"Lohnt nicht zu spekulieren" Berlin ratlos - weiter zu Hilfe für Marokko bereit
11.09.2023, 15:30 Uhr Artikel anhören
Bisher hat Marokko nur sehr selektiv Hilfsangebote aus dem Ausland angenommen.
(Foto: REUTERS)
Warum ziert sich Marokko nach dem Erdbeben, Hilfe aus Deutschland anzunehmen? Ganz sicher ist sich die Bundesregierung nicht, schließt aber politische Gründe aus - auch wenn es um die Beziehungen in jüngerer Vergangenheit nicht immer rosig bestellt war.
Die Bundesregierung will ihr Hilfsangebot für die Erdbebengebiete in Marokko aufrechterhalten, auch wenn die dortige Regierung das Angebot bislang nicht angenommen hat. Regierungssprecher Steffen Hebestreit wollte sich nicht zu den Gründen für das Zögern der marokkanischen Regierung äußern: "Darüber lohnt es sich von unserer Seite aus nicht zu spekulieren", sagte er - und fügte hinzu: "Wir stehen zu diesen Hilfsangeboten."
Sollte Marokko das Angebot annehmen, "dann werden wir auch liefern", sagte Hebestreit. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte: "Politische Gründe kann man hier ausschließen." Die marokkanische Regierung habe sich für das Angebot bedankt, es aber bislang nicht angenommen. Der Stand der diplomatischen Beziehungen zu Marokko sei "gut". Der Streit über die Westsahara hatte die deutsch-marokkanischen Beziehungen 2021 in eine tiefe Krise gestürzt. Auf dem Höhepunkt zog Marokko seine Botschafterin für mehrere Monate aus Berlin ab. Im Sommer 2022 näherten sich die beiden Staaten dann wieder an. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock reiste im August vergangenen Jahres in die Hauptstadt Rabat.
Irritationen gab es auch, als die Bundesanwaltschaft im vergangenen Mai vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf Anklage wegen mutmaßlicher geheimdienstlicher Tätigkeit gegen einen Marokkaner erhoben hatte. Ihm wird vorgeworfen, Anhänger einer marokkanischen Protestbewegung ausgespäht zu haben.
Möglicherweise gebe es für das Ausbleiben der Reaktion aus Rabat auch organisatorische oder logistische Gründe auf marokkanischer Seite, sagte der Außenamtssprecher. "Ich bin sicher, dass man sich sehr genau Gedanken gemacht hat, welche Einsatzkräfte man wo einsetzen kann." Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums ergänzte, dass sich das Technische Hilfswerk (THW) weiter für einen Einsatz in Marokko bereithalte. "Wir sind jederzeit bereit zu helfen" - etwa bei der Trinkwasseraufbereitung", sagte er. Das THW habe Fachberater an die deutsche Botschaft in Marokko entsandt, um zu prüfen, wo Deutschland am besten helfen könnte. "Insofern können wir weiterhelfen, wenn das gewünscht wird."
EU will auch helfen
Hilfe stellt auch die Europäische Union in Form finanzieller Unterstützung bereit. Die EU-Kommission will eine Million Euro zur Verfügung stellen, "ein erster Schritt", um Hilfsorganisationen zu unterstützen, wie Sprecher Balasz Ujvari sagte. Das Geld sei vor allem für den Roten Halbmond bestimmt.
Auch die EU habe bisher keine offizielle Hilfsanfrage aus Marokko erhalten, sagte der Kommissionssprecher weiter. Das europäische Zentrum für Krisenkoordination verfolge die Lage aber genau. Zudem sei das europäische Satellitensystem Copernicus aktiviert worden. Dieses könne den Hilfskräften Aufnahmen der besonders betroffenen Regionen zur Verfügung stellen. Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic, betonte, die EU bleibe "bereit, Marokko in jeder nötigen Weise während dieser schwierigen Zeit zu helfen".
Das schwere Erdbeben hatte das nordafrikanische Land in der Nacht zum Samstag erschüttert. Nach neuen Angaben des marokkanischen Innenministeriums wurden mittlerweile 2497 Todesopfer gezählt, 2476 weitere erlitten demnach Verletzungen.
Quelle: ntv.de, jog/AFP/dpa