Panorama

Kraftanstrengung vor Weihnachten Bund und Länder ziehen Corona-Zügel deutlich an

Die November-Beschränkungen von Bund und Ländern zeigen Wirkung. Doch sie reichen nicht aus. Noch immer sind die Corona-Infektionszahlen zu hoch. Deswegen werden die Beschränkungen verlängert und in Teilen sogar verschärft.

Nach einer sieben Stunden dauernden Videokonferenz zwischen der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten der Länder haben sich die Teilnehmer auf einen Corona-Fahrplan bis 20. Dezember geeinigt. "Wir brauchen noch einmal eine Kraftanstrengung", sagte Angela Merkel am Abend auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller und und Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder.

"Wir reduzieren noch einmal die Kontakte auf fünf Menschen aus zwei Hausständen", sagte Merkel über die nun bis 20. Dezember geltenden Kontaktbeschränkungen. Kinder bis 14 Jahren fallen nicht darunter. Merkel sagte, die Beschränkung würden "nach menschlichem Ermessen" mindestens bis Anfang Januar gehen. Das Infektionsschutzgesetz lässt aber nur Verlängerungen im Vier-Wochen-Rhythmus zu. Merkel sprach von einer "Verschärfung, damit wir zu den Weihnachtstagen ein Fest im engsten Familien- und Freundeskreis feiern können". Gastronomische und Kultureinrichtungen bleiben wie erwartet vorerst dicht.

Zurückhaltung angemahnt

Über Weihnachten sind dann Zusammenkünfte von bis zu zehn Menschen älter als 14 Jahre gestattet. "Wir waren uns bewusst, dass die Leute heute Klarheit wollen", sagte Merkel. "Es ist ein besonderer Monat, der von uns liegt. Wir haben das in unseren Beschlüssen berücksichtigt." Berlins Bürgermeister Müller mahnte dennoch Zurückhaltung an: "Dinge zu ermöglichen, heißt ja nicht, dass das auch genutzt werden muss", sagte er. "Ein Familienfest, selbst wenn das möglich ist, muss man vielleicht nicht so groß organisieren, wie man es vielleicht in den letzten Jahren getan hat."

Das Ziel sei weiterhin, auf eine Inzidenz von nicht mehr als 50 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen zu kommen, sagte Merkel. Nur unter diesem Wert ließen sich Kontaktketten identifizieren und unterbrechen. "Der exponentielle Anstieg der Infiziertenzahlen ist gebrochen", sagte die Kanzlerin. "Das ist nur ein Teilerfolg." Die Maßnahmen im November hätten "uns Hunderttausende von Infektionen erspart, damit auch eine Überlastung des Gesundheitssystem und damit auch viele Tote".

Richtwerte für Lockerung und Verschärfung

Bei dem Gipfel wurde zudem definiert, dass bei einer Inzidenz unter 50 Fällen pro Woche und 100.000 Einwohnern Maßnahmen gelockert werden können. Merkel sagte, zusätzlich verschärfte Maßnahmen solle es geben "bei besonders extremen Infektionslagen, wo es eine Inzidenz von über 200 Fälle pro Woche gibt und das Infektionsgeschehen diffus ist". Der Wert werde derzeit in Berlin und 62 weiteren Kreisen überschritten.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet nannte als Beispiel für verschärfte Maßnahmen bei extremen Infektionslagen die Einführung von Hybridunterricht an einzelnen Schulen. Söder hätte sich einen noch deutlicheren Maßnahmenkatalog gewünscht. "Es ist an einigen Stellen mir noch nicht ganz klar genug", sagte Söder und warb unter anderem für die Möglichkeit von Hybrid- und Wechselunterricht.

Möglichst kein Ski-Urlaub

Merkel sagte, sie und die Länderchefs bitten die Arbeitgeber, "alle Möglichkeiten für Home Office zu nutzen" und wo möglich zwischen den Jahren auch Betriebsferien zu machen. Für den Einzelhandel wurde die Zahl zulässiger Kunden auf einen pro 20 Quadratmetern ab 800 Quadratmeter Verkaufsfläche reduziert. Bei kleineren Geschäften sind weiterhin ein Kunde pro zehn Quadratmeter erlaubt.

