Von Familie verlassen Die wahre Geschichte des "Mogli-Mädchens"
09.04.2017, 09:32 Uhr
Inzwischen lebt das Kind in einem Pflegeheim.
(Foto: imago/Hindustan Times)
Es klang wie ein Abenteuer aus einem Literaturklassiker: In Indien wird ein Mädchen bei einer Affenhorde gefunden. Doch die Wahrheit hat nichts märchenhaftes, erzählt aber viel über die indische Gesellschaft.
Es klang nach einer "Dschungelbuch"-Geschichte: Ein Kind geht möglicherweise schon als Baby im Wald verloren und wird von Tieren aufgezogen. Der britische Autor Rudyard Kipling erlangte mit diesem Plot Weltruhm. In einem Fall in Indien, der in der vergangenen Woche ans Licht kam, sollten sich Affen um ein kleines Mädchen gekümmert haben.
Nach einigen Wochen, in denen Ärzte das Kind versorgten und Beamte seine Spur verfolgten, sieht die Wahrheit jedoch weit weniger märchenhaft aus. Inzwischen glauben die Behörden einem Bericht des britischen "Guardian" zufolge, dass das etwa achtjährige Mädchen in dem Wald im Bundesstaat Uttar Pradesh ausgesetzt wurde.
Auch den Grund dafür glauben sie zu kennen: Erste Untersuchungen ergaben, dass das Kind körperlich und geistig behindert ist. Das Blatt zitiert einen Distrikt-Forstoffizier: "Ich glaube, die Familienmitglieder dieses Mädchens waren sich bewusst, dass sie nicht sprechen kann und könnten sie deshalb in der Nähe des Waldweges verlassen haben."
Demnach hätte das Kind nur wenige Tage dort zugebracht, nicht etwa Jahre, wie indische Zeitungen zunächst mutmaßten. Der Wald wird sowohl von Kameras als auch von Rangern regelmäßig überwacht. Es sei unwahrscheinlich, dass sich das Kind dort lange hätte aufhalten können, ohne entdeckt zu werden.
Auch die Annahme, das Mädchen habe mit den Affen gelebt, ist offenbar falsch. Es habe lediglich eine Affenhorde in der Nähe gelebt. Die Symptome ihrer Behinderung, unter anderem ihre Unfähigkeit zu sprechen, wurden dann für Beweise dafür gehalten, dass die Achtjährige ohne menschlichen Kontakt im Dschungel gelebt hatte.
Der Chefarzt des Krankenhauses, in dem das Kind seit seinem Auftauchen behandelt wurde, sagte: "In Indien bevorzugen die Menschen kein weibliches Kind und sie ist geistig nicht gesund." Nach Ansicht von Frauenrechtsaktivisten hat die Tatsache, dass es sich bei dem Kind um ein Mädchen handelte, das Problem verschärft. Die Familien wollen ohnehin lieber Söhne, für eine behinderte Tochter zu sorgen, seien sie kaum bereit. Inzwischen hat sich das Mädchen soweit erholt, dass es in ein Kinderheim gebracht werden konnte.
Quelle: ntv.de, sba