Pädophilie-Vorwurf & Entführung Endete die Block-Schlammschlacht in Selbstjustiz?


Vor dem Landgericht Hamburg muss sich Christina Block wegen Kindesentziehung und Missbrauch von Schutzbefohlenen verantworten.
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Steakhaus-Erbin Christina Block soll ihre eigenen Kinder entführt haben - laut Anklage aus Verzweiflung über Niederlagen im Sorgerechtsstreit. Beide Parteien zerrten an den Kindern, beide Parteien gingen immer weiter. Die Unternehmerin fällt jedoch durch ein fragwürdiges Rechtsverständnis auf.
Recht auszuhalten, ist mitunter die größte Herausforderung, die den Beteiligten eines Sorgerechtsstreits abgerungen wird. Kaum ein juristisches Feld greift stärker in die Privatsphäre einer Familie ein als das Sorgerecht. Keines kann die Bindung zwischen Eltern und Kindern mehr beeinflussen. Der Richter muss diese hochemotionale Thematik mit den Mitteln abstrakter Gesetze bewerten. Ein Balanceakt, der nicht selten ein Gefühl von Ungerechtigkeit bei einer der Streitparteien auslöst. Und manchmal auch den Drang, etwas dagegen zu unternehmen.
Inwieweit Letzteres auf Steakhaus-Erbin Christina Block zutrifft, müssen Richter am Landgericht nun herausfinden. Die Anklage wirft der Unternehmerin gewaltsame Kindesentziehung vor. Eine Gruppe um einen israelischen Ex-Agenten soll Blocks jüngste Kinder in einer Nacht-und-Nebel-Aktion am Silvesterabend 2023 aus der Obhut ihres Vaters gerissen und nach Deutschland entführt haben. Stephan Hensel sei dabei brutal zusammengeschlagen, die Kinder gefesselt und geknebelt worden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Christina Block Auftraggeberin dieser Tat ist. Aus Verzweiflung nach Jahren der juristischen Niederlagen im Kampf um ihre Kinder Theodor und Klara. Aber auch aus einem fragwürdigen Rechtsverständnis heraus, das über die vergangenen Monate immer deutlicher wurde.
Was nun in einen Strafprozess wegen schwerster Verbrechen mündet, beginnt im August 2005 als "Märchenhochzeit", wie es das "Hamburger Abendblatt" beschrieb. Zwischen prominenten Gästen, Hummer-Empfang und Rosenblüten strahlen Christina Block und Stephan Hensel als frisch vermähltes Paar in die Kamera. Schnell wird Hensel in das Familien-Imperium eingebunden, erhält sogar eine Führungsposition. In den folgenden Jahren werden die vier Kinder des Paares geboren - Theodor und Klara sind die Nesthäkchen. Doch im Jahr 2014 endet das Glück des Unternehmerpaares. Ihre Ehe zerbricht - und die gegenseitigen Vorwürfe beginnen.
Blocks Aufenthaltsrecht hat Verfallsdatum
Hensel und Block streiten um ihre Kinder. Und zerren an ihnen. Theodor, Klara und ihre beiden Schwestern wohnen zunächst bei der Mutter, ihren Vater besuchen sie alle zwei Wochen. Die vereinbarte Umgangsregelung funktioniert anfangs, wenn auch nicht reibungslos. Hensel wirft seiner Ex-Frau immer wieder vor, die Kinder seien verwahrlost, wenn sie zu ihm kommen. Von verschmutzter Wäsche ist die Rede und von ungepflegten Zähnen. Dann kommen Gewaltvorwürfe dazu, Details gibt es dazu nicht. Block klappert Ärzte und Schulen der Kinder ab, um sich bestätigen zu lassen, dass es den Kindern gut geht. Auch sie überzieht Hensel mit Vorwürfen, er würde die Kinder entfremden und indoktrinieren. Im August 2021 schafft Hensel dann Tatsachen: Nach einem Besuch bei ihm im süddänischen Gravenstein bringt er Theodor und Klara nicht zurück zur Mutter.
Für Block beginnt in diesem Moment ein juristischer Spießrutenlauf. Noch im Herbst 2021 spricht ihr das Oberlandesgericht Hamburg das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu. Hensel muss die Kinder jetzt eigentlich herausgeben, doch das tut er nicht. An dieser Stelle kommt Block eine Sonderstellung der Wahlheimat ihres Ex-Mannes in die Quere: Als einziges EU-Land hat Dänemark die Brüssel II b-Verordnung nie unterzeichnet. Die dänische Justiz ist also nicht an die Entscheidung aus Hamburg gebunden. Stattdessen kommen dänische Richter wenige Monate später zu dem Schluss, dass die Kinder zwar widerrechtlich nach Dänemark gebracht wurden, eine zwangsweise Rückführung aber ihrem Wohl widerspräche. Block sind die Hände gebunden.
Berichten zufolge erklären Theodor und Klara immer wieder, nicht zu ihrer Mutter zurückkehren zu wollen. Ein besonders wichtiges Indiz für die Familienrichter, denn das Kindeswohl steht bei ihrer Entscheidung im Fokus. Entscheidend ist weniger, ob die Kinder zu Recht oder Unrecht in Dänemark behalten wurden. Vielmehr geht es darum, ob sie ihren Lebensmittelpunkt dorthin verlagert haben. Wo gehen sie zur Schule, wo sind sie sozial integriert, wo haben sie einen Alltag aufgebaut? Vor diesem Hintergrund hat das ihr einst zugesprochene Aufenthaltsbestimmungsrecht ein "gewisses Verfallsdatum", wie es der Familienrechtler Alexander Ganz im Interview mit ntv.de formulierte. Dass dies längst überschritten ist - die Kinder in Dänemark verwurzelt sind - entschieden erst dänische und schließlich auch deutsche Gerichte mehrfach.
