Ehrenamt im Hospiz Begleiter im letzten Lebensabschnitt
11.01.2025, 18:05 Uhr Artikel anhören
In Niedersachsen gibt es laut dem Hospiz- und Palliativverband Niedersachsen 40 stationäre Hospize.
(Foto: IMAGO/Panthermedia)
Für viele Menschen ist der Tod ein Tabu-Thema. In Göttingen lassen sich Menschen ehrenamtlich ausbilden, um in der Palliativmedizin mitzuarbeiten. Doch was motiviert diese Menschen dazu, andere im Sterben zu begleiten?
Wer auf die Palliativstation kommt, für den ist das Ende seines Lebens oft absehbar. Positive Gedanken dürften die wenigsten Menschen mit diesen Orten verbinden. "Dabei ist das ein schöner Ort, es riecht dort gut", sagt Iris Ranke-Greve. Sie weiß, wie eine Palliativstation von innen aussieht, denn sie lässt sich in Göttingen als ehrenamtliche Hilfskraft für Palliativ- und Hospizarbeit ausbilden. Wie kommen sie und rund 100 weitere Menschen dazu, ein solches Ehrenamt auszuüben?
Die 66 Jahre alte ehemalige Hautärztin lernte beim Tod ihrer eigenen Eltern erstmals die Arbeit der Ehrenamtlichen kennen. Mit dem Eintritt in ihren Ruhestand suchte sie dann nach neuen Möglichkeiten, die Umgang mit Menschen bieten - ohne die ärztliche Verantwortung. Da sei ihr die Entscheidung für die ehrenamtliche Ausbildung leicht gefallen.
Zusammen mit gut einem Dutzend anderer Menschen absolviert sie derzeit einen 100-Stunden-Kurs. Mit dem ersten von drei Teilabschnitten - dem Grundkurs - ist sie inzwischen fertig. Nach dieser Ausbildung begleiten die Ehrenamtlichen ihnen zugeteilte Menschen mit schweren Erkrankungen sowie deren Familie und Freunde - als Gesprächspartner, Haushaltshilfen oder etwa Spielpartner. Wie oft und in welchem Umfang sich Betroffene und Ehrenamtliche treffen und auch wo - etwa zu Hause oder auf der Palliativstation - hängt dabei immer vom Einzelfall ab. Das kostenlose Angebot des sogenannten Ehrenamtlichen Dienstes an der Universitätsmedizin Göttingen gibt es seit 2008.
In ganz Niedersachsen gibt es laut dem Hospiz- und Palliativverband Niedersachsen 124 vergleichbare Einrichtungen sowie 40 stationäre Hospize. Zusammen sind dort mehr als 4.500 Ehrenamtliche tätig. Deren Engagement für schwer erkrankte und sterbende Menschen sei Ausdruck einer solidarischen Gesellschaft, sagt Verbandschef Ulrich Kreutzberg. Nicht zuletzt mit Blick auf den demografischen Wandel bleibe diese Aufgabe auch in Zukunft wichtig. Bisher würden sich aber auch immer wieder tatkräftige Menschen finden.
Rund 100 Ehrenamtliche
So wie in Göttingen, wo derzeit rund 100 Ehrenamtliche im Einsatz sind. Die Menschen, auf die die Ehrenamtlichen treffen, seien dabei ebenso unterschiedlich wie sie selbst. "Manche Betroffene können mit ihrer Familie nicht gut über ihre Krankheit sprechen, andere suchen Menschen, mit denen sie mal nicht über ihre Krankheit sprechen müssen - das ist die Spannbreite", sagt Gregor Dreizehnter, der den Ausbildungskurs zusammen mit der Sozialpädagogin Kathrin Heiß leitet. Die Ehrenamtlichen selbst seien Studierende bis hin zu Rentnern und Rentnerinnen und kämen aus allen sozialen Schichten. Nur eines sind sie nicht, betont Dreizehnter: "Sie sind keine Lückenfüller für die medizinische Arbeit auf der Palliativstation."
Viele hatten vorher noch keine medizinische Erfahrung, sondern sind durch Schicksalsschläge mit dem Thema in Berührung gekommen, wie Jessica Pohl und Oliver Ohanecian, die jeweils plötzlich ihre beste Freundin verloren haben. "Das ist auch ein Stück weit eigene Trauerverarbeitung", sagt Pohl. Wieder andere wie der 22-jährige Jesse Mehnert hatten noch nicht viele Berührungspunkte mit dem Tod, finden das Thema aber wichtig. Er sagt: "Ich denke, es lohnt sich für jeden, sich mit dem Thema zu beschäftigen."
Denn: Vor allem im Grundkurs beschäftigen sich die zukünftigen Ehrenamtlichen auch viel mit sich selbst, erklärt Dreizehnter. "Das ist viel Arbeit im eigenen Kopf." Pohl sagt etwa, der Kurs habe sie feinfühliger gemacht. Und: "Ich fühle mich jetzt besser auf den nächsten Tod vorbereitet. Ich habe keine Angst mehr." Einblicke in die praktische Arbeit erhalten die Ehrenamtler ab dem zweiten Teilabschnitt der Ausbildung.
Leichte und schwere Gespräche

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Ehrenamtsausbildung während einer Reflexionsübung.
(Foto: picture alliance/dpa)
So stehen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Abschluss des Grundkurses sich bei einer Übung auf einem Parkplatz gegenüber. Wer rechts steht, ist bei den Toten, links, bei den Lebenden - zwischen ihnen ein symbolischer Fluss. Sie nennen Stichworte, die ihnen zu Leben und Tod einfallen: Liebe, fühlen, tanzen, alleine, Frieden, schmerzhaft. Manche Worte fallen auf beiden Seiten, etwa Licht oder Trauer. Später diskutieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer untereinander über die Übung.
Auch das gefällt den Teilnehmern an dem Kurs: Die Gemeinschaft und das Treffen von Leuten, denen man sonst vielleicht nie begegnet wäre. "Mit meinen Freundinnen und Freunden kann ich nicht so gut über das Thema Tod sprechen", sagt die 42-jährige Pohl. "Hier können wir uns trauen, emotional zu sein", sagt Ranke-Greve. Die Gespräche seien dabei mal leicht und auch mal schwer, sagt Mehnert.
Der Tod sei ein verbindendes Thema, sagt der 56-jährige Ohanecian, der sich unter anderem als studierter Theologe und Buddhist schon viel mit dem Tod befasst habe. Er und auch die anderen Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer hoffen deshalb auch, dass Tod und Sterben in Zukunft nicht mehr so ein Tabu-Thema in Deutschland sind wie derzeit. Nicht zuletzt mit Blick auf die alternde Gesellschaft und etwa den damit verbundenen Pflegekräftebedarf sei es aus ihrer Sicht wichtig, das Thema Tod nicht immer an die Seite zu schieben. Mexiko, wo jedes Jahr der Tag der Toten gefeiert wird, sei da ein gutes Vorbild.
Quelle: ntv.de, Maurice Dirker, dpa