratis entwirft, bis April 2020 in Betrieb genommen werden kann. Der Zeitplan gilt als sehr ehrgeizig.
Die viel befahrene, fast 1200 Meter Morandi-Brücke war am 14. August auf einer Länge von 200 Metern eingestürzt. 43 Menschen kamen ums Leben, darunter vier Kinder. Dutzende Menschen wurden verletzt. Eine große Zahl an Anwohnern musste in der Folge ihre Häuser räumen. Wann die Gebäude unterhalb der Brücke wieder bezogen werden können, ist unklar.
Experten hatten nach dem Unglück erklärt, der Einsturz sei aufgrund der vielen baulichen Mängel an der Spannbetonbrücke vorhersehbar gewesen. Die italienische Justiz ermittelt in dem Fall gegen eine Reihe von Beschuldigten und gegen die Betreiberfirma Autostrade per l'Italia (Aspi).
Mit geschätzten Kosten von gut 200 Millionen Euro wird die neue Brücke eine der teuersten in ganz Europa. Architekt Piano versprach, das neue Bauwerk werde "tausend Jahre halten". Pianos Entwurf sieht eine weiß gestrichene Stahlkonstruktion vor, welche die Hafenstadt überspannt. 43 Lichtsäulen sollen an die Opfer des Unglücks erinnern.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP