Heimlich das Kondom abstreifen Berliner Gericht: "Stealthing" ist eine Straftat
13.08.2020, 16:56 Uhr
Im Einzelfall könne "Stealthing" laut des Berliner Gerichts auch als Vergewaltigung gewertet werden.
(Foto: picture alliance / dpa)
Eine Frau hat einvernehmlich Sex mit einem Mann. Doch obwohl sie auf ein Kondom besteht, streift der Mann es heimlich ab und kommt so zum Höhepunkt. "Stealthing" ist der Ausdruck für so ein Verhalten. Das hat ein Berliner Gericht als sexuellen Übergriff gewertet - ein Urteil, das Signalwirkung haben könnte.
Wer beim Sex heimlich das Kondom abstreift, kann strafrechtlich einen sexuellen Übergriff oder sogar eine Vergewaltigung begehen. Das Berliner Kammergericht hat einen inzwischen 38 Jahre alten Mann wegen "Stealthing" zu einer Bewährungs- und einer Geldstrafe verurteilt. Entscheidend war für das Gericht vor allem eine Handlung des Mannes, die jetzt zur Verurteilung geführt hat.
Das Gericht urteilte, dass das sogenannte Stealthing den Tatbestand erfüllt, wenn der Täter in den Körper des Opfers ejakuliert. Nach Gerichtsangaben war dies das erste obergerichtliche Urteil zum Stealthing. Damit sei jedoch noch keine Entscheidung darüber gefallen, wie eine solche Tat ohne Ejakulation zu beurteilen wäre.
Bei dem Verfahren ging es um einen inzwischen 38-jährigen Bundespolizisten, den das Amtsgericht Tiergarten Ende 2018 wegen sexuellen Übergriffs zu einer Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe verurteilt hatte. Verhandelt wurde über einen Vorfall im Jahr 2017, bei dem der Mann mit einer damals 20-jährigen Polizeimeisteranwärterin zunächst einvernehmlich intim geworden war.
Opfer für "persönliche sexuelle Befriedigung" benutzt
Vor dem Geschlechtsverkehr machte die Frau demnach unmissverständlich klar, dass sie auf keinen Fall ohne Kondom mit ihm schlafen wolle. Daraufhin habe der Mann ein Kondom übergezogen. Beim Sex habe er es jedoch heimlich abgestreift und in die junge Frau ejakuliert.
Das Kammergericht begründete sein Urteil gegen den Mann nun damit, dass sexuelle Selbstbestimmung bedeute, "über Zeitpunkt, Art, Form und Partner sexueller Betätigung nach eigenem Belieben zu entscheiden". Das Gericht wies darauf hin, dass der Schutz durch ein Kondom nicht nur zur Verhinderung einer Schwangerschaft und der Krankheitsübertragung von Bedeutung sei. Demnach geht es beim Stealthing auch darum, dass der penetrierende Sexpartner das Opfer "bewusst zu einem bloßen Objekt fremdbestimmten sexuellen Tuns" herabsetzt und "für dessen persönliche sexuelle Befriedigung" benutzt.
Ein besonders schwerer Fall und damit eine Vergewaltigung lag laut Gericht jedoch nicht vor, weil eine Änderung des Schuldspruchs in dem Fall rechtlich nicht möglich war. Im Einzelfall könne das sogenannte Stealthing künftig durchaus auch als Vergewaltigung gewertet werden.
Quelle: ntv.de, joh/AFP