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Experten wird "angst und bange" "Deutsche Flughäfen haben ein Sicherheitsproblem"

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Ein einfacher Maschendrahtzaun, mit einem Bolzenschneider durchtrennt: So verschaffen sich die Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation immer wieder Zutritt zu Rollfeldern.

Ein einfacher Maschendrahtzaun, mit einem Bolzenschneider durchtrennt: So verschaffen sich die Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation immer wieder Zutritt zu Rollfeldern.

(Foto: picture alliance/dpa)

Aktivisten der Letzten Generation legen Flughäfen in vier deutschen Städten lahm. Mit Bolzenschneidern durchtrennen sie Zäune und verschaffen sich so Zutritt zu den Rollfeldern. Sind Deutschlands Flughäfen zu schlecht abgesichert? Ja, sagt der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.

Aktivisten der Letzten Generationen dringen am frühen Morgen in vier deutsche Flughäfen ein und kleben sich an den Rollbahnen fest. In Köln/Bonn muss zeitweise der Betrieb eingestellt werden. Wie kann es sein, dass solche Aktionen immer wieder gelingen?

Das liegt ganz einfach daran, dass die Flughäfen in Deutschland ihre Außensicherung über viele Jahre vollkommen vernachlässigt haben. An vielen Flughäfen besteht die Außengrenze bloß aus einem Maschendrahtzaun. Auf dem liegt dann vielleicht noch NATO-Draht, damit niemand darüberklettern kann. Aber das hilft natürlich nichts, wenn die Leute mit dem Bolzenschneider den Zaun durchschneiden und einfach durchklettern.

Haben Deutschlands Flughäfen also ein Sicherheitsproblem?

Deutschlands Flughäfen haben auf jeden Fall ein Sicherheitsproblem. Es kann einfach nicht sein, dass Unbefugte so leicht auf das Rollfeld vordringen können. Die Aktivisten der Letzten Generation sind zwar lästig, aber nicht gefährlich. Doch wir leben in unsicheren Zeiten, und wenn ich mir vorstelle, dass Terroristen oder Saboteure diesen Weg gehen, kann einem nur angst und bange werden.

Wie können Flughäfen vor Terroranschlägen und Sabotageakten geschützt werden?

Zunächst braucht es einen Zaun aus sogenanntem Doppelstabgitter, der nicht so schnell durchschnitten werden kann. Dahinter kommt dann ein weiterer Zaun, wodurch eine Art neutraler Zone entsteht, in der Eindringlinge von der Bundespolizei oder anderem Sicherheitspersonal gestellt werden können. Außerdem wird zusätzlich elektronische Sicherung in Form von Kameras und Sensoren benötigt, die jeden Versuch, sich an dem Zaun zu schaffen zu machen, registrieren und direkt melden. In der Industrie ist diese Kombination längst ein bewährtes Sicherheitskonzept.

Warum ist es noch nicht an Flughäfen im Einsatz?

Das liegt zum einen an mangelndem Risikobewusstsein. Aber natürlich scheut man sich auch davor, die erheblichen Mittel auszugeben, die für die Umsetzung notwendig wären. Schauen wir uns zum Beispiel den Frankfurter Flughafen an: Mit seiner rund 30 Kilometer langen Außengrenze würde so ein Zaun richtig ins Geld gehen. Allerdings wäre jeder einzelne Terroranschlag in seinen Folgen weitaus teurer.

Sehen Sie denn aktuell die Gefahr von Terroranschlägen und Sabotageakten an deutschen Flughäfen steigen?

Aktionen wie die der Letzten Generation oder die Geiselnahme am Hamburger Flughafen im November letzten Jahres zeigen zumindest, wie verwundbar unsere Flughäfen sind. Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Man darf sich keine Illusion machen, dass solche Gelegenheiten nicht irgendwann einmal genutzt werden.

Die Bundesregierung will Flughafenbetreiber nun per Rechtsverordnung zu besseren Schutzmaßnahmen zwingen. Ist das ein erster Schritt in die richtige Richtung?

Diese Rechtsverordnung konkretisiert ja nur etwas, das ohnehin schon im Luftsicherheitsgesetz vorgeschrieben ist. Darin heißt es nämlich, dass die Flughäfen ihr Gelände gegen unbefugtes Eindringen sichern müssen. Von daher ist es zweifelsohne eine richtige Maßnahme. Wobei es bedauerlich ist, dass es überhaupt einer solchen Rechtsverordnung bedarf.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Verschärfung der Strafvorschriften im Luftsicherheitsgesetz. Denn bislang gelten die Aktionen der Letzten Generation als Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung am Zaun und gegebenenfalls Nötigung. Durch die Verschärfung können bei dem unbefugten Vordringen auf ein Flughafengelände auch Gefängnisstrafen drohen. So könnten weitere Blockaden bereits im Vorfeld unterbunden werden.

Die Klima-Blockaden der Letzten Generation haben auch große finanzielle Folgen. Wie teuer sind die Aktionen für die Flughäfen und Fluggesellschaften?

Den Flughäfen entgehen durch die blockierten Rollfelder vor allem Landeentgelte. Das ist allerdings der kleinere Teil. Diejenigen, die, die es richtig trifft, sind die Airlines. Wenn eine Vielzahl an Flügen ausfällt oder umgeleitet werden muss, fallen schnell Kosten an, die im zweistelligen Millionenbereich liegen.

Derweil sorgt der Fall eines Norwegers für Aufsehen, der am Münchener Flughafen ohne Ticket in ein Flugzeug steigen konnte - und das an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Wie steht es um die Sicherheit im Inneren der Flughäfen?

So etwas darf natürlich nicht vorkommen. Auf der anderen Seite muss man realistischerweise auch sagen, dass an den Kontrollen am Ende Menschen stehen. Es gibt kein Konzept, in dem nicht doch irgendwo Lücken entstehen. Im Großen und Ganzen funktioniert die Sicherung der Terminals aber ganz prima. Das große Problem lautet eher: Vorn werden die Passagiere durchleuchtet, während die Hintertür sperrangelweit offensteht.

Der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt war von 1999 bis 2004 Pressesprecher von Boeing in Deutschland.

Der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt war von 1999 bis 2004 Pressesprecher von Boeing in Deutschland.

(Foto: Heinrich Großbongardt)

An vielen Sicherheitskontrollen wird mittlerweile auf Ganzkörperscanner statt auf menschliches Personal gesetzt. Welche technischen Neuerungen sehen Sie künftig an deutschen Flughäfen im Einsatz?

Aus Sicht der Passagiere dürfte sich ein großes Ärgernis bald erübrigt haben. Denn die ersten Flughäfen führen bereits Scanner ein, die Flüssigkeiten analysieren können. So muss ich meine Wasserflasche nicht mehr vor der Kontrolle entsorgen, nur um mir hinterher für viel Geld etwas Neues zu trinken zu kaufen. Auch Hautcremes und Aftershave im Handgepäck werden von diesen Geräten zuverlässig als harmlos erkannt. Die Scanner sind allerdings teuer, ein flächendeckender Einsatz könnte also noch ein wenig dauern.

Mit Heinrich Großbongardt sprach Aljoscha Prange

Quelle: ntv.de

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