"Schaden unbekannten Ausmaßes" Es rumort weiter in Woelkis Erzbistum
07.05.2021, 09:40 Uhr
Kardinal Rainer Maria Woelki muss dringende Fragen aus den eigenen Reihen beantworten.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Pool)
Im Erzbistum Köln von Kardinal Rainer Maria Woelki sorgt eine Personalentscheidung für Aufruhr, viel mehr aber noch der Umgang damit. Die Kritik am Würdenträger Woelki kommt besonders stark aus den eigenen Reihen.
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki steht weiter in der Kritik - auch in den eigenen Reihen. "Die Krise im Erzbistum Köln nimmt kein Ende", sagte der oberste katholische Repräsentant in Bonn, Stadtdechant Wolfgang Picken. Seit Januar seien im Erzbistum Köln schon mehr Menschen aus der Kirche ausgetreten als sonst in einem ganzen Jahr.
Woelki hatte in den vergangenen Tagen eine Personalentscheidung aus dem Jahr 2017 verteidigt. Damals hatte er einen Pfarrer zum stellvertretenden Stadtdechanten von Düsseldorf befördert, der zuvor zugegeben hatte, zusammen mit einem 17 Jahre alten Prostituierten masturbiert zu haben. Der Pfarrer habe Reue gezeigt und deshalb eine zweite Chance verdient gehabt, hatte dazu Woelkis Stellvertreter, Generalvikar Markus Hofmann, in einem Interview im WDR gesagt.
"Der Schock über die Aussage des Generalvikars sitzt tief, weil sie befürchten lässt, man würde Ähnliches wieder tun und Missbrauchstäter in leitende Kirchenpositionen befördern, um ihnen eine Chance zu geben", sagte Picken. "Das empört viele und lässt vermuten, dass man wenig dazugelernt hat." Der Missbrauch von Minderjährigen liege fast immer in der Persönlichkeitsstruktur begründet. "Hier in den alten sakralen Terminologien von Reue, Beichte oder Umkehr zu sprechen, ist völlig unangemessen - als ob Bedauern etwas an der Veranlagung eines Missbrauchstäters ändern würde."
Woelki und Hofmann müssten zugeben, dass die Beförderung des Pfarrers ein Fehler gewesen sei, forderte Picken. Ob dieses Signal allerdings ausreiche, um das Erzbistum aus seiner derzeitigen Krise herauszuführen, sei fraglich. "Wenn die Bistumsleitung nicht schnell zu klaren Konsequenzen bereit ist, dann steht ein Schaden ungekannten Ausmaßes für das Erzbistum Köln und die Kirche in Deutschland zu befürchten", sagte Picken.
"Ist das unser Anspruch?"
Erst am Dienstag hatte der Katholikenausschuss der Stadt Köln eine Mitteilung unter dem Titel "Wo sind wir denn?" veröffentlicht, in der er Woelki und Hofmann scharf kritisierte. Hofmanns Äußerungen, wonach das gemeinsame Masturbieren mit einem Minderjährigen "weder nach staatlichen noch kirchenrechtlichen Normen strafbar" gewesen sei, zeuge von einer "verharmlosenden und menschenverachtenden Haltung". Sie belegten, dass "(…) ethisch-moralische oder gar christliche Wertmaßstäbe aus opportunistischen Selbsterhaltungsreflexen in der Kirchenleitung offenbar keine Rolle mehr spielen". Weiter heißt es: "Erlaubt ist, was nicht verboten ist. Ist das unser Anspruch? So etwas darf nicht passieren - nicht einmal unbedacht." Zu der Beförderung des Pfarrers hatte das Erzbistum bereits am Dienstag mitgeteilt, 2017 sei lediglich ein nicht strafbarer Vorfall aus dem Jahr 2001 eindeutig belegt gewesen.
Die "Bild"-Zeitung hatte jüngst berichtet, Woelki sei bereits im Jahr 2010 von einem Gemeindemitglied persönlich darüber informiert worden sein, dass der im Januar 2021 angezeigte Geistliche D. "kein normales Verhältnis zu Messdienern hatte". Die Zeitung beruft sich auf eine interne Mitteilung des Generalvikariats. Darin sei von ständigen "anzüglichen" Sprüchen des Geistlichen D. sowie von Saunabesuchen mit Messdienern die Rede. Der beschuldigte Geistliche hatte demnach bei einer polizeilichen Vernehmung im Jahr 2001 sexuelle Handlungen mit einem minderjährigen und obdachlosen Prostituierten eingestanden.
Dem Zeitungsbericht zufolge kam im Jahr 2018 der damalige Missbrauchsermittler des Bistums zu dem Schluss, dass aufgrund der Hinweise im Jahr 2010 "weitere Schritte" hätten eingeleitet werden müssen. Stattdessen seien Gruppen, die Missstände meldeten, "kaltgestellt, nicht angehört, ignoriert" worden, schimpft der Katholikenausschuss und schreibt, dass Interessierte "in ihrer Arbeit behindert, wie Medienschaffende beschimpft, mit unseligen Nazivergleichen überzogen oder als Nestbeschmutzer abgetan worden" seien. Woelki hatte bei einer Pressekonferenz im März erklärt, dass er in seiner Zeit als Weihbischof von 2003 bis 2011 mit keinerlei Missbrauchsfällen konfrontiert worden sei.
Woelki und Hofmann wurden nun vom Katholikenausschuss aufgefordert, "ernsthaft zu prüfen", ob sie (...) überhaupt noch willens und in der Lage seien, die "selbst angerichteten katastrophalen Probleme und Fehler zu beseitigen". Der Ausschuss wollte wissen, warum Woelki und Hofmann glaubten, für den "dringend erforderlichen Veränderungsprozess noch die richtigen Personen zu sein". Denn jede Handlung und Aussage habe das Gegenteil vermittelt. "Die Einschätzung, richtig gehandelt zu haben, haben die Verantwortungsträger derzeit exklusiv."
Quelle: ntv.de, ter/dpa