Der Pädophilie-Vorwurf
Der juristische Weg, um ihre Kinder wiederzubekommen, ist nun allenfalls noch ein holpriger Trampelpfad. Doch Block lässt nicht locker, nutzt ihre finanziellen Mittel. Sie beauftragt Gutachter und Psychologen, bittet Freunde aus Politik und Diplomatie um Hilfe. Von ihr engagierte Sicherheitsfirmen sollen den Tagesablauf ihres Ex-Mannes durchleuchtet haben, wie der "Stern" berichtet. Möglicherweise auch, so vermutet die Staatsanwaltschaft, um zu prüfen, ob die Familie in Dänemark unter Polizeischutz steht.
Ende 2023 sitzt Block auf einer Hamburger Polizeiwache. Sie soll Dokumente vorgelegt haben, die zeigen würden, dass Hensel sein Haus auf Sylt Pädophilen zur Verfügung stellen würde, heißt es im "Spiegel". Doch die angeblichen Beweise sind stümperhaft. Die Beamten halten sie für offensichtlich gefälscht und leiten ein Ermittlungsverfahren gegen Block wegen Verleumdung ein. Die Beamten bringen den Vorfall schnell in Verbindung mit Blocks Kampf um ihre Kinder. Dem Bericht zufolge notieren die Ermittler erstmals in diesem Fall den Begriff "Selbstjustiz".
Rund eineinhalb Jahre später wabert eben jener Begriff wie ein roter Faden durch die Anklage gegen Christina Block. Aus Verzweiflung, Theodor und Klara nicht mehr sehen zu können, soll sie bis zum Äußersten gegangen sein und damit auch ihre Kinder in Gefahr gebracht haben. Und aus dem Gefühl heraus, im Recht zu sein. Ob das zutrifft, kann zu diesem Zeitpunkt nicht beurteilt werden. Für Block gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Sie selbst bestreitet in aller Klarheit, etwas mit der Tat zu tun zu haben. Weniger eindeutig zeigt sie sich allerdings, wenn es um die Akzeptanz der Sorgerechtsentscheidungen gegen sie geht.
Fragwürdige Rechtsauffassung
So spricht sie in zahlreichen Interviews und Statements nach dem Silvesterabend von einer "Rückführung" oder "Rückholung" der Kinder. Die Wortwahl impliziert, es könnte sich um eine legale Aktion gehandelt haben. Als sei ein noch existierendes Recht lediglich vollstreckt worden. "Bei der Aktion an Silvester von einer Rückführung zu sprechen, wäre eine Verharmlosung", sagte Familienrechtler Ganz dazu. Zudem handele es sich bei einer Rückführung um eine streng geregeltes Vorgehen, bei dem staatliche Organe das Kind aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung zurückbringen. "Das war hier ganz offensichtlich nicht der Fall."
Die Staatsanwaltschaft Hamburg vermutet dem "Stern" zufolge, dass sich Christina Block bei der möglichen Tat aufgrund des ihr 2021 zugesprochenen Aufenthaltsbestimmungsrechts im Recht sieht. Eine Notiz, die sie laut dem Bericht bei dem Anwalt der Familie Block fanden, deutet in die gleiche Richtung. Eine weitere Rechtsanwältin erklärte darin, Christina Block verfüge nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg aus dem Jahr 2021 über das Aufenthaltsbestimmungsrecht, heißt es darauf. Sie sei daher der Auffassung, dass eine "Rückholung der Kinder aus Dänemark" nicht den Straftatbestand der Entziehung Minderjähriger ins Ausland erfülle.
Diese Annahme würde jedoch nicht nur den Sinn und Zweck des Sorgerechts, das Wohl der Kinder, ignorieren. Gerade aus diesem Grund gibt es das von Ganz erwähnte "Verfallsdatum". Auch etliche spätere Gerichtsentscheidungen würden verkannt. So bekam Hensel im Mai nach erneuter Prüfung das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Jeglicher Versuch von Christina Block, dagegen vor deutschen Gerichten vorzugehen, schlug fehl - zuletzt sogar vor dem Bundesverfassungsgericht.
Wie weit ging Christina Block?
Die Indizien können in keiner Weise belegen, dass Christina Block tatsächlich handelte und die Entführung in Auftrag gab. Sie deuten jedoch an, in welchem Rechtsverständnis sie und ein Teil ihres Umfelds sich bewegen. So sprach auch Christina Blocks Vater, Eugen Block, in einem offenen Brief von dem "Unrecht", das der Familie widerfahren ist. Mit aller Schärfe prangerte er die Justiz an.
Im Strafprozess gegen Christina Block geht es somit auch um die Frage, wie weit ein verzweifeltes Elternteil im Kampf um seine Kinder gehen darf. Dass Christina Block ihre beiden Jüngsten nicht aufgeben wollte, dürfte auch für das Gericht nachvollziehbar sein. Dass sie hierfür weit mehr finanzielle Mittel zur Verfügung hatte als andere Familien, spielt zunächst ebenfalls eine untergeordnete Rolle. Die Richter am Landgericht Hamburg müssen jedoch herausfinden, ob Christina Block vorhatte, sich mit diesen Mitteln das zu besorgen, was sie vom Rechtsstaat nicht bekam. Sie müssen ermitteln, ob die Unternehmerin zu Selbstjustiz überging.
Quelle: ntv.de