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Unterschiedliche Todesvisionen Arzt verrät: Das sehen Kinder und Erwachsene beim Sterben

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Im Gegensatz zu Erwachsenen hätten sterbende Kinder oft weniger Angst vor dem Tod, berichtet der US-amerikanische Hospizarzt Dr. Christopher Kerr.

Im Gegensatz zu Erwachsenen hätten sterbende Kinder oft weniger Angst vor dem Tod, berichtet der US-amerikanische Hospizarzt Dr. Christopher Kerr.

(Foto: picture alliance / Mika)

Wie sieht Sterben aus? Wie fühlt es sich an, aus dem Leben zu scheiden? Und was kommt danach? Ein Palliativmediziner hat mit 1500 Sterbenden gesprochen und verrät, wie unterschiedlich Kinder und Erwachsene den nahenden Tod erleben.

Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod ist für die meisten Menschen beängstigend. Doch ebenso faszinierend ist für viele die Frage, wie sich Sterben anfühlt. Rast das Leben wirklich noch einmal vor dem inneren Auge vorbei? Und was hat es mit dem Licht am Ende des Tunnels auf sich?

Um das herauszufinden, hat der US-amerikanische Hospizarzt Dr. Christopher Kerr mit 1500 Palliativpatientinnen und -patienten über ihre Erlebnisse des nahenden Todes gesprochen. Dabei fand er unter anderem heraus, dass Erwachsene und Kinder das Scheiden aus dem Leben ganz unterschiedlich verstehen. Das berichtet das britische Nachrichtenportal "Metro" über Kerrs Interview im US-Podcast "Next Level Soul".

Vergebung von Sünden, Verbrechen und Unrecht

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Laut Kerr, der seine Forschungsergebnisse in dem Buch "Die Träume der Sterbenden" festgehalten hat, neigen Erwachsene kurz vor dem Tod zu intensiven Träumen und Tagträumen. Darin würden diese ihr Leben und ihre Erfahrungen Revue passiere lassen, indem sie wichtige Schlüsselerlebnisse noch einmal durchleben. Auch Gespräche mit wichtigen Menschen würden darin immer wieder vorkommen. Hauptsächlich gehe es laut Kerr in diesen Fantasien darum, positive Erfahrungen noch einmal zu erleben.

Manchmal stellten sich Personen auch eine Art kathartischer Absolution vor, also eine Vergebung von Sünden, Verbrechen oder Unrecht. Der Palliativarzt berichtet, seine Patientinnen und Patienten leugneten oder bereuten die schmerzhaften Momente ihres Leben nicht. Viel eher versuchten sie, sich diesen Erfahrungen noch einmal zu nähern, um sie auf eine neue Art und Weise zu verarbeiten.

"Träumte vom besten Tag meines Lebens"

Kerr berichtet von einem Patienten, der 1944 an der Landung in der Normandie teilgenommen hatte. Wie bei vielen anderen Menschen auch habe diese Kriegserfahrung enorme Auswirkungen auf ihn und seine Psyche gehabt. Der Patient habe sich diesem Trauma jedoch nie ganz gestellt oder es verarbeitet. Letztlich habe er sein ganzes Leben lang an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) gelitten, ohne sich jemals Hilfe zu holen.

"Am Ende seines Lebens kam er auf unsere Station. Er hatte schreckliche Dinge erlebt, Körperteile und blutiges Wasser gesehen, Schreie gehört und kam nicht mehr zur Ruhe", berichtet Kerr. Doch die Patienten müssten entspannt sein und ihre Situation bis zu einem gewissen Grad akzeptieren, um sterben zu können. Nachdem der Normandie-Veteran eines Tages trotz seiner Schlafprobleme ein kurzes Nickerchen gemacht hatte, fragte Kerr ihn, ob er geträumt habe.

Der Patient berichtete: "Ich hatte einen tollen Traum, in dem ich den besten Tag meines Lebens erlebte". Es habe sich um den Tag gehandelt, an dem der Patient als junger Mann seine Entlassungspapiere erhalten hatte, erläutert Kerr. Ein unbekannter Soldat sei in diesem Traum auf ihn zugekommen und habe gesagt: "Wir werden Sie abholen." Der Arzt beschreibt danach einen deutlichen Ausdruck der Erleichterung auf dem Gesicht des Mannes, der daraufhin in einen tiefen, friedlichen Schlaf gefallen und nicht mehr aufgewacht sei.

Warmes Licht an einem sicheren Ort

Ältere Menschen, die im Sterben liegen, sehen sich laut Kerr oft mit den Menschen vereint, denen sie nahestanden. Viele hätten auch das Gefühl, verstorbene Menschen, die sie gekannt und geliebt hatten, wiederzutreffen. Mit ihnen würden sie dann über bewegende Erinnerungen, wichtige Lebensereignisse und glückliche Zeiten sprechen. Das erfülle die Patientinnen und Patienten mit Freude.

Doch wie unterscheidet sich die Erfahrung des nahenden Todes bei Erwachsenen von dem, was ein Kind beim Sterben sieht und fühlt? Der Gedanke, dass Kinder sterben, ist natürlich überwältigend und beunruhigend. Doch wenn es einen Trost gibt, den man aus dieser Vorstellung ziehen kann, dann ist es der von Dr. Kerr und seinen Erfahrungen damit, wie Kinder den Eintritt des Todes erleben.

Kerr berichtet, dass Kinder den Tod ganz anders erleben als Erwachsene. Oft hätten sie weniger Angst, da sie nicht durch lebenslange Furcht vor dem Tod belastet seien. Die meisten jüngeren Kinder könnten die Schwere ihrer Sterblichkeit nicht richtig einschätzen und seien sich der Endgültigkeit des Todes nicht bewusst. Auch trete bei jüngeren Sterbenden viel seltener die Vorstellung auf, verlorene Menschen wiederzutreffen. Oft seien sie schlicht zu jung, um selbst bereits ein geliebtes Familienmitglied verloren zu haben, berichtet der Palliativmediziner.

Stattdessen träumten Kinder häufig von Tieren oder geliebten Haustieren, die ihnen die Botschaft vermitteln, "dass sie geliebt werden und nicht allein sind". Kerr fügt hinzu: "Kinder sind kreativ und fantasievoll und können diesen Teil von sich eigenständig abrufen."

Kerr erinnert sich an die Vision eines kleinen Mädchens auf dem Sterbebett. Da es zu wenige positive Erinnerungen hatte, aus denen es schöpfen konnte, erfand es seine eigenen."Sie schuf sich ein Schloss", sagt er. "Dort gab es einen Swimmingpool, Tiere und ein Klavier. Und es gab ein Fenster, durch das warmes Licht fiel." Als er das Mädchen fragte, wofür das Schloss stehe, antwortete es: "Für einen sicheren Ort."

Quelle: ntv.de

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