Panorama

Sommer der totalen Freiheit Ciao bella ciao: Italien-Ferien zu teuer

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Welten treffen am Strand aufeinander - aber nicht mehr so häufig wie früher.

Welten treffen am Strand aufeinander - aber nicht mehr so häufig wie früher.

(Foto: dpa)

Die Tourismusministerin hoffte auf einen Rekordsommer für die Branche. Den wird es aber nicht geben. Denn die Hälfte der Italiener kann sich einen Urlaub nicht leisten. Zumindest nicht in Italien.

Der 15. August ist für die Katholiken Mariä Himmelfahrt, für die Italiener vor allem aber "Ferragagosto". Der Begriff ist vom Lateinischen "feriae Augusti", dem Ruhetag des ersten römischen Kaisers Augustus abgeleitet und kennzeichnet den Höhepunkt des italienischen Sommers.

Dieses Jahr sollte es ein besonderer Sommer sein: seit dem Ausbruch der Covid-Pandemie der erste ohne jegliche Restriktion. Ein Sommer der totalen Freiheit. Die italienische Tourismusbranche war guter Dinge, die Tourismusministerin Daniela Santanchè, Mitglied von Premierministerin Giorgia Melonis rechter Partei Fratelli d'Italia, noch besserer. Vor der Pandemie erwirtschaftete der Tourismus sechs Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts, die Ministerin hoffte diesen Sommer ein noch besseres Ergebnis zu erzielen.

Zeichen eines Aufschwungs nach den für die Tourismusbranche besonders dramatischen Covid-Jahren hatte es schon voriges Jahr gegeben. In einer Studie der Banca d'Italia, der italienischen Notenbank, heißt es, Italiens Beitrag zum globalen Tourismusmarkt sei von 3,9 Prozent im Jahr 2021 auf 4,5 Prozent im vergangenen gestiegen. Die Wirtschaftszeitung "Il Sole 24 Ore" berichtet stattdessen, dass die Ausgaben der ausländischen Besucher schon 2022 den Betrag von 44,3 Milliarden Euro erreicht hatten und somit das Volumen vor der Pandemie.

Auch die Studie "Tourismus Forecast Summer 2023" des Forschungsinstituts Demoskopika setzte auf einen positiven Trend und der Start in die Feriensaison schien die Erwartungen zu bestätigen. Die Osterferien verbuchten ein Plus von 15 Prozent im Vergleich zu 2019. Venedig und viele andere beliebte Urlaubsorte platzten wieder aus allen Nähten.

Ferien für wohlhabende Ausländer

Doch was sich als positiver Vorbote angekündigt hatte, entpuppte sich bald danach als Strohfeuer: Anstatt Wachstum verzeichneten die Monate Juni und Juli ein Minus von drei Prozent. Das erhoffte "ausgebucht" blieb aus. Wobei aber zwischen den finanziellen Kapazitäten der Urlauber unterschieden werden muss: Die exklusiven Urlaubsressorts entlang des toskanischen Küstenabschnitts Versilia, die 5-Sterne-Hotels auf Capri oder das "Grand Hotel Timeo" in Taormina, Sizilien, mussten keinen Gästemangel beklagen - vor allem dank der Ausländer. Es waren die Badeorte entlang der Adria, von Jesolo bis nach Rimini und noch weiter südwärts bis Francavilla al Mare in den Abruzzen, sowie jene entlang der ligurischen Küste, die sogar Mitte August, wenn normalerweise auch die letzte stickige Dachkammer vermietet ist, noch freie Zimmer und Liegestühle hatten.

Was die Rekorderwartungen vermasselt hat, ist schnell gesagt: Die Italiener können sich den Urlaub nicht leisten, zumindest nicht den in Italien. Als wichtigster Preiszünder gelten die Inlandsflüge, zum Beispiel von Mailand nach Palermo oder Bari, die sich um 28,9 Prozent verteuert haben. Auch im Ausland ist das Fliegen teurer geworden, aber "nur" um 15,8 Prozent, wie man aus den Erhebungen des Verbraucherschutzverbands Codacos entnehmen kann. Die Regierung in Rom hat dagegen Maßnahmen angekündigt. Die Preise sollen in Zukunft, gleich was die Algorithmen ausrechnen, die 20 Prozent des Durchschnittspreises nicht übersteigen.

Von peinlich bis unverschämt

Der Konsumentenschutzverband Assoutenti hat neben den gestiegenen Kosten für das Flugticket, das Zugticket, das Benzin - das an manchen Autobahntankstellen die 2-Euro-Schwelle pro Liter überschritten hat - und auch bis zu 15 Prozent gestiegene Übernachtungskosten in Hotels und Pensionen berechnet. Ein Tag am Meer kostet für eine vierköpfige Familie samt Liegestühlen und Sonnenschirm 110 Euro.

Wobei die Inflation, die in Italien Ende Juli bei 6,4 Prozent lag, nur zum Teil damit zu tun hat. "Allem Anschein nach haben die Tourismusdienstleister beschlossen, lieber einen Touristen so weit es geht auszuquetschen, anstatt auf mehrere Gäste zu setzen", liest man in der Tageszeitung "La Stampa", als Kommentar zu den oft nicht selten unverschämten Preiserhöhungen. Um von den Peinlichkeiten ganz zu schweigen. Für Aufsehen nicht nur in Italien hat diesen Sommer die Nachricht gesorgt, dass für die Bitte, sich einen Toast mit einer anderen Person zu teilen - also auf zwei Tellern - das Lokal 2 Euro in Rechnung gestellt hat.

Albanien, wir kommen!

Kein Wunder, dass 41 Prozent der Italiener dieses Jahr auf den Urlaub verzichten mussten, wie man aus der Studie des Hoteldachverbands Federalberghi entnimmt. Andere wiederum haben Kroatien, Griechenland und Albanien vorgezogen, wo der Urlaub erschwinglicher ist.

Apropos Albanien, das von Apulien nur einen Katzensprung entfernt ist: Vor ein paar Wochen frohlockte der albanische Ministerpräsident Edi Rama in einer Mitteilung: "Früher sind wir nach Italien ausgewandert, jetzt kommen die Italiener zu uns." Die Bemerkung beziehungsweise der von Rama angestellte Vergleich zwischen den vor der Armut 1991 nach Italien fliehenden Albanern und den Italienern heute hat natürlich so manchen Politiker der jetzigen Rechts-Mitte-Regierung irritiert. Francesco Lollobrigida, Agrarminister und Melonis Schwager, antwortete darauf: "Eine sympathische Bemerkung. Von der Qualität her hat Apulien aber weitaus mehr zu bieten."

Auf die Medienberichte, die wiederholt von einem grandiosen Flop schreiben, antwortet Santanchè über die Website des Ministeriums: "Uns Italiener fehlt der Stolz der Franzosen, wir neigen dazu, an uns zu zweifeln." Außerdem beanstandet sie die von den Medien angegebenen Zahlen. Auf der Website heißt es, dass für die dritte Augustwoche immerhin 20 Prozent mehr Flüge in Italien gebucht wurden als voriges Jahr. Die Sache ist jedoch Folgendes: Angeschoben wird das Plus durch die wohlhabenden Auslandsgäste.

Wie gesagt, die Italiener fahren in den Urlaub: zwar nicht alle lieber, aber finanziell bedingt, nach Albanien.

Quelle: ntv.de

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