Die Bundesregierung wolle sich bei den übrigen EU-Staaten dafür einsetzen, vorerst keine Ski-Urlaube anzubieten. "Das wird wahrscheinlich nicht einfach, aber wir werden es versuchen", sagte Merkel über das Vorhaben, das auf Initiative Bayerns zustande kam. Alle Bürger seien aufgerufen, auf Urlaubsreisen zu verzichten.

Söder erklärte hierzu: "Uns geht es da nicht darum, die Freunde und den Spaß am Skifahren zu verbieten." Ski-Urlaub passe nicht zum Infektionsgeschehen: "Ich kann mir einfach massenhafte Ski-Lifte und Anstehen an der Gondel nicht vorstellen." Die Ferien dürften "nicht wieder ein Rückschlag werden".

Bessere Stimmung als zuletzt

Die drei Regierungschefs lobten die konstruktive Sitzung, nachdem es vor zwei Wochen noch mächtig gehakt hatte zwischen den Teilnehmern. "Wir sind auch zu einem guten Ende gekommen unter den schwierigen Bedingungen", sagte Merkel. Auch der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Michael Müller, sprach von einem Gipfel "ohne Kontroversen und ohne Streit". Er sagte: "Wir waren uns sehr einig in der Bewertung der Ausgangslage."

Mit Blick auf die deutlich gestiegen tägliche Totenzahl im Zusammenhang mit Covid-19 sagte Merkel, das erinnere "auf traurigste Weise daran, dass hinter den Statistiken eben auch traurige Schicksale stehen". Müller sagte: "Hinter jeder einzelnen Zahl verbirgt sich ein Schicksal und eine menschliche Tragödie." Das werde manchmal vergessen. "Wir sind jetzt in Berlin in einer Situation, wo wir ein Viertel der Berliner Intensivbetten für die Covid-Patienten nutzen", sagte Müller. Jeden Tag gebe es in der Hauptstadt "20 oder 30 Verstobene" wegen der Pandemie.

"Wenn wir das im Zusammenhang diskutieren würden mit Unglücken und Unfällen, würden wir jeden eine Tag eine andere Berichterstattung haben", sagte SPD-Politiker Müller. Sein CSU-Kollege Söder rechnete vor: Bleiben die Zahlen auf dem aktuellen Niveau, kämen noch 6000 Menschen hinzu, "die nicht Weihnachten erleben". Söder sagte: "Es ist manchmal empörend, wie nonchalant über das Thema geredet wird."

Hilfen über 30 Milliarden Euro

Bundesfinanzminister Olaf Scholz kündigte gleich nach Ende des Gipfels via Twitter an, dass der Bund mit der Verlängerung des Teil-Lockdowns auch eine Verlängerung der Hilfen für die betroffenen Unternehmen zugesagt habe: "Der Corona-Lockdown wird verlängert und die umfassenden Finanzhilfen auch." Der Dezember sei für Gastronomie und Kulturbetriebe der wichtigste Monat, sagte Jens Spahn am Abend im ZDF. "Deswegen ist es wichtig, dass die wirtschaftliche Finanzhilfe verlängert wird, deswegen haben wir das heute vereinbart."

Laut "Bild" soll Kanzlerin Merkel in der Schalte gemahnt haben, dass der Bund diese Kompensationen nicht den ganzen Winter über leisten könne. "Das sind am Ende für zwei Monate 30 Milliarden Euro. Eine riesige Summe, die sich kein anderes Land in Europa leisten kann", sagte Kretschmer. "Und deswegen sind wir jetzt alle bemüht, dass die Maßnahmen die wir jetzt ergreifen auch wirklich wirken, weil wir können das ganze in den Monaten danach nicht fortsetzen."

Bereits für den November gibt es Hilfen, die seit heute beantragt werden können. Mit den Zuschüssen sollen Umsatzausfälle zu einem großen Teil ausgeglichen werden. Die Hilfen des Bundes für den November sollen einen Umfang von 15 Milliarden Euro haben. Sie sollen nun im Rahmen der Vorgaben des EU-Beihilferechts bis zum 20. Dezember durch den Bund fortgeführt werden, wie es in einem Beschlussentwurf hieß.

Quelle: ntv.de

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