Panorama

Ulrichs zur Omikron-Welle "Es ist eher eine Frage von Tagen als von Wochen"

Der Epidemiologe Timo Ulrichs - hier im Gespräch mit ntv-Moderatorin Nele Balgo - ist Professor für Medizin, Mikrobiologie und Katastrophenhilfe an der Akkon-Hochschule in Berlin.

Der Epidemiologe Timo Ulrichs - hier im Gespräch mit ntv-Moderatorin Nele Balgo - ist Professor für Medizin, Mikrobiologie und Katastrophenhilfe an der Akkon-Hochschule in Berlin.

Sinkende Zahlen und dennoch eine Bund-Länder-Konferenz - Epidemiologe Ulrichs findet das "sehr vernünftig". Denn die Omikron-Welle wird schon sehr bald auch Deutschland erfassen. "Deswegen sollten wir uns gut vorbereiten", sagt er ntv. Auch für ein sicheres Weihnachtsfest hat Ulrichs Ratschläge.

ntv: In den meisten Bundesländern sinken die Inzidenzen, trotzdem wollen Bund und Länder über mögliche Kontaktbeschränkungen reden. Ist das nötig?

Timo Ulrichs: Ja, das ist sehr vernünftig. Wir kommen in der Tat so langsam aus der vierten Welle, die ja durch die Delta-Variante hervorgerufen wird. Aber wir müssen möglichst schnell mit den Zahlen runter, denn es ist zu erwarten, dass wir ähnliche Situationen bekommen werden wie in Dänemark und Großbritannien mit der Omikron-Variante. Es ist eher eine Frage von Tagen als von Wochen, dass das so richtig losgeht. Und deswegen sollten wir uns gut vorbereiten. Kontaktbeschränkungen, die wir ja zum Teil schon beschlossen haben, sollten vielleicht noch ausgeweitet werden.

Warum ist Omikron in anderen Länder so viel weiter verbreitet?

In Großbritannien und in Dänemark hat die Verbreitung etwas früher eingesetzt. Zum einen, weil wahrscheinlich mehr Reiserückkehrer aus dem südlichen Afrika auf einmal dorthin gekommen sind und zum anderen - besonders in Großbritannien -, weil dort nach dem Freedom Day ja sehr viele Maßnahmen, also eigentlich alle Maßnahmen aufgehoben worden sind. Und dann hat man sich eben nur verzögert und nicht konsequent auf solche Maßnahmen wie Quarantäne und Kontaktbeschränkungen und so weiter eingelassen. Das ist bei uns noch etwas besser gelaufen. Das hat aber jetzt nur eine Verzögerung gebracht, damit halten wir natürlich die Omikron-Variante nicht aus Deutschland. Sie ist ja schon da und sie wird sich jetzt auch immer stärker verbreiten.

Bei uns hat das RKI bis letzten Dienstag erst 112 bestätigte Omikron Fälle registriert, das klingt jetzt erst mal wenig. Wie schnell kann das jetzt gehen, bis auch Omikron bei uns die Oberhand gewinnt?

Wir müssen ähnlich wie in Großbritannien mit einer Verdopplungszeit der Infektionsfälle alle zweieinhalb bis drei Tage rechnen und dann kann man das ja schon hochrechnen. Das heißt also, es wird dann, wie das immer so ist, beim exponentiellen Wachstum erst langsam losgehen. Also kleine Zahlen, aber dann eben Richtung Jahreswechsel werden wir das schon ein bisschen mehr sehen. Und im Januar sollte es dann so weit sein, dass die Omikron-Variante den Laden übernommen haben wird.

Gibt es denn Länder auch in diesem Herbst und Winter, die deutlich besser dastehen, und bei denen Omikron oder auch Delta nicht so tobt?

Die Länder, die schon sehr gut geimpft haben - also Portugal, Spanien, Italien - die haben jetzt auch oder werden noch zu tun bekommen mit der Omikron-Variante. Aber durch diese gute Grundimmunisierung in der Bevölkerung ist es so, dass da nicht so große Konsequenzen daraus erwachsen werden - mit Krankenhauseinweisung und Intensivbettenbelegung. Wir sind mit der Abdeckung durch Impfung noch nicht so weit. Und deswegen kann es hier noch etwas schlimmer ausfallen. Wir müssen uns einfach darauf einstellen, dass wir flächendeckend impfen mit den jetzt verfügbaren Impfstoffen und dann später auch ein viertes Mal mit omikron-spezifischen Vakzinen.

Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung spricht sich für Kontaktbeschränkungen noch vor Weihnachten aus. Trotzdem wollen natürlich viele auch mit ihren Großeltern Weihnachten feiern. Mit Maske unterm Tannenbaum ist es aber dann doch ein bisschen schwierig. Wie feiern Sie denn Weihnachten in diesem Jahr?

Wir kriegen jedes Jahr Besuch von den Großeltern. Die sind geboostert, wir sind geboostert und dann kann man da schon etwas lockerer rangehen. Allerdings achten wir auch darauf, dass wir jetzt in den Tagen vor Weihnachten in so eine Art freiwillige Vorquarantäne gehen - also die Kontakte noch mal stark reduzieren, sodass dann das Zusammentreffen noch etwas sicherer wird.

Viele Menschen haben sich vor Weihnachten schon die Boosterimpfung geholt. Wie sicher ist man mit der Boosterimpfung, wenn man weiß, dass die vor Omikron nicht hundertprozentig schützt?

Da muss man unterscheiden zwischen "sicher vor Infektion" und "sicher vor Erkrankungen". Auch die doppelte Impfung schützt sehr gut vor schweren Verläufen, auch vor Erkrankung - und die Boosterimpfung natürlich erst recht. Wie wir aus Studien wissen, reduziert die Boosterimpfung auch das Risiko, sich zu infizieren. Wenn man dazu noch ein bisschen mit den Kontakten aufpasst, sollte man einigermaßen auf der sicheren Seite sein - besonders wenn es um Kontakte zu älteren Menschen geht, die man ja auf gar keinen Fall gefährden möchte.

Würden Sie trotzdem allen Menschen vor Weihnachten empfehlen, vor Treffen unbedingt noch mal einen Test zu machen - egal ob geimpft oder ungeimpft?

Ja, das war ja auch schon die Frage bei der Befreiung von der Testpflicht für Geboosterte vor einigen Tagen. Ich würde sagen, das wäre noch ein weiteres sinnvolles Mittel, nicht nur die Kontakte zu reduzieren, sondern vor Zusammentreffen zu den Feiertagen noch mal einen Test zu machen. Da sollte ein Antigen-Schnelltest eigentlich ausreichend sein.

Mit Timo Ulrichs sprach Nele Balgo

Quelle: ntv.de

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